DAZ aktuell

Pro pharmazeutische Dienstleistungen

EDQM fordert Förderung apothekerlicher Kompetenzen

Der Europarat hat am 26. November in einer viel beachteten Pressekonferenz eine Resolution zur Förderung der klinisch-pharmazeutischen Dienstleistungen der Öffentlichkeit vorgestellt. Bedingt durch die COVID-19-Pandemie wurde der Termin auf ein digitales Format umgestellt. Die Resolution wurde federführend vom Europäischen Direktorat für die Qualität von Arzneimitteln (EDQM, zuständig unter anderem auch für das Europäische Arzneibuch) erarbeitet und ist den 47 Mitgliedstaaten bereits zugestellt worden.
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Mit einer Resolution adressiert an 47 Mitgliedstaaten wollen Vertreter des EDQM die bessere Einbindung klinisch-pharmazeutischer Dienstleistungen erreichen.

Die Resolution bezieht sich inhaltlich unter anderem auf vorherige Arbeiten und Definitionen des Pharmaceutical Care Network Europe (PCNE) und der International Pharmaceutical Federa­tion (FIP). Vorgestellt wurde die Resolution von Dr. Silvia Ravera und Dr. FranÇois-Xavier Lery (beide EDQM), Prof. Martin Henman (Trinity College, Dublin) und Dr. Charlotte Rossing (Pharmakon, Dänemark). An der Ausarbeitung der Resolution waren neben Krankenhausapothekern und öffent­lichen Apothekern auch Wissenschaftler und Vertreter der Gesundheits­behörden beteiligt. Die Arbeitsgruppe war angesiedelt beim Committee of Experts on Quality and Safety Standards in Pharmaceutical Practices and Care (CD-P-PH/PC).

Die Resolution findet sich in voller Länge unter: https://rm.coe.int/09000016809cdf26

Status quo in Europa

Als Ausgangsszenario wird festgehalten, dass die Probleme beim Arzneimittelgebrauch in Europa inzwischen auf einem unerträglich hohen Niveau liegen. Der Grund ist, dass der gesamte Prozess der Medikation nur suboptimal funktioniert. Insbesondere werden festgehalten:

  • eine dürftige Auswahl der geeigneten Wirkstoffe und ein unkoordinierter Einsatz der Arzneimittel,
  • eine verbesserungswürdige An­wendung der Medikamente durch die Patienten,
  • unzureichendes Monitoring und Überwachung, damit verbunden eine viel zu späte Änderung der Medikation, wie beispielsweise Erhöhung der Dosis oder Absetzen eines nicht mehr benötigten Wirkstoffes.

Lösungen

Diesen teils gravierenden Mängeln soll laut Resolution durch den vermehrten Einsatz von pharmazeutischen Dienstleistungen durch Apotheker begegnet werden. Dieser soll zudem therapeutische Verantwortung übernehmen, seine Fähigkeiten sollen erweitert und im Gesundheitswesen vollumfänglich genutzt werden. Der gesamte Prozess der Medikation muss den Patienten in Zukunft bedingungslos in den Mittelpunkt stellen. Die Entscheidungsfindung soll gemeinsam mit dem Patienten gesucht werden, der Patient ist jederzeit Herr des Geschehens. Auch der weitere Therapieverlauf soll unmittelbar auf den Patienten ausgerichtet sein. Die Arzneimittelanwendung ist als strukturierter Prozess zu sehen und darf nicht dem Zufall überlassen bleiben. Hierbei mögen alle Heilberufler zusammenarbeiten, bestehende Barrieren zwischen den Professionen, Disziplinen und Schnittstellen sollen beseitigt werden.

Die Resolution gliedert sich in die Bereiche Definition von pharmaceutical care (Section I), Patient care und Versorgungsprozess (Section II), Pharmazeutische Dienstleistungen (Section III), Pharmazeutische Dienstleistungen auf Station (Section IV), Pharmazeutische Dienstleistungen im öffentlichen Gesundheitswesen (Section V), Implementierung der Dienstleistungen im jeweiligen Gesundheitssystem (Section VI) und Förderung von pharmaceutical care (Section VII).

