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Überwachung

Ein Fall für die Apothekenaufsicht?

In welchen Bereichen Amtsapotheker und Pharmazieräte eingesetzt werden

Mit der grundlegenden Reformierung des deutschen Arzneimittelgesetzes (AMG) im Jahr 1976 begann in Deutschland die Überwachung sämtlicher Betriebe und Einrichtungen, die Arzneimittel herstellen oder vertreiben. Einen großen Einfluss auf die Reform des AMG hatte der Contergan-Skandal, der damals zu einer deutlichen Verschärfung der Rechtsvorschriften und zu einer Neugestaltung des AMG führte. Das seit 1978 in Kraft getretene AMG gilt seitdem als eines der strengsten weltweit. Wie wurde in Deutschland die Überwachung im Laufe der Zeit ausgedehnt und was wird heutzutage alles kontrolliert? | Von Gabriele Manheller

Die gesetzlich vorgeschriebenen Maßnahmen zeigen die Verpflichtung des Staates, den im Artikel 2 des Grundge­setzes verankerten Gesundheitsschutz der Bevölkerung zu gewährleisten und die Arzneimittelversorgung zu sichern. Dazu ist es erforderlich alle Betriebe, vom Pharmaunter­nehmer über den vollsortierten Discounter bis zur inhabergeführten Apotheke, zu überwachen.

Die Zuständigkeiten für die Überwachung des Verkehrs mit Arzneimitteln sind in Deutschland zwischen Bund und Ländern aufgeteilt. Vereinfacht gilt: Der Bund ist zuständig für die Zulassung bzw. Registrierung. Die Länder sind zuständig für die Überwachung des Verkehrs mit Arzneimitteln. Sie vollziehen die Rechtsvorschriften und überwachen die Einhaltung der Bestimmungen des Arzneimittel-, Apotheken-, Betäubungsmittelrechts sowie der Heilmittelwerbung. Wegen der föderalen Vielfalt können die Zuständigkeiten dabei von Land zu Land sehr unterschiedlich sein [1].

Sonderregelungen je nach Bundesland

Sonderregelungen bestehen beispielsweise in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen. Durch Verordnung der niedersächsischen Landesregierung wurde zum 1. Januar 2005 die Aufgabe der Aufsicht über die Apotheken der Apothekerkammer Niedersachsen übertragen. Dort wacht seitdem der Berufsstand selbst über die Einhaltung der staatlichen Bestimmungen im Bereich des Berufe-, Arzneimittel- und Apothekenrechts.

In den allermeisten Flächenländern (wie z. B. in Bayern, Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Thüringen) werden von den Landesregierungen oder auch den Bezirksregierungen im Einvernehmen mit der Landesapothekerkammer sog. Pharmazieräte bestellt. Dabei handelt es sich um niedergelassene Apotheker, die zeitlich befristet zu Ehrenbeamten ernannt werden. Zu ihren ehrenamtlichen Aufgaben gehören Besichtigungen öffentlicher Apotheken. Die Ergebnisse der Besichtigungen werden den jeweiligen Bezirksregierungen oder den Kreisverwaltungsbehörden mitgeteilt, die dann entsprechende Maßnahmen ergreifen.

In Nordrhein-Westfalen obliegen den sog. Amtsapothekern weitaus mehr Aufgaben als den ehrenamtlichen Pharmazieräten. Sie sind hauptamtlich bei den pharmazeutischen Diensten der unteren Gesundheitsbehörden (Gesundheitsämter) tätig. Die organisatorische Ausgestaltung der Überwachung des Arzneimittel- und Betäubungsmittelverkehrs auf örtlicher Ebene in NRW weicht zum einen von der in den übrigen Bundesländern deutlich ab und kann zum anderen auch von Kommune zu Kommune sehr unterschiedlich sein. Allerdings ist die Apothekenaufsicht stets nur eine von vielen Aufgaben der Amtsapotheker und Amtsapothekerinnen.

