Aus der Hochschule

Neue Approbationsordnung: BPhD macht mit Positionspapier Druck

Runder Tisch zur Novellierung soll in Kürze stattfinden

Von Marius Penzel | Wenn es darum geht, die Pharmazie patientenzen­trierter zu gestalten, hinkt Deutschland hinterher. Fachverbände fordern seit Langem, die Schwerpunkte im Studium neu zu setzen. Nach langem Warten beginnen nun erste Gespräche zur Novellierung der Approbationsordnung für Apotheker. Der Bundesverband für Pharmaziestudierende veröffentlichte vor Kurzem ein Positionspapier mit den Ideen, die sie in die Verhandlungen einbringen wollen.

2014 verfasste der ABDA-Vorstand das Perspektivpapier Apotheke 2030. Die Kernaussage des Dokuments: Die Pharmazie muss näher zum Patienten rücken. In zwei Jahren kann die Apothekerschaft die Halbzeit feiern, die zwischen der Veröffentlichung des Thesenpapiers und der glorreichen Zukunft im Jahre 2030 liegt. Passiert ist seitdem vor allem: Nicht viel. Wissenschaftler stellten in einer 2018 im „International Journal of Clinical Pharmacology and Therapeutics“ veröffentlichten Studie zwölf Länder hinsichtlich der patientenorientierten Pharmazie gegenüber. Deutschland belegte den letzten Platz – zusammen mit Bosnien-Herzegowina.

Die neue Generation der Apothekerinnen und Apotheker könnte die Pharmazie hierzulande in eine stärker am Patienten orientierte Zukunft heben. Doch die in der Approbationsordnung festgelegten Inhalte scheinen junge Pharmazeuten nicht auf eine progressive Praxis vorzubereiten. „Die Schwerpunkte sind falsch gesetzt. In manchen Punkten sind wir überqualifiziert, aber für das Wesentliche haben wir im Studium nicht genug Zeit.“, sagt Marian, der im achten Semester Pharmazie an der Freien Universität Berlin studiert. Im Bewerbungsgespräch für sein Praktisches Jahr sagte ihm die Apothekerin, dass er in der Offizin alles von Neuem lernen würde. „Unsere Kernkompetenz besteht nicht darin, dreizeilige IUPAC-Bezeichnungen in Strukturformeln zu übersetzen. Am meisten bräuchten wir die klinische Pharmazie.“

Novellierung lässt auf sich warten

Fachverbände wie der Bundesverband der Pharmaziestudierenden (BPhD) oder der Bundesverband Deutscher Krankenhausapotheker (ADKA) fordern seit mehr als einer Pharmazie-Regelstudienzeit, die Approbations­ordnung für Apotheker zu novellieren. Die ABDA verabschiedete im November 2017 den „Kompetenzorientierten Lernzielkatalog Pharmazie“. Dieser sollte Pharmazeuten in der Ausbildung Fähigkeiten für die öffentliche Apotheke vermitteln – auch im Rahmen der gültigen Approbationsordnung. Auf diese Weise „die Ausbildung ein bisschen anzupassen“, wie Dr. Thomas Benkert, Vizepräsident der Bundesapothekerkammer (BAK) damals beschrieb, führte nicht zum gewünschten Erfolg. Der BPhD bemerkte damals, dass der Lernziel­katalog unter den Erwartungen der Studierenden liegt.

Foto: BPhD

Beim Deutschen Apothekertag 2019 stellte ADKA-Präsident Prof. Frank Dörje zusammen mit den Apothekerkammern aus Niedersachsen und Bayern sowie dem Bayerischen Apothekerverband einen Antrag mit der Kernforderung, dass das Bundesgesundheitsministerium (BMG) eine Arbeitsgruppe zur Apothekerausbildung beauftragen solle. Die Antragsteller erhofften sich, die Approbations­ordnung auf diesem Weg zügiger ­novellieren zu können.

Der kürzlich verstorbene BAK-Präsident Dr. Andreas Kiefer sprach sich gegen diese Idee aus, da die BAK so keinen Einfluss auf die Mitglieder der Arbeitsgruppe hätten. Stattdessen erklärte er kurzerhand, dass die BAK selbst die Novellierung vorantreibe. Ursula Funke, Präsidentin der Apothekerkammer Hessen, forderte daraufhin umgehend, den Antrag in einen Ausschuss zu verweisen. Dem stimmte die Delegiertenversammlung zu, ohne dass eine Diskussion unter den Delegierten stattfinden konnte. Die BAK-Mitgliederversammlung stimmte am 13. November 2019 dafür, die Novellierung selbst voranzutreiben. Professor Dörjes Versuch, die Novellierung auf einen schnelleren Weg zu bringen, war vom Tisch.

