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Aus den Ländern
Meilenstein VOASG
Cathrin Burs sieht gesetzgeberische Aktivitäten in Richtung Apotheken positiv
Mehr als ein Jahr ist es her, dass Magdalene Linz ihr Amt als Präsidentin der Apothekerkammer Niedersachsen nach fast 20 Jahren an Nachfolgerin Cathrin Burs übergab. Die konstituierende Sitzung der Delegierten am 26. Juni 2019 ging aber nicht nur deshalb in die Historie ein: Linz appellierte in ihrer letzten Ansprache mit Nachdruck an die Kollegen, das in Aussicht stehende Vor-Ort-Apotheken-Stärkungsgesetz (VOASG) positiv zu betrachten.
„Wir brauchen Fortschritt“, konstatierte sie damals, „gerade um dem Trend der immer dramatischeren Apothekenschließungsraten entgegenzuwirken.“ Linz wies darauf hin, dass das Rx-Versandverbot nur eine Lösung auf Zeit gewesen wäre. Langfristig müssten andere Maßnahmen die Gleichpreisigkeit garantieren. Ihre Rede schloss sie damals mit einem Satz ab, der für Aufsehen sorgte – auch weit über die Landesgrenzen hinaus: „Ich würde mir wünschen, wenn aus diesem Gesetzentwurf auch wirklich ein Gesetz wird.“
Heute, fast eineinhalb Jahre später, hat sich die Welt im Angesicht der Corona-Pandemie deutlich verändert – doch das VOASG existiert nach wie vor und ist auf die Zielgerade eingebogen: Am 27. November soll es vom Bundesrat durchgewinkt werden, sodass es im Dezember in weiten Teilen in Kraft treten kann. Inzwischen sind zwar wichtige Regelungen, wie etwa die Modellvorhaben zur Grippeimpfung in Apotheken und das Makelverbot für E-Rezepte, in andere Gesetze gepackt worden. Doch mit dem VOASG will der Gesetzgeber endlich eine Antwort auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs zur Rx-Preisbindung von 2016 geben. Mit dem Boni-Verbot im Sozialrecht wird beabsichtigt, dass sich ausländische Arzneimittelversender an die Gleichpreisigkeit und die Versorgungsverträge halten müssen. Andernfalls drohen Sanktionen.
Faire Wettbewerbsbedingungen – mit einer Kröte
Für Niedersachsens Kammerpräsidentin Cathrin Burs werden mit dieser Regelung die lang ersehnten fairen Wettbewerbsbedingungen zwischen Vor-Ort-Apotheken und Versendern wieder hergestellt. Das betonte sie auf der virtuellen Kammerversammlung am Mittwoch in der vergangenen Woche mit mehr als 80 Teilnehmern – darunter auch Ehrenpräsidentin Linz. Burs wies gleichzeitig jedoch auch auf eine Kröte hin, die man mit dem VOASG zwangsläufig schlucken müsse: Eine Arzneimittelpreisbindung würde jetzt „rein theoretisch“ nicht mehr für Privatversicherte gelten. Ob sich die Kammerpräsidentin eine konkrete Lösung vorstellen kann, mit der man die Regelungslücke schließt, ließ sie offen. Dafür machte sie immer wieder deutlich, dass sie der Apothekenreform insgesamt äußerst zuversichtlich entgegen sieht. Aus dem Brief von EU-Binnenmarktkommissar Thierry Breton an Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hätte man keine europarechtlichen Bedenken herauslesen können. Weder massive Einwände noch ein Veto der EU-Kommission ständen schon jetzt im Raum. Das Rx-Boni-Verbot im Sozialrecht bewertete Burs als einen „guten juristischen Schutzwall“.
Herkulesaufgabe pharmazeutische Dienstleistungen
Im Hinblick auf die Einführung der neuen pharmazeutischen Dienstleistungen sprach die Kammerpräsidentin von einem Meilenstein. Zugleich dankte sie den Kollegen, die hierfür jahrelang gekämpft hatten. Schade sei, dass ausgerechnet der im September verstorbene Präsident der Bundesapothekerkammer (BAK), Dr. Andreas Kiefer, diese Entwicklung nicht miterleben könne. Doch die politische Arbeit sei nicht am Ende: Nun folge die „Herkulesaufgabe“ für den Deutschen Apothekerverband (DAV), entsprechende Vereinbarungen mit dem GKV-Spitzenverband zu treffen. Dabei soll es um Tätigkeiten gehen, die alle Apotheken ausführen können. „Medikationsanalysen auf Spitzensportniveau soll es nicht geben“, so Burs.