Die Idee in NRW

Um das bisherige Nebeneinander unterschiedlicher Kompetenzen im Bereich Arzneimittel, Betäubungsmittel und Gefahrstoffe zu beenden, übertrug die Landesregierung in Nordrhein-Westfalen im Jahr 1980 die Überwachung des örtlichen Arzneimittelverkehrs von der mittleren Verwaltungsebene auf die untere, nämlich auf Kreise und kreisfreie Städte. Ausgenommen blieben Betriebe mit Herstellungserlaubnis sowie der Großhandel außerhalb von Apotheken. Zugleich schufen die Kreise und kreisfreien Städte bei den Gesundheitsämtern eine Funktion, die sämtliche pharmazeutische Überwachungsaufgaben sowie die Überwachung verwandter Bereiche wahrnehmen sollte: Dies war die „Geburtsstunde“ der Amtsapothekerinnen und Amtsapotheker in Nordrhein-Westfalen [1]. Das Land ging damit einen für die Bundesrepublik einzigartigen Weg. Die Verlagerung staatlicher Aufgaben in den Bereich der kommunalen Selbstverwaltung hatte zum Ziel, im bevölkerungsreichsten Land der BRD die Gesundheitsverwaltung bürgernäher und transparenter zu gestalten. Es wurde damit ein Gegenstück zu den auf kommunaler Ebene bereits etablierten Amtsärzten und Amtstierärzten geschaffen. Trotz anfänglicher Bedenken ist die Funktion des Amtsapothekers mittlerweile längst anerkannt. Apotheker, Ärzte, Einzelhandel und Krankenkassen suchen den Kontakt zu dieser neutralen Stelle, wenn es darum geht, Licht in das Dickicht der zahllosen gesetzlichen Bestimmungen zu bringen. Durch ihre Nähe zum Bürger werden die Amtsapothekerinnen und Amtsapotheker auch von der Bevölkerung gut angenommen. Der stetig wachsenden Verpflichtung zur Gesundheitsaufklärung rund um das Arzneimittel kommen sie durch Information und Beratung nach; mit ihren Warnungen vor unwirksamen oder bedenklichen Arzneimitteln sowie ihren Empfehlungen zu Prophylaxemaßnahmen tragen sie zur Erhaltung und zur Förderung der Gesundheit der Bevölkerung bei.

Aufgabengebiete in der Apothekenaufsicht

Neben dem Überwachungsauftrag der Apotheken und Krankenhausapotheken sind die Amtsapotheker in NRW berechtigt, Betriebserlaubnisse für öffentliche Haupt- und Filialapotheken und für Krankenhausapotheken zu erteilen. Umgekehrt vermögen sie eine erteilte Betriebserlaubnis auch zu widerrufen, wenn mindestens eine der Voraussetzungen für ihre Erlaubnis wegfällt. Als Konsequenz kann die Anordnung einer Schließung verfügt werden. Darüber hinaus genehmigen Amtsapotheker in NRW Versorgungsverträge hinsichtlich der Arzneimittelversorgung von Kranken­häusern und Alten-, Pflege- und Behindertenheimen. Sie erteilen die Erlaubnis zum Versandhandel und Großhandel von Apotheken.

Weitere hoheitliche Überwachungsaufgaben

Betäubungsmittelverkehr
Sämtliche Einrichtungen, die Betäubungsmittel verordnen, abgeben oder anwenden werden in NRW durch die pharmazeutischen Dienste der Gesundheitsämter überwacht. Welche Herausforderungen dabei zu bewältigen sind, zeigen die folgenden Beispiele. Wenn Ärzte, Zahnärzte, Stationen der Krankenhäuser, anerkannte Einrichtungen zur Vergabe von Substitutionsmitteln und solche des Rettungsdienstes Verkehr mit BtM betreiben, stehen die Einhaltung von Sicherungsmaßnahmen und Dokumentationsverpflichtungen im Fokus der Überwachung. Amtsapothekerinnen und Amtsapotheker müssen darauf achten, dass dabei die gesetz­lichen Rahmenbedingungen eingehalten werden. So sind auch in Hospizen und Heimen sichere BtM-Tresore, die den Zugriff Unbefugter verhindern, notwendig. Der Zugang zu den Sicherheitsschränken muss eindeutig festgelegt und dokumentiert sein. In Heimen besteht die Möglichkeit, Restbestände an BtM für andere Bewohner zu verwenden. Die Weitergabe von BtM darf jedoch nur erfolgen, wenn diese unter der Verantwortung des Arztes im Heim gelagert und dokumentiert werden. Diese Vorgänge bedürfen der Unterstützung von Amtsapothekern. Auch die Bestückung der Rettungsdienste mit BtM ist eindeutig geregelt. Seit 1992 haben die Rettungsdienste Verträge mit einem Arzt und einer Apotheke abzuschließen, die für die Verschreibung, Belieferung, Nachweisführung, aber auch für die Vernichtung nicht mehr benötigter BtM verantwortlich sind.

