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TK-Chef Baas will gesellschaftlichen Diskurs über Arzneimittelpreise
TK legt Innovationsreport 2020 vor – Grüne Ampel für acht von 31 neuen Arzneimitteln
Seit bald zehn Jahren wirkt das Arzneimittelmarkt-Neuordnungsgesetz (AMNOG) – das Gesetz, das erstmals die bis dahin gänzlich freie Preisbildung patentgeschützter Arzneimittel angriff. Es war die Geburtsstunde der frühen Nutzenbewertung und der Erstattungspreisverhandlungen. Das AMNOG und die wirtschaftlich gute Lage, die sich auch bei den Krankenkassen bemerkbar machte, führten dazu, dass die vorherige Dauerdebatte um zu hohe Arzneimittelpreise in den letzten Jahren stark in den Hintergrund rückte. Der Vorstandschef der Techniker Krankenkasse (TK), Jens Baas, bedauert, dass die Zeit nicht für Diskussionen genutzt wurde – denn nun schmelzen die Rücklagen der Kassen, und das Thema ist angesichts von Hochpreisern wie Zolgensma® oder auch Spinraza® wieder hochaktuell. Er rechnet damit, dass es bald neue Zwangsrabatte geben wird, ehe man eine Lösung auf anderer Ebene gefunden hat. Keine Frage: Gerade die beiden genannten Arzneimittel gegen MSA sind echte Innovationen – Spinraza® (Nusinersen) ist eines der 2017 neu eingeführten Produkte, die der neue Report genauer beleuchtet. Dennoch müsse man die Preise hinterfragen dürfen, findet Baas. Auch wenn es nun Preisverhandlungen gibt, ist es doch die Industrie, die den Aufschlag macht und einen Vergleichspreis präsentiert, sofern es einen solchen überhaupt gibt – bei Orphan Drugs haben die Unternehmen freie Hand. Baas erläutert das Problem: Wir haben es nicht mit einem normalen Markt zu tun – das Arzneimittel, das der Arzt für den Patienten verordnet, muss keiner von beiden zahlen, sondern ein Dritter. Allerdings: Es ist auch nicht „die Krankenkasse“, die zahlt, sondern die Solidargemeinschaft. Daher muss aus Baas’ Sicht die Diskussion über Arzneimittelpreise auch auf gesellschaftlicher Ebene geführt werden: Was ist die Gesellschaft bereit zu zahlen – etwa für ein Arzneimittel, das dafür sorgt, dass ein an SMA erkranktes Kind laufen lernen wird? Auch für Glaeske ist klar: Der Preis für ein Arzneimittel wie Zolgensma®, das mit einem US-Preis von 2,1 Millionen Dollar als teuerstes Arzneimittel der Welt Schlagzeilen machte, ist rational nicht zu verstehen. Es fehle an Transparenz, wie das Unternehmen kalkuliert.
Durchschnittlicher Packungspreis von 3066 Euro
Doch noch ist das in Europa gerade erst zugelassene Zolgensma® nicht in den TK-Innovationsreport eingeflossen. Aber auch der aktuelle Report zeigt den Trend bereits auf. Er bewertet 31 Präparate, die im Jahr 2017 neu auf den deutschen Arzneimittelmarkt gekommen sind. Mit Cladribin und Dimethylfumarat wurden überdies zwei bekannte Wirkstoffe in neuen Indikationen berücksichtigt. Allein diese 31 Arzneimittel sorgten im Jahr 2018 bei der TK für Ausgaben von 178,4 Millionen Euro. Der durchschnittliche Packungspreis stieg im Vergleich zum Vorjahr um knapp 140 Prozent auf 3066 Euro – obwohl die Menge der verordneten Packungen mit 58.200 rund 55 Prozent unter der des Vorjahres lag. Hauptverantwortlich dafür waren laut TK neben Spinraza®, dem ersten Arzneimittel in der Geschichte des Report mit sechsstelligem Packungspreis, fünf Arzneimittel mit jeweils fünfstelligen Preisen.
Doch wie innovativ war der Jahrgang? Gemessen wird im TK-Report nach einem Ampelsystem, das drei Aspekte berücksichtigt: Gibt es schon Therapien auf dem Gebiet? Hat das Arzneimittel einen Zusatznutzen gegenüber der Vergleichstherapie? Und ist es teurer als diese? Anhand dieser Kriterien wird ein Gesamtscore gebildet. Insgesamt erhielten acht der neuen Arzneimittel (26%) die Bestnote: die grüne Gesamtampel. Sieben (23%) bekamen ein „gelb“ – aber für 16 und damit mehr als die Hälfte leuchtete die rote Gesamtampel.
Über die grüne Ampel können sich vier Arzneimittel gegen Leukämie freuen (Inotuzumab, Ozogamicin, Midostaurin, Venetoclax), eines kommt beim Bronchialkarzinom zum Einsatz (Alectinib), zwei bei Psoriasis (Ixekizumab, Guselkumab), eins bei Neurodermitis (Dupilumab) – und auch Nusinersen zur Behandlung der SMA konnte trotz seines hohen Preises am Ende überzeugen.
Glaeske forderte auch in diesem Jahr wieder eine obligatorische Spätbewertung von neuen Arzneimitteln. Denn viele Wirkungen zeigen sich erst später. So wurden zu den 31 Neueinführungen mittlerweile fünf Rote-Hand-Briefe und fünf Blaue-Hand-Informationen veröffentlicht. |
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