Dass sich aus der Coronavirus-Pandemie heraus die Botendiensthonorare als eine festgeschriebene, dauerhafte Vergütung ergeben haben, bezeichnete Cathrin Burs als einen Paradigmenwechsel. Zwar sei die Höhe der Vergütung mit 2,50 Euro ab Januar 2021 defizitär, doch immerhin wäre dies ein erster, wichtiger Schritt.
Insgesamt bewertete die Kammerpräsidentin alle gesetzgeberischen Aktivitäten in Richtung der Apotheken – also das VOASG, die Regelungen im Patientendaten-Schutzgesetz und Masernschutzgesetz – als ein solides Fundament. Die Position des Berufsstands sei heute viel stärker als noch vor wenigen Jahren.
Claudia Korf, Geschäftsführerin Ökonomie bei der ABDA, referierte auf der digitalen Kammerversammlung ausführlich über das Gesetzgebungsverfahren zum Vor-Ort-Apotheken-Stärkungsgesetz sowie deren Regelungen. In Bezug auf die Honorierung der pharmazeutischen Dienstleistungen sagte Korf: „Dies ist nicht der fetteste Fisch“, aber ein wichtiger Schritt.
Bei den künftig eingesetzten Karten der Telematik in der Apotheke teilte Korf dem Plenum mit, dass die elektronische Gesundheitskarte, der Heilberufsausweis (HBA) der Apotheker sowie die Institutionskarte (SMC-B) mit einer Laufzeit von fünf Jahren Auslaufmodelle seien. „Mit dem seit Anfang der Woche vorliegenden Referentenentwurf des Digitale Versorgung und Pflege – Modernisierungs-Gesetzes (DVPMG) wird die nächste Ausbaustufe der Telematik-Infrastruktur eingeleitet“, wusste die Volkswirtschafterin zu berichten. Versicherte und Leistungserbringer erhalten ab 2023 digitale Identitäten, um sich zum Beispiel für eine Videosprechstunde sicher zu authentifizieren. Aktuell liege die Ausstattungsquote der Apotheker bundesweit bei dem HBA bei 40 Prozent und bei der SMC-B bei 80 Prozent.
Ärzte und Apotheker: Nebeneinander auf Augenhöhe
Die inzwischen gesetzlich ermöglichten Modellvorhaben zu Grippeimpfungen in Apotheken sollen laut Burs nicht dazu führen, dass die Apotheker nun ihre Fühler in Richtung heilkundliche Präventionsleistung ausstreckten. Mit dieser Aussage verdeutlichte die Kammerpräsidentin, dass es nach wie vor eine Abgrenzung zwischen ärztlichen und apothekerlichen Tätigkeiten geben wird. Doch gleichzeitig müsse es ein Nebeneinander auf Augenhöhe geben.
Dass sich Ärzteverbände zum Teil kritisch und sogar polemisch über die Modellvorhaben auslassen, akzeptiert sie nicht. Es sei eine „Portion zu viel an Frechheiten“, wenn in entsprechenden Veröffentlichungen behauptet werde, in Apotheken würden Patienten in den hintersten Ecken geimpft und dabei sowohl der Datenschutz als auch Hygienestandards missachtet. Mit dieser übertriebenen Revierverteidigung zerschlügen die Ärzte ihr eigenes Porzellan. Dabei gehe es längst nicht mehr nur um die Beziehung zwischen den beiden Berufsständen. Wenn gleichzeitig noch die Patienten auf übertriebene Gefahren und Impfrisiken hingewiesen würden, sei des kontraproduktiv und gefährlich. Bis Ende des Jahres will man in Niedersachsen etwa 170 „Impfapotheker“ ausgebildet haben. Es sei nicht einfach gewesen, einen Arzt als Ausbilder zu finden. „Doch auch das haben wir geschafft“, betonte Burs. |
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