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Arzneimittel und Therapie
Vitamin D für kleine Asthmatiker ohne Benefit
Auch bei Ausgleich eines Mangels konnten schwere Exazerbationen nicht reduziert werden
Etwa 80 bis 90 Prozent Vitamin D produziert der Mensch in der Haut über die UV-B-Strahlung, der Rest wird über die Nahrung, zum Beispiel fettreichen Fisch, Speisepilze und bestimmte Innereien, aufgenommen. Dabei muss beachtet werden, dass die für die körpereigene Vitamin-D-Produktion notwendige Wellenlänge der Sonneneinstrahlung (290 nm bis 315 nm) in Deutschland nur in den Monaten von März bis Oktober erreicht wird. Erniedrigte Vitamin-D-Level in unseren Breitengraden stellen keine Seltenheit dar. So weisen laut dem Robert Koch-Institut 33,1% der Kinder und Jugendlichen und 40,8% der Erwachsenen in Deutschland einen 25-Hydroxyvitamin-D-Serumspiegel zwischen 12 und 20 ng/l auf, 12,5% bzw. 15,2% sogar einen noch niedrigeren Wert [1]. Das therapeutische Potenzial von Vitamin D3 ist dabei trotz weitreichender Erforschung immer noch unklar. Viele Beobachtungsstudien legten in der Vergangenheit einen Zusammenhang zwischen erniedrigten Serumspiegel des Vitamins mit verschiedenen Krankheitsbildern nahe. Randomisierte kontrollierte Interventionsstudien konnten dies jedoch meist nicht bestätigen [2]. Erniedrigte Vitamin-D-Werte werden beispielsweise bei Asthmapatienten mit schwereren Exazerbationen, einer geringen Lungenfunktion und einer schlechteren Ansprache auf Glucocorticoide assoziiert [3, 4]. Als Ursache vermutet wird, dass antiinflammatorische und immunmodulatorische Effekte des Vitamins durch die niedrigen Werte nicht zum Tragen kommen können [5, 6]. Trotzdem ist die Evidenz für eine Substitution umstritten.
4000 IE Vitamin D pro Tag
Die im August 2020 veröffentlichte randomisierte, placebokontrollierte und doppelblinde VDKA-Studie (Vit-D-Kids Asthma) untersuchte den Nutzen von Vitamin D3 (Colecalciferol) bei 192 Schulkindern (6 bis 16 Jahre) mit persistierendem Asthma bronchiale und gleichzeitigem Vitamin-D-Mangel: Der Serumspiegel von 25-Hydroxyvitamin-D lag bei allen Kindern zwischen 14 ng/ml und 30 ng/ml [7]. Zu Beginn erhielten alle Teilnehmer inhalatives Fluticasonpropionat als Dauermedikation (zweimal täglich 88 µg für Patienten unter zwölf Jahren bzw. zweimal täglich 110 µg für Patienten über zwölf Jahre). Als Reliever konnte bei Bedarf Salbutamol genutzt werden. Nach einer vierwöchigen Eingewöhnungszeit mit diesen neuen Medikamenten wurden die Teilnehmer randomisiert der Placebo- oder Interventionsgruppe zugeteilt. Im Rahmen der Intervention bekamen die Patienten für den Studienzeitraum von 48 Wochen täglich 4000 IE Vitamin D3 in Kapseln verabreicht. Kontrollen des Serum-Vitaminspiegels erfolgten im 16-Wochen-Abstand. Nach 24 Wochen wurde die Fluticason-Dosis bei ausreichender Asthma-Kontrolle um die Hälfte reduziert.
Annähernd gleich viele Exazerbationen
Als primärer Endpunkt wurde die Zeit bis zu einer schweren Exazerbation bestimmt. Eine solche lag vor, wenn Patienten asthmabedingt mehr als drei Tage systemische Glucocorticoide einnehmen oder gar hospitalisiert werden mussten. Jedoch zeichnete sich nach der zweiten Zwischenauswertung keine ausreichende Wirksamkeit von Colecalciferol ab, und die Studie wurde gestoppt. Bereits aufgenommene Teilnehmer beendeten die Studie ordnungsgemäß, neue Patienten wurden aber nicht mehr rekrutiert. 37,5% der Teilnehmer der Vitamin-D-Gruppe und 34,4% der Placebogruppe erlitten mindestens eine schwere Exazerbation im Studienzeitraum. Vitamin D3 beeinflusste die Zeit bis zu einem solchen Schub nicht (Vitamin D3: 240 Tage; Placebo: 253 Tage). Die Intervention hatte zudem keinen Einfluss auf den Anteil der Teilnehmer, bei denen die Glucocorticoid-Medikation bei ausreichender Kontrolle des Asthmas reduziert werden konnte. Auch die kumulative verabreichte Menge an Fluticason unterschied sich nicht signifikant zwischen beiden Gruppen (59,6 mg in der Vitamin-D-Gruppe versus 55,2 mg in der Placebogruppe).
