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Zwei Pharmazieingenieurinnen erinnern sich

Von der Ingenieurschule in die Kreisapotheke

Als Ergänzung zum Beitrag „Apothekenberufe in der DDR“ auf Seite 74 in dieser DAZ sind hier persönliche Erinnerungen rund um die Ausbildung und die Arbeitsbedingungen in der DDR zusammengefasst:

Annerose Berndt hat ihr Pharmazie­ingenieur(PI)-Studium 1971 begonnen und war bis zur Rente in Chemnitz tätig. Birgit Engelmann kam 1977 an die Ingenieurschule in Leipzig und arbeitet in einer Leipziger Apotheke. Beide sind langjährig aktive ADEXA-Mitglieder. Birgit Engelmann hat die Leitung der ADEXA-Berufsgruppe Pharmazieingenieure/Apotheker­assistentinnen inne.

Zur Ausbildung

Annerose Berndt: „Meine Eltern hatten eine Drogerie, daher war es für mich schwierig und ich habe mich gar nicht erst für ein Pharmaziestudium beworben.“ Auch Birgit Engelmann erinnert sich, dass eine Bekannte trotz guter Noten eine Absage aus Leipzig bekam, weil sie weder in der Freien Deutschen Jugend (FDJ) noch an der Jugendweihe teilgenommen hatte und ihr Vater selbstständig war. Der Kreisapotheker riet Berndt dann zu einer Ausbildung zur Apothekenfacharbeiterin, um anschließend in Leipzig das neue PI-Studium aufnehmen zu können. „Mit dem Schulabschluss war ich bereits Chemielaborantin und dadurch konnte ich die Facharbeiterausbildung um ein Jahr abkürzen. Der Chef meiner Lehrapotheke hat für mich die Bewerbung nach Leipzig geschrieben. Um angenommen zu werden, musste man auch ‚gesellschaftliche Betätigung‘ vorweisen, in meinem Fall waren das Aktivitäten im Ruderclub.“

Foto: Adexa

Glasfenster der ehemaligen Ingenieurschule in Leipzig.

Die Studienjahrgänge wurden nach Bezirken in Seminargruppen von 20 bis 30 Studenten aufgeteilt, in Engelmanns Gruppe waren beispielsweise die Bezirke Magdeburg und Cottbus zusammenfasst. Jede Seminargruppe hatte einen Berater. Und auch während der abschließenden Praxisphase in der Apotheke gab es dort einen Mentor als Ansprechpartner.

Berndt erhielt ein Stipendium über 160 Mark, von dem sie das Internat der Pharmazieschule bezahlen musste: „Wir waren zu sechst im Zimmer und hatten Vollverpflegung, Unterbringung und Essen waren sehr günstig.“ Da der ein­zige Tisch im Zimmer zum Lernen für alle zu klein war, konnte man auf die Seminarräume ausweichen. „Es gab auch ausländische Studenten“, erzählt Berndt, „in meinem Jahrgang einen Studenten aus Kenia und mehrere Vietnamesen.“ Ab 1972 wurde für je zwei Zimmer ein Kühlschrank auf den Flur gestellt und es gab ein Telefon für alle. In einer Gemeinschaftsküche konnten sich die Studierenden auch selbst verpflegen.

Beide Pharmazieingenieurinnen erinnern sich noch gut an die Pinguin-Milchbar in Leipzig, die von Pharmazeuten häufig frequentiert wurde. Berndt: „Nachdem wir uns im Reisebüro die Fahrkarte für die Heimfahrt am Wochenende gekauft hatten, bestellten wir uns dort jede Woche einen Eisbecher.“

Zur Leipziger Herbstmesse wurde die Pharmazieschule als Messequartier genutzt, erzählt Engelmann. Die Studierenden mussten dann ihre Zimmer räumen und wurden für zwei Wochen zum Ernteeinsatz geschickt.

Berndts Tochter hat 1989 noch in Chemnitz mit der neuen Ausbildung zur Pharmazeutischen Assistentin angefangen. „Sachsen hat dann aber nach der Wiedervereinigung gleich die PTA-Ausbildungsordnung von Baden-Württemberg übernommen.“ Damit war dieser innovative Ausbildungsgang nach kürzester Zeit schon wieder Geschichte.

Zu den Arbeitsbedingungen

Für Apotheken war die Mitarbeiterzahl vorgeschrieben und es bestand die Vorgabe von 8,5 Vollbeschäftigteneinheiten (VBE) pro zehn Beschäftigten. Teilzeitstellen waren also rar. Die Vollzeit betrug anfangs 48 Stunden, wurde aber später reduziert auf zuletzt noch 43,75 Stunden. Müttern wurden allerdings einige Stunden erlassen. Arzneimittel wurden alle zwei Wochen geliefert. Wegen der großen Gebinde war die Arbeit körperlich schwerer als heute, erinnert sich Engelmann.

Und das Warenlager war viel größer, ergänzt Berndt. Gerade zum Herbst mussten kartonweise Vorräte für die Grippesaison eingelagert werden. Aber es kam nicht alles, was man brauchte. Auch Verbandsstoff oder Zellstoff sowie Sterilmaterial seien oft rar gewesen. Diese Mangelwirtschaft war einer der Gründe, warum Apo­theken sehr eng mit den Ärzten zusammenarbeiteten. Einmal pro Monat wurden Infos zu nicht lieferbaren Mitteln ausgetauscht.

Trotzdem: Die Kunden kamen gern in die Apotheken, auch um ihre Sorgen loszuwerden, erinnert sich die Chemnitzerin. Auch die Atmosphäre im Team ihrer Kreisapotheke sei gut gewesen, es gab Betriebsausflüge und Feiern, aber auch sozialistische Wettbewerbe – und ein Brigadetagebuch wurde geführt. |

Sigrid Joachimsthaler

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