Erste Gespräche beginnen

Ein Jahr nach dem Beschluss zeichnen sich erste Amtshandlungen ab: Nach Informationen der Deutschen Apotheker Zeitung wird sich die BAK in den nächsten Wochen mit Vertretern der Hochschullehrer, Pharmaziestudierenden und anderen Fachorganisationen an einem digitalen runden Tisch zusammenfinden. „Bei einem Meeting wird es voraussichtlich nicht bleiben“, sagte Dr. Christiane Eckert-Lill, Leiterin des Geschäftsbereichs Pharmazie der ABDA, gegenüber der pharmazeutischen Zeitung. Im Anschluss wollen die Beteiligten auf das Bundesgesundheitsministerium zugehen, um den weiteren Prozess anzustoßen. Allerdings würden, so Eckert-Lill, nach der Novellierung noch vier oder fünf Jahre ins Land gehen, bis erste Pharmaziestudierende nach der neuen Approbationsordnung zu Apothekern werden.

Das BPhD-Positionspapier

Bereits 2016 rief der Bundesverband der Pharmaziestudierenden (BPhD) die Arbeitsgruppe Zukunft ins Leben, die mit repräsentativen Umfragen und zahlreichen Diskussionen Visionen für eine neue Approbationsordnung sammelte. Am 15. November 2020 veröffentlichte der BPhD ein Positionspapier, in dem der Verband die Erkenntnisse der letzten vier Jahre zusammengetragen hat.

Im Positions­papier zeigen die Autoren konkrete Vorstellungen zu allen Stoff­gebieten des ­Studiums. Bei chemischen ­Fächern müsste der Fokus in der organischen Chemie liegen, um das Verständnis der Wirkstoffher­stellung und -Wirkung zu vermitteln. Insgesamt müssten chemische Grundlagen wie Stereochemie oder Nomenklatur besser vernetzt und anwendungsbezogen gelehrt werden. Die Inhalte der Physik und der Biologie müssten neu ausgerichtet werden – in einer neuen Approbationsordnung sollten die Arzneiformenlehre sowie gentechnisch hergestellte Arzneimittel und auch die Immunologie mehr Gewicht haben. Auch der Anatomie, Physiologie und Mikrobiologie müsse im Studium mehr Raum zukommen. Im Fach Pharmazeutische Geschichte sollten Studierende auch mit ethischen Fragestellungen konfrontiert werden und diese diskutieren. Themen wie die der klassischen Phytochemie oder der nasschemischen Analytik müssten zugunsten moderner Lehrinhalte weniger Zeit beigemessen werden.

Foto: Claudio Gennari – stock.adobe.com

Nicht erst seit der online-Lehre hat sich in deutschen Hörsälen der pharmazeutischen Fakultäten wenig getan. Nun steht die jahre­lange Forderung der Studierenden, die Approbationsordnung zu novellieren, bei der ABDA auf der Agenda.

Ein Jahr mehr für patientenorientierte Pharmazie

Bei der Erneuerung des Studiums ist die Lage der klinischen Pharmazie eine der drängendsten Baustellen. Gerade dieses Fach widmet sich insbesondere der patientenzentrierten Pharmazie und scheint dennoch an vielen deutschen Universitäten als Anhängsel zu gelten. „20 Jahre nach Einführung des Faches ist es nicht nachvollziehbar, dass an einigen Standorten immer noch keine eigenständige Professur vorhanden ist“, klagt der BPhD in seinem Positionspapier. Die nötigen Lehrstühle für Klinische Pharmazie und Pharmakologie müssen sofort ­etabliert und die Lehre in ihrem Umfang ausgeweitet werden, fordern die Autoren. Vor allem dafür müsse das Studium um zwei Semester verlängert werden. Die Frage, ob die Regelstudienzeit gestreckt werden soll, könnte beim Gesetzgebungsverfahren zum Streitpunkt werden. Hiermit wären ­finanzielle Aufwendungen für die Bundesländer verbunden, sodass diese über den Bundesrat die „Entzerrung“ blockieren könnten.

Der BPhD bemerkt darüber hinaus, dass die Dozierenden untereinander Lehrinhalte besser abstimmen müssen. Mit interdisziplinären Projekten würden Lehrende nicht nur ein umfassendes Verständnis fördern, sondern auch Zeit durch doppelt gelehrte In­halte sparen. Der BPhD fordert die Universitäten auf, dafür Modellprojekte zu etablieren. Landesregierungen sollten Projekte wie diese fördern. Auch die Anerkennung von Leistungen, die Studierende im Ausland erworben ­haben, soll in der Approbationsordnung verankert werden. Außerdem sollen die Hochschulen Abkommen mit Universitäten im Ausland schließen und so den internationalen Austausch fördern.

Der Bundesverband der Pharmazie­studierenden möchte mithilfe des Positionspapiers in die bald beginnenden Verhandlungen treten. |

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