Arzneimittel und Therapie

Candesartan gegen das Vergessen?

Blutdrucksenker kann kognitive Fähigkeiten verbessern

Dass Inhibitoren des Renin-Angiotensin-Systems (RAAS) sich positiv auf den Erhalt kognitiver Fähigkeiten auswirken können, ist bereits bekannt. Der Mechanismus dahinter ist bislang unklar. In einer einjährigen Vergleichsstudie zwischen Candesartan und Lisinopril wurde dieser Frage nachgegangen.

Candesartan und Lisinopril greifen an unterschiedlichen Stellen in das RAAS ein und führen über eine Minderung der Effekte von Angiotensin II zu einer Blutdrucksenkung. Bezüglich der Wirkung auf kognitive Fähigkeiten stehen insbesondere die AT1-Ant­agonisten im Fokus: Im Gehirn befinden sich sowohl AT1- als auch AT2-Rezeptoren. Die Stimulation der AT1-Rezeptoren führt zu neurotoxischen Effekten, denen die Aktivierung der AT2-Rezeptoren entgegenwirkt. Folglich wird angenommen, dass die selektive Blockade von AT1-Rezeptoren durch Candesartan einen stärkeren neuroprotektiven Effekt hat als die gleichzeitige Senkung beider Rezeptoraktivitäten durch den ACE-Hemmer Lisinopril.

Candesartan vs. Lisinopril

Für die genauere Untersuchung wurde in Atlanta, Georgia, erstmals eine einjährige Doppelblindstudie mit den beiden Wirkstoffen durchgeführt.

An der Studie nahmen Hypertoniker mit bereits bestehenden leichten kognitiven Störungen teil, die im Durchschnitt 66 Jahre alt waren. Die Teilnehmer wurden zwischen 2014 und 2018 aus ihrer bisherigen antihypertensiven Therapie herausgenommen und in einem Verhältnis von 1 : 1 randomisiert mit Candesartan (bis 32 mg, 77 Probanden) oder Lisinopril (bis 40 mg, 64 Probanden) behandelt. Dabei wurden alle Teilnehmer auf ­einen Blutdruck von unter 140/90 mmHg eingestellt, zum Teil unter Kombination mit weiteren Antihypertensiva. Die Probanden wurden nach erfolgreicher Blutdruckeinstellung zu Beginn und nach sechs und zwölf Monaten sowohl auf ihre exekutiven Funktionen als auch auf ihr episodisches Gedächtnis untersucht. Dafür wurde eine Vielzahl neuropsychologischer Tests angewendet. Darunter der Trail-Making-Test B (TMT), bei dem die Teilnehmer in möglichst kurzer Zeit abwechselnd Zahlen und Buchstaben (vgl. Teil A: nur Zahlen) in der richtigen Reihenfolge verbinden müssen (s. Abb.). Beide Tests dienen zur Messung der Exekutivfunktion. Diese beschreibt einen Bereich, der kognitive Fähigkeiten wie Selbstregulierung oder das Arbeitsgedächtnis zusammenfasst [1]. Ein MRT (Magnetresonanztomografie) wurde zu Beginn und am Ende durchgeführt und gab Aufschluss über mikrovaskuläre Hirnverletzungen, wie Schäden in der weißen Substanz.

Abb.: Beim Teil B des TMT müssen die Teilnehmer möglichst schnell alternierend Zahlen und Buchstaben miteinander verbinden.

12,8 Sekunden Vorsprung

In der Baseline-Messung der kognitiven Fähigkeiten und im MRT waren keine wesentlichen Unterschiede feststellbar. Anders nach zwölf Monaten: Die mit Candesartan behandelten Pa­tienten konnten den Trail-Making-Test Teil B 12,8 Sekunden [95%-Konfidenzintervall: -22,5 bis -3,1] schneller lösen als die Probanden, die Lisinopril erhalten hatten. Bezüglich des episodischen Gedächtnisses zeigte Candesartan in einzelnen Kategorien ebenfalls bessere Effekte. In weiteren kognitiven Tests ergaben sich aber keine signifikanten Unterschiede. Das MRT zeigte außerdem bei Lisinopril einen signifikanten Anstieg der Schäden in der weißen Substanz im Gehirn, die bei Candesartan geringer ausfielen.

Effekt ist unabhängig von der Blutdrucksenkung

Die Ergebnisse geben Hinweise darauf, dass Candesartan gegenüber Lisinopril im Bezug auf den Erhalt der kognitiven Fähigkeiten überlegen ist. Dabei treten die Effekte unabhängig von der Blutdrucksenkung auf. Einschränkend ist zu erwähnen, dass sich diese Erkenntnisse nicht auf die gesamten Wirkstoffklassen übertragen lassen und auch keinen direkten Bezug zu demenziellen Krankheiten zulassen. Außerdem liegt eine relativ kleine Probandenzahl vor, und die Dauer der Studie ist mit einem Jahr vergleichsweise kurz. Die Ergebnisse liefern jedoch Hinweise für neue Präventionsmaßnahmen und stellen einen Anfang dar, auf diesem Gebiet weiter zu forschen. |

Literatur

[1] Hajjar I et al. Effects of Candesartan vs Lisinopril on Neurocognitive Function in Older Adults With Executive Mild Cognitive Impairment. Jama Network Open 2020;3:1-13

[2] Roth R M et al. Much ado about norming: the Behavior Rating Inventory of Executive Function. Child Neuropsychology A Journal on Normal and Abnormal Development in Childhood and Adolescence 2014;21:225-233

Apothekerin Ann-Kathrin Vogt

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