Erweiterte Tätigkeiten und Befugnisse der Apotheker

Pharmazeutische Dienstleistungen, die in der Resolution exemplarisch angesprochen und den Mitgliedstaaten ausdrücklich als Regelleistung im niedergelassenen Bereich empfohlen werden, sind:

  • Minor Ailment Service: Ärzte sollen die Auswahl, Verschreibung und Abgabe von Arzneimitteln gegen leichtere Erkrankungen (Kopfläuse, etc.) an den Apotheker delegieren.
  • New Medicines Service: Beim Einsatz neuer Medikamente sollen die Patienten nach ca. zwei Wochen in der Apotheke eingehend informiert und intensiv beraten werden. Ziel ist es, die Patienten mit ihren Fragen und Bedenken nicht alleine zu lassen, sondern sie in der Therapie zu begleiten.
  • Pharmazeutische Unterstützung bei komplexen Erkrankungen und vulnerablen Patientengruppen: Hierzu sollen z. B. Hausbesuche und andere patientenorientierte und maßgeschneiderte Arten der Unterstützung angeboten werden.
  • Medikationsmanagement: Das Medikationsmanagement soll insbeson­dere dann eingesetzt werden, wenn eine hohe Wahrscheinlichkeit für Risiken gegeben ist.

Auf Station sollen sich die Pharma­zeuten besonders dem Medikations­abgleich (Medication Reconciliation) und dem Schnittstellenmanagement bei Entlassung (und Aufnahme) widmen. Es wird ganz besonders darauf hingewiesen, dass der Apotheker direkt am Patienten zum Einsatz kommen soll. Antimicrobial/Antibiotic Stewardship ist ein weiteres Betätigungsfeld, das auf Station den Apothekern zugeordnet wird.

Appell an die Mitgliedstaaten

Die Gesundheitssysteme der Mitgliedstaaten des Europarats werden auf­gerufen, die Rolle der Apotheker entsprechend zu ändern und zu definieren, so dass ihnen die vollumfängliche Ausübung von klinisch-pharmazeu­tischen Dienstleistungen ermöglicht wird. Es sollen Ressourcen und Vergütungsmöglichkeiten geschaffen werden. Regeln, Gesetze und Vorschriften sollen entsprechend geändert werden. Die Ergebnisse der Dienstleistungen sollen dann evaluiert und an die Bedürfnisse der Patienten angepasst werden. Bürokratische Hindernisse sollen beseitigt werden, damit die begrenzte Arbeitszeit der Pharmazeuten nicht mit Dokumentieren und Zertifizieren vergeudet wird. Studium und Ausbildung an den Universitäten sollen umgestellt werden, so dass den Pharmazeuten das nötige patienten­orientierte und klinische Wissen vermittelt wird. Gleichzeitig sollen die Bemühungen für lebenslanges Lernen, Fort- und Weiterbildung intensiviert werden, Strukturen sollen hierzu geschaffen und implementiert werden.

Die Regierungen werden aufgerufen, den Wandel hin zur vollumfänglichen Nutzung der patientenorientierten Dienstleistungen auch untereinander zu koordinieren. Ferner sollen sie die Apotheker auf diesem Weg unterstützen und ihnen den nötigen Rückhalt im Gesundheitssystem verschaffen, sofern das zur Durchsetzung der Neupositionierung erforderlich ist.

Beispiel Dänemark

Dr. Charlotte Rossing, Wissenschaft­lerin beim standeseigenen, aber unabhängigen Pharmakon Dänemark und ehemalige Vorsitzende des PCNE, stellte dann am Beispiel Dänemarks die Erweiterung der Tätigkeitsfelder des Apothekers vor. In Dänemark wurden die pharmazeutischen Dienstleistungen meistens auf der Basis wissenschaftlicher Studien implementiert, wobei vom Studienbeginn bis zur Regelleistung oftmals zehn Jahre vergingen. Vergütete Dienstleistungen in Dänemarks Apotheken sind derzeit die Patientenschulung bei der Anwendung von Inhalatoren, der New Medicines Service, Gespräche zur Förderung der Adhärenz, Wiederholungsverordnungen (nach jeder Verordnung einmalig eine kleine Packung), Medikationsanalysen, ein brown-bag review, Blutdruck- und Cholesterolmessungen, Raucherentwöhnungsprogramme und Impfungen. Vergütet wird auch die Qualitätssicherung des Medikationsprozesses in Altenheimen.

Diskussion

In der anschließenden Fragerunde wurde besonders auf die Verbindlichkeit dieser Resolution eingegangen. Die Vertreter des EDQM betonten, dass man im Gegensatz zum Arzneibuch zwar bislang keine Verbindlichkeit für pharmazeutische Dienstleistungen geschaffen habe, mit der Resolution aber ein starkes Zeichen gesetzt worden sei. Die Mitgliederstaaten des Europarats seien gehalten, sich an diesen Vorgaben zu orientieren. Man sei zudem bemüht, Vorschläge aufzunehmen, wie eine Unterstützung der Implementierung durch das EDQM aussehen könne. Ferner werde man sich auf internationalen Kongressen und in verschiedenen Organisationen einbringen. |

Apotheker Dr. Olaf Rose, PharmD

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