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Arzneimittel und Therapie
Baloxavir auch wenn’s kompliziert wird?
Grippemittel weckt Hoffnungen bei besonders gefährdeten Patienten
Jährlich erkranken in Deutschland in den Wintermonaten zwischen fünf und 20 Prozent der Bevölkerung an einer Influenza. Die Behandlung erfolgt meist symptomatisch durch ausreichende Trinkmengen, Bettruhe und fiebersenkende Medikamente wie Ibuprofen oder Paracetamol. Liegen beim Patienten Risikofaktoren vor, die einen schweren Verlauf der Influenza begünstigen, können antivirale Medikamente eingesetzt werden.
Resistenzen erfordern neuen Ansatz
Bis vor einiger Zeit waren die Möglichkeiten der antiviralen Influenzatherapie limitiert auf zwei Wirkstoffklassen: Die Neuraminidasehemmer wie Oseltamivir sowie die M2-Protonenkanalhemmer wie Amantadin. Die starke Resistenzentwicklung gegen beide Wirkstoffklassen in den letzten Jahren macht den Bedarf an neuen Wirkstoffen mit anderen Wirkmechanismen deutlich. Aktuell befinden sich in klinischen Studien einige Wirkstoffe, die an unterschiedliche Proteinuntereinheiten des Influenzavirus angreifen. Baloxavirmarboxil, ein Prodrug des Baloxavir, hemmt die Endonukleaseaktivität der viralen RNA-Polymerase. Als Folge der Hemmung wird die Transkription der viralen vRNA in mRNA unterbunden, und die Virusreplikation kann nicht mehr stattfinden. 2018 wurde Baloxavir in den USA und in Japan für die ambulante Behandlung der akuten, unkomplizierten Influenza bei Menschen ab einem Alter von zwölf Jahren zugelassen.
Wirksam auch bei Risikopatienten?
In der aktuellen klinischen Phase-III-Studie CHAPSTONE-2 wurden Wirksamkeit und Verträglichkeit von Baloxavir bei ambulanten Grippepatienten mit hohem Komplikationsrisiko untersucht. Die Studie wurde doppeltverblindet und sowohl Placebo- als auch Oseltamivir-kontrolliert durchgeführt. Eingeschlossen wurden zwischen Januar 2017 und März 2018 insgesamt 2184 Patienten ab zwölf Jahren von 551 Orten in 17 Ländern mit klinisch diagnostizierter Influenza, einer Symptomdauer von weniger als 48 Stunden und mindestens einem Risikofaktor für einen komplizierten Krankheitsverlauf. Als Risikofaktoren zählten unter anderem Asthma und COPD, Diabetes, Herzkrankheiten und ein Alter über 65 Jahre. Analysiert wurden die Wirksamkeit bei den Patienten, die mindestens eine Dosis eines Studienmedikamentes erhielten und bei denen der PCR(Polymerase-Chain-Reaction)-Test auf Influenzaviren positiv war (1163 Patienten), sowie die Sicherheit bei allen Patienten, die mindestens eine Dosis der Studienmedikation erhalten hatten. In einem 1:1:1 Verhältnis wurden die Patienten den drei Behandlungsgruppen zugeordnet.
Auch zur Postexpositionsprophylaxe
Erkrankt ein Familienmitglied an der Influenza, dauert es oft nicht lange, bis auch die anderen von Fieber, Kopfschmerzen und Krankheitsgefühl geplagt sind. Japanische Forscher haben zeigen können, dass Baloxavir auch als Postexpositionsprophylaxe gute Wirksamkeit aufweist: So erkrankten in der Studie, bei der 374 Probanden randomisiert einmalig Baloxavir (Placebo-Gruppe: 375) erhielten, nachdem sie mit einem an Influenza erkrankten Familienmitglied Kontakt hatten, nur 1,9% ebenfalls, in der Vergleichsgruppe waren es 13,6% (p < 0,001).
Ikematsu H et al. Baloxavir Marboxil for Prophylaxis against Influenza in Household Contacts. NEJM 2020. doi: 10.1056/NEJMoa1915341
Baloxavir vs. Oseltamivir vs. Placebo
Die erste Gruppe (730 Patienten) erhielt eine körpergewichtsabhängige Einzeldosis Baloxavir (40 mg für Patienten unter 80 kg, 80 mg für Patienten über 80 kg Körpergewicht), die zweite Gruppe (725 Patienten) erhielt zweimal täglich 75 mg Oseltamivir über fünf Tage, die dritte Gruppe (729 Patienten) erhielt Placebo. Um die Verblindung auch mit der unterschiedlichen Tablettenanzahl zu ermöglichen, bekam die Baloxavir-Gruppe nach der Einzeldosis weitere Placebotabletten. Als primärer Endpunkt wurde die Zeit von Beginn der Behandlung bis zur Besserung der Grippesymptome – ermittelt durch Patienteneinschätzung – betrachtet. In der Baloxavir-Gruppe war die Zeit mit 73,2 Stunden bis zur Besserung signifikant kürzer als in der Placebo-Gruppe (102,3 Stunden). Zur Oseltamivir-Gruppe gab es keinen signifikanten Unterschied (81,0 Stunden). Unerwünschte Arzneimittelwirkungen wurden bei 25% der Patienten, die Baloxavir bekamen, berichtet, bei 30% der Patienten aus der Placebo-Gruppe und bei 28% der mit Oseltamivir behandelten Patienten. Schwere unerwünschte Wirkungen traten unter Baloxavir fünf Mal, unter Placebo neun Mal und unter Oseltamivir acht Mal auf.
Früher Einsatz zahlt sich aus
Die Ergebnisse zeigen, dass die einmalige Gabe von Baloxavir zur Influenzatherapie bei Hochrisikopatienten der Gabe von Placebo überlegen und mit der Wirksamkeit von Oseltamivir vergleichbar ist. Auch die Verträglichkeit ist mit der von Placebo vergleichbar. Die Ergebnisse unterstreichen außerdem die allgemeine Sinnhaftigkeit einer frühen antiviralen Influenzatherapie bei Risikopatienten, da die Symptomatik verbessert und das Komplikationsrisiko vermindert werden kann. Da frühere Studien zeigen, dass eine Kombinationstherapie der Entwicklung von Resistenzen entgegenwirken kann, wird Baloxavir im Rahmen einer aktuell noch laufenden klinischen Studie in Kombination mit Neuraminidasehemmern getestet. Weitere Studien zu Baloxavir in Kombination mit anderen Grippemitteln wären wünschenswert. |
Literatur
Ison M G et al. Early treatment with baloxavir marboxil in high-risk adolescent and adult outpatients with uncomplicated influenza (CAPSTONE-2): a randomized, placebo-controlled, phase 3 trial. Lancet Infect Dis; preprint online Jun 8, 2020.
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