Arzneimittel und Therapie

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Coffein bringt den Kreislauf in Schwung und kann sogar Krankheiten vorbeugen

Coffein in Form von Kaffee, Tee oder Energydrinks ist die weltweit am meisten konsumierte psychoaktive Substanz, auch wenn sie von vielen Menschen nicht als solche wahrgenommen wird. Da Zubereitungen coffeinhaltiger Pflanzen bereits seit Hunderten Jahren genossen werden, existieren umfangreiche Erfahrungen mit den gesundheitlichen Auswirkungen. Ein kurzer Überblick.

Schätzungen zufolge nehmen in den USA rund 85 Prozent der Bevölkerung täglich Coffein zu sich. Eine der verbreitetsten Formen dürfte gebrühter Kaffee sein. Zunächst einmal muss angemerkt werden, dass eine Tasse Kaffee oder Tee ein komplexes Gemisch Hunderter natürlicher Substanzen ist, von denen viele biologisch aktiv sind. Neben Coffein sind beispielsweise Polyphenole, Diterpene, Melanoidine und Alkaloide enthalten und entfalten eine Wirkung auf den Organismus. Von Kaffee kann also eine andere Wirkung erwartet werden als von reinem Coffein. Eine Tasse von etwa 235 ml Kaffee enthält ca. 92 mg Coffein, eine Tasse schwarzer Tee ca. 47 mg, eine Tasse grüner Tee etwa 28 mg und ein Espresso etwa 63 mg. Auch Schokolade enthält Coffein, in einer Tafel Milchschokolade sind etwa 20 mg enthalten. Je dunkler die Schokolade ist, desto höher ist auch ihr Coffein-Gehalt. Darüber hinaus ist Coffein in Energydrinks und einigen Softdrinks, die in der Regel auch große Mengen Zucker enthalten, und in reiner Form in Coffein-Tabletten zu finden. Die analgetischen Eigenschaften einiger Schmerzmittel werden durch Zusatz von Coffein gesteigert. Manche nichtsteroidale Antirheumatika sind deshalb als Kombinationspräparate erhältlich (z. B. Aspirin® Coffein oder Thomapyrin® Tension Duo). Der Nutzen solcher Kombinationspräparate wird jedoch kontrovers diskutiert, eine endgültige Bewertung ist bisher nicht möglich.

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Mit rund 3,6 Tassen Kaffee tanken die Deutschen laut Kaffee­report 2020 täglich ihre Energie­reserven auf.

Pille verlängert Coffeinwirkung

Das Purinalkaloid Coffein (1,3,7-Trimethylxanthin) wird nach oraler Aufnahme innerhalb von etwa 45 Minuten fast vollständig absorbiert. Maximale Plasmakonzentrationen werden nach 15 Minuten bis zwei Stunden gemessen. Coffein durchdringt sowohl die Blut-Hirn- als auch die Plazenta-Schranke. Bei Erwachsenen beträgt die Halbwertszeit von Coffein in der Regel zwischen 2,5 und 4,5 Stunden, kann jedoch erheblich variieren. Rauchen etwa beschleunigt den Metabolismus und kann die Halbwertszeit um die Hälfte reduzieren. Orale Kontrazeptiva und Schwangerschaft wiederum verlängern die Halbwertszeit. Coffein wird vor allem über Cytochrom P450-Enzyme (CYP), besonders CYP1A2, metabolisiert. Polymorphismen bei diesen Enzymen können Einfluss auf die Halbwertszeit nehmen, genau wie die Einnahme von Medikamenten, die über dieselben Enzyme verstoffwechselt werden.

100 Tassen können tödlich sein

Die Molekülstruktur von Coffein ähnelt der von Adenosin. Im Gehirn antagonisiert Coffein dessen Wirkung an den Gi-Protein-gekoppelten Adenosin-Rezeptoren, es kommt zur vermehrten Ausschüttung von Dopamin und zur Aktivierung bestimmter Hirnareale. Außerdem hemmt Coffein auch kompetitiv die cAMP-Phosphodiesterase, welche den intrazellulären Botenstoff cAMP (cyclisches Adenosinmonophosphat) in AMP (Adenosinmonophosphat) umwandelt. Diese Mechanismen haben eine reduzierte Ermüdung und Reaktionszeit und erhöhte Wachsamkeit zur Folge. Gleichzeitig kann die Einschlafzeit verlängert und die Schlafqualität reduziert werden, wenn der Kaffee am Abend getrunken wird. Wer regelmäßig Coffein konsumiert und plötzlich damit aufhört, kann Entzugserscheinungen wie Kopfschmerzen, Erschöpfung oder depressive Verstimmungen verspüren. Im schlimmsten Fall drohen Grippe-ähnliche Symptome, die aber nach einigen Tagen wieder verschwinden. Eine Coffein-Überdosis äußert sich in Nervosität, Ruhelosigkeit, Anspannung, Schlaflosigkeit, Dysphorie und psychomotorischer Agitation. Überdosen mit mehr als zehn Gramm Coffein, das entspricht etwa 100 Tassen Kaffee, können sogar tödlich enden. Immer wieder kommt es zu kardiovaskulären, psychologischen oder neurologischen Zwischenfällen, wenn Coffein in Form von Energy-Drinks mit Alkohol gemischt konsumiert wird.

Zahlreiche verzerrende Faktoren erschweren epidemiologische Befragungen zum Thema Kaffee und Coffein. Wie wird eine Tasse definiert? Wird der Kaffee mit Milch und Zucker oder schwarz getrunken? Wie stark braut jemand seinen Kaffee? Trotz all dieser Schwierigkeiten existieren inzwischen aussagekräftige Studien.