Neben der Überwachung von Einrichtungen, in denen BtM verschrieben, abgegeben oder gelagert werden, sind die Amtsapothekerinnen und Amtsapotheker auch dafür zuständig, ärztliche Bescheinigungen zu beglaubigen. Bürgerinnen und Bürger, die BtM einnehmen müssen, dürfen diese bei Reisen ins Ausland nur mitnehmen, wenn sie eine behördlich beglaubigte Bescheinigung des Arztes mit sich führen. Bei den Reisen sind die rechtlichen Vorgaben bezogen auf das Reiseziel zu prüfen. So ist die Mitnahme der BtM in ein Land, das dem Schengener Abkommen beigetreten ist für einen Zeitraum von vier Wochen zulässig. Die Mitnahme von Substitutionsmitteln ist beispielsweise in einigen Staaten verboten oder auch zeitlich durch die Vorgaben der Botschaft beschränkt. Gerade zu Urlaubszeiten können hierdurch Überwachungskapazitäten in nicht geringem Umfang gebunden werden.

Die Zusammenarbeit mit der Polizei, Staatsanwaltschaften und der Zollfahndung nimmt stetig zu. Vor allem bei Produkten, bei denen anhand der Deklaration und der Präsentation nicht sofort erkennbar ist, ob sie ein Betäubungsmittel enthalten oder ob die Inhaltsstoffe in der vorliegenden Konzentration schon unter das Betäubungsmittelrecht fallen. In Einzelfällen werden die Produkte durch die Amtsapotheker zur chemischen und/oder physikalischen Analyse an die amtliche Arzneimitteluntersuchungsstelle in Münster weitergeleitet [2].

Gifte und Gefahrstoffe
In vielen Kreisen und kreisfreien Städten in NRW übernehmen Amtsapotheker und Amtsapothekerinnen die Überwachung des Gefahrstoffverkehrs. Zu den zu überwachenden Betrieben zählen Drogeriemärkte, Garten- und Baumärkte, Supermärkte, Bastelläden, Malergeschäfte, Samen-, Chemikalienhandlungen u. a. Oft fehlen auf Produkten die vorgeschriebenen Sicherheitshinweise „Unter Verschluss“ und „Für Kinder unzugänglich aufbewahren“. Nicht selten führt das Fehlen kindergesicherter Verschlüsse auf ätzenden Haushaltsreinigern und Frostschutzmitteln zu Beanstandungen. Ferner wird die ordnungsgemäße Lagerung und Aufbewahrung von Gefahrstoffen in den Verkaufsräumen kontrolliert, so müssen giftige und sehr giftige Stoffe/Zubereitungen stets unter Verschluss aufbewahrt werden und die Abgabe darf nicht im Rahmen der Selbstbedienung erfolgen [3].

Arzneimittelüberwachung außerhalb von Apotheken
Wenn Einzelhandelsgeschäfte wissentlich oder unwissentlich freiverkäufliche Arzneimittel in Verkehr bringen, werden diese Betriebe in regelmäßigen Abständen kontrolliert. Denn der Gesetzgeber sieht Arzneimittel als eine besondere Ware, die hohen Anforderungen genügen muss. Zum Schutz der Verbraucher überprüfen daher Amtsapotheker Einrichtungen und Betriebe, die Arzneimittel an Endverbraucher abgeben. Das können beispielsweise Lebensmittelgeschäfte, Kaufhäuser, Reformhäuser, Bioläden, Fitnessstudios oder auch Sexshops sein. Es hat sich gezeigt, dass immer häufiger illegal im Markt befindliche Arzneimittel im Einzelhandel abgegeben werden. Auch die Abgrenzung von Arzneimitteln zu anderen Produktgruppen, insbesondere Nahrungsergänzungsmitteln, ist nicht immer klar. Die Arzneimittel abgebenden Betriebe müssen zusätzlich die Anwesenheit von Personen nachweisen, die über eine spezielle Sachkenntnis verfügen, damit diese im Bedarfsfall Auskunft über das Arzneimittel geben können. Außerdem muss dem Personal der richtige Umgang mit Arzneimitteln vertraut sein. Es sind korrekte Lagerungsbedingungen einzuhalten, Verfalldaten zu kontrollieren und die Vorgaben des Heilmittelwerbe­gesetzes sind zu beachten. Die Inspektionen der Behördenmitglieder erfolgen unangemeldet, um sicherzustellen, dass der Betrieb in einem Zustand kontrolliert wird, wie er sich tagtäglich den Verbrauchern präsentiert. Für alle genannten Einrichtungen gelten die Amtsapotheker und Amtsapothekerinnen als Ansprechpartner vor Ort. Auch Bürgerinnen und Bürger können sich bei ihnen mit Fragen melden oder Informationen zu fraglichen Produkten wünschen, die z. B. bei sogenannten Kaffeefahrten angeboten werden [4].

