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Aus den Ländern
Arbeitsalltag während der Corona-Krise
Berichte aus Frankreich und den Niederlanden beim virtuellen Europäischen Pharmazeutinnentreffen
Frankreich war schon bei der ersten Welle stark von der Pandemie betroffen und verzeichnet auch jetzt wieder besorgniserregende Rekorde bei den Infektionszahlen. 55 Tage war das Land im Lockdown. Die Krankenhausapothekerin aus Niort und FIP-Vizepräsidentin Jacqueline Surugue gab einen Einblick in die Herausforderungen, mit denen die französischen Krankenhausapotheker bisher zurechtkommen mussten.
Frankreich: was vor allem fehlte
Als größtes Problem bezeichnete sie die Arzneimittelverknappungen. Es fehlte an vielem, allem voran an den Anästhetika Propofol und Midazolam, ebenso wie an den Muskelrelaxanzien Atracurium, Cisacurium und Rocuronium und Opioiden. Abhilfe schaffte ein Notfallplan der Regierung. Die Apotheken mussten der Arzneimittelbehörde ANSM jeden Tag angeben, welche Bestände an Propofol und Midazolam sie haben und sie einmal pro Woche über die Bestände an den genannten Muskelrelaxanzien informieren. Diese wurden dann über die regionalen Gesundheitsagenturen (ARS) bedarfsgerecht verteilt. Das Problem war, dass viele Arzneimittel aus Russland, China und Japan importiert werden mussten. Die Beipackzettel waren nicht auf Französisch verfügbar und mussten erst übersetzt werden.
Neue Chancen für Telemedizin
Auch hydroalkoholische Desinfektionsgele fehlten, nicht wegen des Mangels an Alkohol, hier half die Genussmittelindustrie aus, sondern wegen der Knappheit an Plastikbehältnissen. Die Verteilung von Schutzmasken aus dem staatlichen Vorrat erfolgte über die öffentlichen Apotheken und Krankenhausapotheken. Als weitere Herausforderung führte Surugue die Anforderungen durch die Discovery-Studie an, an der auch französische Krankenhäuser teilnehmen. Sie sieht die Krise aber auch als Chance für die Apotheker, in Zukunft mehr auf E-Health und E-Technologien zu setzen und Optionen wie das Teleworking, virtuelle Treffen sowie die Telemedizin und Fernberatungen stärker in den Arbeitsalltag zu integrieren.
Niederlande: Der Hotspot in Heerde
Von ihren erschütternden Erfahrungen in dem niederländischen Ort Heerde berichtete die Offizinapothekerin Linda de Graaf. Sie arbeitet in einem Zentrum, in dem neben der Apotheke fünf Allgemeinmediziner ihre Praxis haben. Die Apotheke versorgt die 12.000 Einwohner der Gemeinde in der niederländischen Provinz Gelderland. Der Ort gehörte in der ersten Welle zu den fünf am stärksten betroffenen im Land. Unter anderem hatten dort ein Chorfestival, eine Versammlung an einem Flughafen und diverse Geburtstagsfeiern stattgefunden, bevor es richtig losging. Mitte März begann die Apotheke, sich auf die Infektionslage einzustellen, und zwar mit den üblichen internen Maßnahmen, sprich Desinfektion, Plexiglasschirmen zwischen den Arbeitsplätzen am HV-Tisch, Separierung der Aufgabenbereiche. Das war keine leichte Aufgabe bei einem großen Mitarbeiterbestand mit unter anderem 15 pharmazeutisch-technischen Assistenten, und Kanalisierung der Kundenbewegungen in der Offizin.
Hamstern von Arzneimitteln im März
Der Katalog an knappen Arzneimitteln und Medizinprodukten ähnelte dem in Frankreich. Als Beispiele nannte de Graaf Morphin, Midazolam, Paracetamol, Desinfektionsmittel, Masken und Flügelkanülen. Wie in vielen anderen Ländern in Europa wurden im März wegen der Befürchtung von Arzneimittelverknappungen deutlich mehr Rezepte beliefert als normalerweise. Etwa im Juli pendelte sich das Niveau nach einer sukzessiven Steigerung auf den Umfang im Januar des Jahres ein.
Botendienste in großem Umfang
Ende März gab es dann in Heerde immer mehr Infektionen, was in der Apotheke weitere Restriktionen notwendig machte. Um das Ansteckungsrisiko zu minimieren, wurden die Abgabe-Counter auf zwei reduziert und das Personal wurde in zwei Schichten eingeteilt. Die Kundenzahl in der Apotheke wurde konsequent reduziert und Papierrezepte wurden nur noch in Ausnahmefällen entgegengenommen. Ansonsten liefen die Verordnungen elektronisch. Im April wurden fünfzig Prozent der Arzneimittel den Patienten nach Hause geliefert, bei den über 70-Jährigen die komplette Medikation. Physiotherapeuten halfen bei der Auslieferung.
Für die zweite Welle besser gerüstet
Ende April war der Peak überwunden. Die traurige Bilanz bis dahin: In dem Altenheim Brinkhoven waren 24 von 67 Bewohnern verstorben und vierzig weitere in anderen Alteneinrichtungen sowie sechzig bis achtzig Einwohner von Heerde. Zunächst gab es keine neuen Infektionen. Nach diesen Grenzerfahrungen im Frühjahr gehen die Infektionszahlen allerdings in den letzten zwei Wochen erneut hoch und die Anspannung in der Apotheke nimmt laut de Graaf wieder zu. Die Apotheker hofften allerdings, dass sie nun mit der zweiten Welle schon besser umgehen können. |
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