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Arzneimittel und Therapie
Pritelivir gegen resistente Herpes-Viren
Neue Option für immunsupprimierte Patienten
Einmal im Körper angekommen, wird man sie nicht mehr los: Herpes-simplex-Viren (HSV). Je nach Typ können sie schmerzhafte Bläschen an den Lippen (Typ 1) oder im Genitalbereich (Typ 2) auslösen. Die klassische Therapie besteht aus einem Nukleosid-Analogon wie Aciclovir, dessen Prodrug Valaciclovir oder Famiclovir (Prodrug von Penciclovir). Allen Nukleosid-Analoga gemeinsam ist die vorher notwendige Aktivierung durch die virale Thymidinkinase. Die so phosphorylierten Wirkstoffe inhibieren anschließend die DNA-Polymerase, sodass keine Verlängerung des DNA-Strangs mehr stattfinden kann.
Unter langzeitiger Therapie können bei immunsupprimierten Patienten (zum Beispiel Transplantat-Empfängern, AIDS-Patienten) resistente Herpes-simplex-Viren entstehen, denen die aktivierende Thymidinkinase fehlt, und somit Aciclovir und Co. nicht mehr wirken können. Gleichzeitig besteht bei dieser Patientengruppe durch die immunsuppressive Therapie eine erhöhte Komplikationsgefahr durch die Herpes-Infektionen. Ein Dilemma. Ein Lichtstreifen am Horizont ist für diese Patienten sicher die kürzlich bekannt gewordene Zulassung des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) von Pritelivir im Rahmen eines Härtefallprogramms (Compassionate Use Program) dar. Der Wirkstoff gehört zu der neuen chemischen Klasse der Thiazolylamide und wirkt gegen beide Typen der Herpes-simplex-Viren. Pritelivir inhibiert den Helikase-Primase-Komplex und verhindert so die De-Novo-Synthese der viralen DNA. Anders als die Nukleosid-Analoga muss der Wirkstoff dazu nicht durch die virale Thymidin-Kinase aktiviert werden, sodass Pritelivir auch bei Herpes-simplex-Stämmen eingesetzt werden kann, die gegen andere Arzneimittel resistent sind.
Schnelle Hilfe für Betroffene
Härtefallzulassungen richten sich speziell an schwer erkrankte Menschen, bei denen keine weiteren Therapieoptionen mehr zur Verfügung stehen und die an keiner klinischen Studie teilnehmen können. Durch das Compassionate Use Program soll den Betroffenen ein erleichterter Zugang zu Medikamenten geschaffen werden, die in dem Heimatland der Patienten noch keine Zulassung haben. Die Härtefallzulassung erhalten Medikamente dabei nur, wenn ausreichend Belege für deren Wirksamkeit und Sicherheit vorliegen und zudem eine hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass den Betroffenen durch das neue Arzneimittel geholfen werden kann. Nachdem Pritelivir in zwei Phase-II-Studien sowohl einer HSV-Behandlung mit Valaciclovir als auch mit Foscarnet überlegen war, kann es ab sofort im Rahmen der Härtefallzulassung bei immungeschwächten Patienten, die eine Infektion mit Aciclovir-resistenten Herpes- simplex-Viren und gleichzeitig eine Resistenz oder Intoleranz gegenüber Foscarnet haben, eingesetzt werden. Parallel bereitet der Hersteller AiCuris aktuell eine Phase-III-Studie vor, um mit diesen Daten eine offizielle Marktzulassung zu beantragen. |
Literatur
AiCuris erhält Zulassung des BfArM zur Initiierung eines Härtefallprogramms (Compassionate Use Program) für Pritelivir in Deutschland, Pressemitteilung vom 2. Dezember 2020
Geisslinger G, Menzel M, Gudermann T, Hinz. B. Ruth P. Mutschler – Arzneimittelwirkungen. 11. Auflage 2019, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart
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