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Interpharm online 2020
Welche Sonderregeln sollten bleiben?
Apothekenrecht in der Pandemie
Für Hofferberth ist an der Ende April erlassenen SARS-CoV-2-Arzneimittelversorgung vor allem eines bemerkenswert: Hier wurden die Sicherstellung der Arzneimittelversorgung und der Schutz des Patienten vor infektiösen Kontakten vor alle wirtschaftlichen Erwägungen gestellt. „Das würde ich mir häufiger wünschen“, so die Juristin. Nicht mehr das wirtschaftlichste Arzneimittel stehe nun im Vordergrund, sondern die Frage: Was ist vorrätig? Noch bis Ende März 2021 – sofern nicht zuvor das Ende der epidemischen Lagwe von nationaler Reichweite festgestellt wurde – darf von der Abgabereihenfolge des Rahmenvertrags abgewichen werden, wenn das verordnete Arzneimittel nicht vorrätig bzw. lieferbar ist. Die Möglichkeiten reichen bis hin zum Aut-simile, wenn nicht einmal ein wirkstoffgleiches Arzneimittel verfügbar ist – dies selbstverständlich nach telefonischer Rücksprache mit dem Arzt. Zudem ist es möglich, abweichende Packungsgrößen, Packungszahlen und Wirkstärken abzugeben, sofern die verordnete Gesamtmenge des Wirkstoffs nicht überschritten wird. Auch Teilmengen können einer Packung entnommen werden, es gibt sowohl für die erste als auch für die weitere Abgabe Abrechnungsregeln. Besonders wichtig war den Apotheken aber, dass eine Vergütung für den Botendienst eingeführt wurde. „Botendienste haben die Apotheken schon immer gemacht – aber jetzt wurden sie zur Regel“, erklärte Hofferberth. Letztere Regelung sollte eigentlich Ende September auslaufen, wurde nun aber bis Ende des Jahres verlängert. Allerdings mit einer von fünf Euro auf 2,50 Euro halbierten Vergütung. „Das finde ich sehr bedauerlich“, so Hofferberth, „doch es ist besser als nichts“.
All diese Regelungen, das stellte die LAV-Geschäftsführerin klar, würden die Apotheker sehr gerne auch in der Nach-Corona-Zeit beibehalten. Schließlich sei ihnen wichtig, ihre Patienten gut versorgen zu können, ohne dass diese mehrmals in die Apotheke kommen müssen. Was den Botendienst betrifft, gibt es bereits die Zusage, dass die Vergütung gesetzlich verankert werden soll – wenn auch nur bei 2,50 Euro zuzüglich Umsatzsteuer. Hinsichtlich der erleichterten Abgaberegelungen wünscht sich Hofferberth, dass diese zumindest bei Lieferengpässen bestehen bleiben. Etwas Hoffnung macht ihr, dass Gesundheitsminister Jens Spahn erklärt hat, nach der Pandemie „alles auf den Prüfstand zu stellen“.
Entbehrlich: BtM-Sonderregelungen
Doch es gibt auch Regelungen in der SARS-CoV-2-Arzneimittelversorgung, die Hofferberth für entbehrlich hält. Da ist etwa die Möglichkeit, Betäubungsmittel an andere (Krankenhaus-) Apotheken abzugeben. Dass man sich hier aushelfen darf, sei für den Pandemiefall sehr sinnvoll – für die Regelversorgung spiele es aber eine nur untergeordnete Rolle. Darüber hinaus gibt es Ausnahmen von der Betäubungsmittelverschreibungsverordnung, die Substitutionspatienten betreffen. So sind zum Beispiel Take-Home-Verordnungen (Z-Rezepte) für bis zu sieben Tage möglich, und die Substitutionsverschreibungen dürfen erleichtert, zum Beispiel per Post oder Boten, zugestellt werden. Zudem ist ein Sichtbezug außerhalb der Apothekenräume möglich – der Bote darf die Einnahme überwachen. Nicht zuletzt sind Notfallverschreibungen nun auch in der Substitutionstherapie möglich. Auch hier gilt laut Hofferberth: Diese Regelungen, die bis Ende März gelten sollen, sind nach der Pandemie entbehrlich.
Hilfsmittel-Regelungen:Im Einzelfall beibehalten
Erleichterungen gab es auch in der Hilfsmittelversorgung. Der GKV-Spitzenverband hat Empfehlungen abgegeben, wie persönliche Kontakte vermieden werden können. Diese gelten allerdings nur bis Ende September 2020. Hofferberth wünscht sich daher, dass sich hier etwas tut, „denn die Pandemie ist ja bei Weitem noch nicht zu Ende“. Worum geht es genau? Statt zahlreicher Bestätigungen des Patienten, dass er das Hilfsmittel erhalten hat, konnte nun der Bote bestätigen, dass er dieses vorbeigebracht und hierzu beraten hat. Zudem konnten Beratungen und Hinweise zur Einweisung in den Gebrauch der Hilfsmittel telefonisch oder per Mail erfolgen. Diese Regelungen würde Hofferberth gerne über die Pandemie hinaus für Einzelfälle erhalten. Es gebe immer wieder Situationen, etwa bei bettlägerigen Patienten, in denen sie sehr hilfreich wären. Weiterhin verzichteten die Kassen auf Fortbildungsnachweise, wenn diese Fortbildungen Pandemie-bedingt nicht stattfinden konnten – dies beizubehalten, ist für Hofferberth allerdings weder realistisch noch wünschenswert. Überdies empfahl der GKV-Spitzenverband mehr Nachsicht bei den Liefer- und Abgabefristen: Wenn sie nicht eingehalten werden können, soll von Sanktionen abgesehen werden. Eine entsprechende Empfehlung gab es bei Fristen bei der Präqualifizierung. Auch hier steht auf Hofferberths Wunschliste, dass diese Empfehlungen im Einzelfall fortbestehen sollten.
