Arzneimittel und Therapie

Vitamin-Cocktail bei Sepsis ohne Benefit

Nutzen von Vitamin C, Thiamin und Hydrocortison nicht belegt

Die Sepsis stellt die schwerste Verlaufsform einer Infektionserkrankung dar. Häufig gehen damit auch Organschäden einher. Mithilfe eines Vitamin-Cocktails hat man auf etlichen Intensivstationen versucht, diesen entgegenzuwirken. Vermutlich umsonst, wie aktuelle Daten nun gezeigt haben.

Auf deutschen Intensivstationen erleiden etwa 12,4% der Patienten eine Sepsis und 11% eine schwere Sepsis oder einen septischen Schock. Die Gesamtsterblichkeit steigt mit zunehmender Schwere der Sepsis stark an [1]. Es gibt aber auch eine gute Nachricht: In einer Modellierungsstudie wurde geschätzt, dass sich die Gesamtsterblichkeit zwischen 1990 und 2017 deutlich verbessert hat [2].

Vitamine sollen helfen

Im Jahr 2017 veröffentliche der Intensivmediziner Paul E. Marik von der Eastern Virginia Medical School in den USA eine monozentrische Vorher-Nachher-Studie, in der er eine neue Behandlungsstrategie bei Sepsis vorstellte: 1,5 g Ascorbinsäure (Vitamin C), 50 mg Hydrocortison und 100 mg Thiamin (Vitamin B1) als Infusion alle sechs Stunden über vier Tage. Damit reduzierte er die Mortalität seiner Patienten signifikant gegenüber Placebo (8,5% vs. 40,4%) [3]. Eindrucksvolle Ergebnisse – keine Frage. So eindrucksvoll, dass das Marik-Protokoll trotz der niedrigen Evidenz der Studie Einzug in einige Intensivstationen hielt. Was danach folgte, kann man sicherlich unter „wissenschaftlichem Diskurs“ verbuchen. Das Marik-Protokoll wurde viel diskutiert, viel kritisiert. Es drängten neuere randomisierte Studien an die Oberfläche, die Ascorbinsäure allein oder in Kombination mit Corticosteroiden und Thiamin bei Patienten mit Sepsis einsetzten. Allerdings hatten alle ein unterschiedliches Studiendesign und inkonsistente Ergebnisse. Der Gedanke, einen Vitamin-Cocktail in der Behandlung des akuten Schocks zu verwenden, ist nicht weit hergeholt. Ascorbinsäure- und Thiaminmangel ist häufig bei Menschen mit Sepsis beschrieben worden. Die intravenöse Gabe von hochdosiertem Vitamin C hat somit zweierlei Bedeutung: Zum einen merzt man so den vorherrschenden Mangel aus, zum anderen nutzt man die starke antioxidative Wirkung des Vitamins. Hydrocortison wiederum ist ein altbewährter Entzündungshemmer, der zusammen mit Vitamin C sogar synergistische Wirkung haben soll [3].

Foto: tbralnina – stock.adobe.com

S(k)epsis-Therapie

Die Forscher um Ari Moskowitz haben vor Kurzem das Marik-Protokoll in einer randomisierten, verblindeten und multizentrischen Studie auf Herz und Nieren geprüft. Sie konnten die bahnbrechenden Ergebnisse von Marik et al. leider nicht bestätigen. In der ACTS-Studie untersuchten die Forscher die Hypothese, ob die Marik-Kombination im Vergleich zu Placebo bei Patienten mit septischem Schock den SOFA-Score (Sequential Organ Failure Assessment) in den ersten 72 Stunden stationärer Behandlung reduzieren kann. 200 Patienten wurden in die Analyse einbezogen. Insgesamt wurden 101 Patienten randomisiert der Interventionsgruppe und 99 der Placebo-Gruppe zugeteilt [2]. Im primären Endpunkt, der Veränderung im SOFA-Score, zeigte sich kein statistisch signifikanter Unterschied: So sank der SOFA-Score in der Interventionsgruppe durchschnittlich um 4,7 Punkte, in der Placebogruppe um 4,1 Punkte. Auch bei den sekundären Endpunkten gab es keinen statistisch signifikanten Unterschied in der Inzidenz von Nierenversagen (31,7% vs. 27,3%) oder in der 30-Tage-Mortalität (34,7% vs. 29,3% [Hazard Ratio = 1,3]). Die häufigsten schwerwiegenden unerwünschten Ereignisse waren Hyperglykämie (12 vs. 7), Hypernatriämie (11 vs. 7) und im Krankenhaus erworbene Neuinfektionen (13 vs. 12). Innerhalb der untersuchten 72 Stunden verstarben neun Patienten in der Interventionsgruppe und zehn Patienten in der Placebo-Gruppe. Die Ergebnisse der ACTS-Studie widerlegen somit den routinemäßigen Einsatz des Marik-Protokolls in der Behandlung von Patienten mit septischem Schock [2].

Was die Diskussion um den Behandlungsansatz von Marik ganz besonders gezeigt hat, ist die zwingende Notwendigkeit von randomisierten ­klinischen Studien, wenn es darum geht, neue Behandlungsmethoden anzuwenden. Sie gelten immer noch als Goldstandard. |

Literatur

[1] Brunkhorst F, Schmitz R, Definition, Epidemiologie und ökonomische Aspekte der Sepsis erschienen in Sepsis und MODS. 2016, Springer Verlag

[2] Moskowitz, A et al, Effect of Ascorbic Acid, Corticosteroids, and Thiamine on Organ Injury in Septic Shock: The ACTS Randomized Clinical Trial. Jama, 2020. 324(7):642-650

[3] Marik, P.E. et al, Hydrocortisone, Vitamin C, and Thiamine for the Treatment of Severe Sepsis and Septic Shock: A Retrospective Before-After Study. Chest 2017.151(6):1229-1238

Apothekerin Dorothée Malonga Makosi, MPH

Das könnte Sie auch interessieren

Nierenversagen nach septischem Schock

Vasopressin oder doch Norepinephrin?

Wichtigstes Kriterium einer Sepsis ist die Organdysfunktion

Immunantwort außer Kontrolle

Hochdosis-Therapie kann Organfunktion nicht verbessern

Vitamin C enttäuscht bei Sepsis

In den USA stieg das Sterberisiko von Patienten mit septischem Schock

Norepinephrin-Engpass mit tödlichen Folgen

Was die Infusionstherapie leisten soll

Vitamin C hochdosiert

Beratungswissen zu Vitamin B1 (Thiamin)

Essenzielles Coenzym

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.