Aufgrund der potenziellen immunmodulierenden Eigenschaften von Vitamin D3 wurden Teilnehmer mit Exazerbationen mittels Polymerase-Kettenreaktions(PCR)-Test von Nasenabstrichen auf verschiedene Atemwegsviren getestet, um den Anteil an Virus-induzierten Schüben berechnen zu können. Jedoch auch in diesem Endpunkt unterschieden sich Placebo und Vitamin D3 nicht.
Enttäuschend auch bei Depressionen
In der VITAL-Studie wurde der Schutzeffekt von oral eingenommenen Vitamin D3 und Omega-3-Fettsäuren auf Tumor- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen untersucht. Dabei sollte in einem Studienarm mit 18.353 Teilnehmern im Alter von über 50 Jahren analysiert werden, inwiefern eine langfristige tägliche Einnahme von Vitamin D3 Depressionen verhindern kann. 9181 Probanden erhielten dafür randomisiert über etwa fünf Jahre einmal täglich 2000 IE Colecalciferol und 1 g Fischöl-Kapseln, der Rest bekam Placebo. Der Großteil der Teilnehmer wies keine psychiatrischen Erkrankungen in der Vorgeschichte auf. Dafür waren die Teilnehmer zu Beginn der Studie nach psychischen Vorerkrankungen befragt worden und hatten einen Fragebogen (PHQ-8) ausgefüllt, der depressive Symptome abfragte. Im Verlauf der Studie wurde diese Befragung jährlich wiederholt und anschließend von Forschern des Massachusetts General Hospitals in Boston ausgewertet.
Es wurden zwei primäre Endpunkte festgelegt: die Diagnose einer Depression oder eine klinisch relevante Verschlechterung im PHQ-8. 609 Personen in der Vitamin-D3-Gruppe wiesen am Ende der Studie eine Depressionsdiagnose auf, in der Placebo-Gruppe waren es 625 Personen (Hazard Ratio = 0,97, 95%-Konfidenzintervall: 0,87 bis 1,09). Auch die Veränderung in dem PHQ-8-Fragebogen erbrachte keine signifikanten Unterschiede. Bei 0 bis 24 möglichen Punkten betrug die Differenz beider Gruppen 0,01 Punkte.
Okerle OL et al. Effect of Long-term Vitamin D3 Supplementation vs Placebo on Risk of Depression or Clinically Relevant Depressive Symptoms and on Change in Mood Scores. JAMA 2020;324(5):471-480
Substitution erhöht Serumspiegel in Verumgruppe
Die ausbleibende Wirkung kann allerdings nicht auf zu geringe Serumspiegel des Vitamins zurückgeführt werden. Die Blutwerte der Vitamin-D-Gruppe waren konsistent höher als die der Placebogruppe. Mehr als 87 Prozent der Teilnehmer des Interventionskollektivs erreichte Serumspiegel von über 30 ng/ml und damit eine suffiziente Versorgung, während dies nur bei weniger als 40 Prozent der Placebogruppe der Fall war. Die vorliegende Studie reiht sich in weitere pädiatrische Untersuchungen mit ähnlich negativem Ausgang ein [8, 9]. Eine Supplementierung von Vitamin D3 erscheint zumindest bei Kindern mit Asthma daher wenig sinnvoll. |
Literatur
[1] Antworten des Robert Koch-Instituts auf häufig gestellte Fragen zu Vitamin D, Informationen des Robert Koch-Instituts, www.rki.de/SharedDocs/FAQ/Vitamin_D/Vitamin_D_FAQ-Liste.html#:~:text=Serumwerte%20von%20unter%2030%20nmol,möglichen%20Folgen%20für%20die%20Knochengesundheit, Abruf am 25. September 2020
[2] Autier P et al. Vitamin D3 status and ill health: a systematic review. Lancet Diabetes Endocrinol2014;2:76-89
[3] Searing DA et al. Decreased serum vitamin D3 levels in children with asthma are associated with increased corticosteroid use. J Allergy Clin Immunol 2010;125:995-1000
[4] Brehm JM et al. Vitamin D3 Insufficiency and Severe Asthma Exacerbations in Puerto Rican Children. Am J Respir Crit Care Med 2012;186:140-146
[5] Heine G et al. 1,25-dihydroxyvitamin D3(3) promotes IL-10 production in human B cells. Eur J Immunol2008;38:2210-2218
[6] Jeffery LE et al. 1,25-Dihydroxyvitamin D3 and IL-2 combine to inhibit T cell production of inflammatory cytokines and promote development of regulatory T cells expressing CTLA-4 and FoxP3. J Immunol2009;183:5458-5467
[7] Forno E et al. Effect of Vitamin D3 Supplementation on Severe Asthma Exacerbations in Children With Asthma and Low Vitamin D3 Levels: The VDKA Randomized Clinical Trial. JAMA2020;324:752-760
[8] Stefanidis C et al. Vitamin D3 for secondary prevention of acute wheeze attacks in preschool and school-age children. Thorax2019;74:977-985
[9] Brustad N et al. High-Dose Vitamin D3Supplementation During Pregnancy and Asthma in Offspring at the Age of 6 Years. JAMA2019;321:1003-1005
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