Ganz klar behalten möchte die LAV-Geschäftsführerin aber die Corona-bedingten Änderungen bei Pflegehilfsmitteln – insbesondere die von 40 Euro auf 60 Euro erhöhte Monatspauschale für zum Verbrauch bestimmte Pflegehilfsmittel. Die 40 Euro seien ohnehin schon viel zu niedrig gewesen.
Entlassrezepte: Nice to have, but …
Besondere Pandemieregeln wurden auch beim Entlassrezept geschaffen. Diese Verordnungen aus dem Krankenhaus sind nun sechs statt drei Werktage gültig. Zudem dürfen auch größere Packungen als N1 sowie Rezepturen, Verbandmittel, Medizinprodukte etc. bis zu einem Bedarf von 14 statt sieben Tagen verordnet werden. Auch diese Ausnahmebestimmungen sollen bis längstens 31. März 2021 gelten. Entsprechendes gilt in der Hilfsmittelversorgung mit Blick auf Belieferungszeitraum und Versorgungsmenge (jeweils 14 statt sieben Tage). Bei Hofferberth erhalten diese Regelungen das Prädikat „nice to have“ – aber die Juristin ist sich im Klaren: Das Entlassmanagement ist eine Überbrückung und würde ad absurdum geführt, würde man sie ohne Not nach hinten verlängern.
Was das Antragsverfahren für die Präqualifizierung betrifft, gibt es ebenfalls mehr Nachsicht: Die Deutsche Akkreditierungsstelle hat die Präqualifizierungsstellen angewiesen, die Fristen für das Überwachungsaudit, Erst- und Änderungsanträge sowie für Folgepräqualifizierungen um bis zu sechs Monate zu verlängern. Das war aus Hofferberths Sicht eine gute Entscheidung, gerade in der Anfangszeit der Pandemie habe „in der Apotheke keiner die Zeit oder Nerven gehabt, eine Werkbank zu fotografieren“. Hier wünscht sich die LAV-Geschäftsführerin aber auch über die Pandemie hinaus mehr Großzügigkeit.
Ein viel beachtetes Thema in der Corona-Krise war die Herstellung von Desinfektionsmitteln. Früher war diese Herstellung gang und gäbe – doch dann wanderte sie in die Industrie und verschwand aus den Apotheken. Als in der Pandemie die industrielle Produktion in die Knie ging, waren Apotheker wieder gefragt. Die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin erließ Allgemeinverfügungen, die es Apotheken ermöglichte, befristet Hände- und Flächendesinfektionsmittel herzustellen; der Zoll gewährt noch bis Ende des Jahres Steuerfreiheit beim hierzu verwendeten Alkohol – unabhängig von der Menge. Die Allgemeinverfügung für die Herstellung von Händedesinfektionsmitteln wurde mittlerweile bis Anfang April nächsten Jahres verlängert. Was die Flächendesinfektion betrifft, läuft die Ausnahmegenehmigung jedoch Ende September aus – ob sie noch verlängert wird, vermochte Hofferberth nicht zu sagen. Auch diese Regelungen stehen auf ihrer Wunschliste: „Ich fände es toll, wenn die Apotheken in der Herstellung von Desinfektionsmitteln weiterhin eine Rolle spielen und nicht nur im Notfall gerufen würden“.
Zum Abschluss nannte Hofferberth noch einige grundsätzlichere Wünsche und Forderungen an die Politik. Dazu zählt insbesondere die Anerkennung der Apotheken – nicht nur für ihre Leistungen vor Ort, sondern auch als kritische Infrastruktur. Letzteres hätte zur Folge, dass sie kostenfrei mit Schutzausrüstung versorgt würden, wie es etwa auch in Arztpraxen und Pflegeheimen geschieht. Zudem könnten dann Kinder von Apothekenmitarbeiterinnen und -mitarbeitern bei der Notbetreuung berücksichtigt werden. Und: Es gäbe vorrangige Testkapazitäten für Apothekenpersonal. Überdies erhofft sich die LAV-Geschäftsführerin, dass auch die Gesellschaft in der Pandemie erkannt habe, wie wichtig und wertvoll die Rund-um-die-Uhr-Versorgung durch Apotheken sei. Daher müsse der Gesetzgeber alle Maßnahmen ergreifen, die nötig sind, um diese Strukturen zu erhalten und zu stärken. Dabei helfe eine Preisbindung bei Arzneimitteln – schließlich habe man etwa bei Masken gesehen, wie die Preise in die Höhe schnellten, als die Nachfrage in der Pandemie stieg. So etwas bei Arzneimitteln zu verhindern, sei gelebter Verbraucherschutz.
Nicht zuletzt wünscht sich die Juristin für die Apotheken wie für den sonstigen Einzelhandel, dass etwas gegen die verstärkte Abwanderung in den Versandhandel unternommen wird, um die Strukturen vor Ort zu erhalten. |
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