Ausbildung, Prüfung, Sachkenntnis
Die Erlaubnis zum Führen der Berufsbezeichnungen Apotheker und PTA wird in NRW von Amtsapothekern erteilt. Sie haben den Prüfungsvorsitz sowohl im Dritten Prüfungsabschnitt der Studenten der Pharmazie als auch bei der Prüfung der Pharmazeutisch-technischen Assistenten.

Die Prüfungen und Bescheinigungen der Sachkenntnis nach § 75 AMG führen in NRW ebenfalls Amtsapotheker durch. Es erfolgt eine individuelle Einzelfallprüfung der jeweils ­abgelegten Prüfungen oder abgeschlossenen Ausbildungen, wenn Personen bei pharmazeutischen Unternehmern eine Tätigkeit als Pharmaberater ausüben möchten. Ein positiver Bescheid erkennt deren Ausbildungsinhalte als mindestens gleichwertig im Vergleich zu pharmazeutischen Ausbildungen an.

Sozialpharmazie
Die Sozialpharmazie befasst sich mit der Analyse und Bewertung des Arzneimittelkonsums der Bevölkerung. Der demografische Wandel spielt hierbei eine große Rolle. Damit einher gehen beispielsweise Probleme mit der Polypharmazie und der Versorgung von Heimbewohnern mit Arzneimitteln [5]. Seit 1998 ist Sozialpharmazie im Gesetz über den Öffentlichen Gesundheitsdienst (ÖGD) des Landes Nordrhein-Westfalen als Aufgabe der pharmazeutischen Dienste der Gesundheitsämter verankert. Damit hat das Bundesland einen bislang einzigartigen Weg in der Bundesrepublik beschritten. Die örtliche Arzneimittelüberwachung erfüllt hier nicht nur die gesetzlich geforderten Überwachungs­aufgaben, sondern übernimmt einen Teil der Gesundheitsberichterstattung. Außerdem wird die Bevölkerung im Sinne von Prävention und Gesundheitsförderung über Arznei­mittel und deren Risiken informiert und beraten [6].

Fazit

Es ist davon auszugehen, dass sich die Aufgabengebiete der Amtsapotheker und die der Pharmazieräte stetig weiterentwickeln werden. So stellt allein das EU-Recht immer wieder neue Herausforderungen: Wie sieht beispielsweise die Zukunft beim grenzüberschreitenden Arzneimittelversand aus, wie geht es weiter mit dem Preiswettbewerb innerhalb Europas, was passiert mit der Importklausel und wie geht EU-konforme Onlinewerbung? Zukunftsfragen, die gerechte und innovative Antworten verlangen, bei denen auch Amtsapotheker und Pharmazieräte Raum für Gestaltungsmöglichkeiten bieten können. |

 

Literatur

[1] Demelius S. Öffentliches Gesundheitswesen. Amtsapothekerinnen und Amtsapotheker. DtschApothZtg 2005;145(43):5736-5739

[2] Schack K, Stapel U. Überwachung des Betäubungsmittelverkehrs durch Amtsapothekerinnen und Amtsapotheker. Festschrift Örtliche Arzneimittelüberwachung in NRW, Eine Bestandsaufnahme nach 30 Jahren Amtsapothekerinnen und Amtsapotheker in NRW. 2011

[3] Stapel U. Gifte und Gefahrstoffe – Regulatorisches im Wandel der Zeit. Festschrift Örtliche Arzneimittelüberwachung in NRW, Eine Bestandsaufnahme nach 30 Jahren Amtsapothekerinnen und Amtsapotheker in NRW. 2011

[4] Grumblat J. Überwachung des Verkehrs mit Arzneimitteln außerhalb von Apotheken. Festschrift Örtliche Arzneimittelüberwachung in NRW, Eine Bestandsaufnahme nach 30 Jahren Amtsapothekerinnen und Amtsapotheker in NRW. 2011

[5] Mielke M. Nachgefragt. Blickpunkt öffentliche Gesundheit 1/2013

[6] Puteanus U. Sozialpharmazie im Öffentlichen Gesundheitsdienst in Nordrhein-Westfalen Festschrift Örtliche Arzneimittelüberwachung in NRW, Eine Bestandsaufnahme nach 30 Jahren Amtsapothekerinnen und Amtsapotheker in NRW. 2011

Autorin

Gabriele Manheller, Apothekerin, Studium an der Universität Bonn

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