Krankheiten vorbeugen

Während reines Coffein den Blutdruck kurzfristig erhöht, scheint Kaffee keinen wesentlichen Einfluss darauf zu haben. Es konnte gezeigt werden, dass moderater Kaffeekonsum (drei bis fünf Tassen am Tag) das Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen senkt. Das trifft verstärkt auf gefilterten Kaffee zu, da das Diterpen Cafestol, das durch einen Papierfilter aus dem Gemisch entfernt wird, den Cholesterol-Spiegel erhöhen kann. Regelmäßiger Kaffeekonsum ist außerdem mit einem reduzierten Risiko für Diabetes mellitus Typ 2 assoziiert. Coffein scheint sich in geringem Maße auch positiv auf den Körperfettanteil auszuwirken. Dieser Zusammenhang dürfte wohl vor allem für schwarzen Kaffee gelten und kaum für stark zuckerhaltige Energydrinks. Das Risiko für einige Krebsarten wie Brust-, Prostata- oder Gallenblasenkrebs ist für gewohnte Kaffeetrinker niedriger, und auch die Leber scheint davon zu profitieren. Zum Beispiel scheint Kaffeekonsum mit einem niedrigeren Risiko für Leberzirrhose und -fibrose assoziiert zu sein. Im Tierversuch wirkte Coffein außerdem protektiv gegen Leberkrebs. Mehrere Kohortenstudien zeigten, dass Coffein das Risiko für eine Parkinson-Erkrankung senken kann. Diese Erkenntnis war zuvor bereits im Tierversuch gewonnen worden. Auch das Risiko für Gallen- und Nierensteine ist unter Kaffeetrinkern reduziert. Moderater Kaffeegenuss ist außerdem assoziiert mit einem reduzierten Risiko für Depressionen und Selbstmord. Zu guter Letzt scheint auch die Gesamtsterblichkeit unter Kaffeetrinkern niedriger zu sein. Dieser Zusammenhang gilt genauso für entcoffeinierten Kaffee.

Coffein in der Schwangerschaft besser komplett meiden?!

Die Mehrheit der schwangeren Frauen konsumiert mindestens eine Tasse Kaffee am Tag. Und das, obwohl allgemein bekannt ist, dass Schwangere zum Schutz des ungeborenen Föten möglichst den Kontakt zu sämtlichen Chemikalien meiden sollten. Die Universität Reykjavik hat sich jetzt erneut mit den Spätfolgen des Kaffeekonsums in der Schwangerschaft befasst und die Ergebnisse des narrativen Reviews im „BMJ Evidence-Based Medicine“ veröffentlicht. In den Review flossen 48 Beobachtungsstudien und Metaanalysen ein, die folgende Spätfolgen untersucht hatten: Fehlgeburt, Totgeburt, niedriges Geburtsgewicht, Frühgeburt, akute kindliche Leukämie und kindliches Übergewicht / Adipositas. In allen Punkten, bis auf die Frühgeburt, konnte signifikant ein negativer Einfluss des Coffeins nachgewiesen werden. Da jedoch keine Grenze ausgemacht werden konnte, ab der das Coffein schädlich wirkt, empfehlen die Autoren des Reviews, bei einer geplanten Schwangerschaft komplett auf den Kaffeekonsum zu verzichten.

James JE, BMJ Evidence-Based Medicine 2020. doi:10.1136/bmjebm-2020-111432

In der Schwangerschaft und Stillzeit nur in Maßen genießen

Allein während der Schwangerschaft sollte man Vorsicht walten lassen. Coffein-Konsum scheint in dosisabhängiger Weise mit einem niedrigeren Geburtsgewicht und einem erhöhten Risiko für Fehlgeburten zusammen­zuhängen. Einige Studien konnten jedoch noch weitere negative Spätfolgen des Kaffeekonsums in der Schwangerschaft ausmachen (s. Kasten). Bei Frühgeborenen wird Coffein wiederum zur Behandlung von Apnoe eingesetzt. Säuglinge haben allerdings nur eine sehr begrenzte Abbau-Kapazität für Coffein, sodass die Halbwertszeit bei ihnen rund 80 Stunden beträgt. Stillende und werdende Mütter sollten ihren Coffein-Konsum daher auf höchstens 200 mg pro Tag beschränken. Für gesunde Erwachsene ergänzt der tägliche Kaffee jedoch eine gesunde Lebensweise. Viele der positiven Effekte von Kaffee sind jedoch nicht auf Coffein, sondern auf sekundäre Inhaltsstoffe (zum Beispiel Polyphenole) der Kaffeebohnen zurückzuführen. |

Literatur

Campion EW, van Dam RM, Hu FB, Willett WC (2020) Coffee, Caffeine, and Health. N Engl J Med 383:369–378. doi:10.1056/NEJMra1816604

Wink Michael, Van Wyk Ben-Erik, Wink Coralie, Handbuch der giftigen und psychoaktiven Pflanzen, 2008, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH Stuttgart

Wagner H, Bauer R. Arzneidrogen und ihre Inhaltsstoffe, Band 2. 6. Auflage, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH Stuttgart

Geisslinger G, Menzel M, Gudermann T, Hinz B, Ruth P. Mutschler – Arzneimittelwirkungen. 11. Auflage 2019, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart

Ulrich Schreiber, M. Sc. Toxikologe

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