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Recht
Rechtssicherheit für die Versorgungsapotheke
Der Mustervertrag zur Heimversorgung wurde überarbeitet
Die gesundheitliche Versorgung von Bewohnern stationärer Pflegeeinrichtungen ist ein hochkomplexer Prozess, der die enge Kommunikation, Koordination und Kooperation zwischen Pflegefachkräften, Ärzten und Apothekern erfordert. Die COVID-19-Pandemie hat weltweit in den Fokus gestellt, dass es sich dabei nicht um eine banale Selbstverständlichkeit handelt, sondern die Gesundheitsversorgung von Alten- und Pflegeheimen als systemrelevante Aufgabe von gesamtgesellschaftlichen Ausmaßen einzustufen und ernst zu nehmen ist. Wenn sich Deutschland im internationalen Vergleich relativ positiv vom traurigen Trend exorbitanter Mortalitätsraten bei Heimbewohnern abhebt, hat dies viel damit zu tun, dass hier die Versorgung der Heimbewohner mit Arzneimitteln und apothekenpflichtigen Medizinprodukten durch ein komplexes Regelwerk aus landes- und pflegerechtlichen Vorschriften für Heimträger und Pflegekräfte, berufs- und sozialrechtlichen Vorschriften für die ambulante ärztliche Versorgung sowie apotheken- und arzneimittelrechtlichen Vorschriften für die Arzneimittelversorgung der Heimbewohner als arbeitsteilig strukturierte Koordinations- und Kooperationsaufgabe der Leistungserbringer vor Ort institutionalisiert und etabliert ist.
Die Regelungsdefizite der bestehenden Verträge
Die meisten der heute verwendeten Musterverträge für die Heimversorgung werden der Komplexität dieser besonderen Versorgungsform nicht gerecht, da sie sich weitgehend auf die Regelung der öffentlich-rechtlichen Anforderungen an die heimversorgende Apotheke beschränken und damit den unzutreffenden Eindruck erwecken, als konstituiere der Versorgungsvertrag ein einseitiges Rechtsverhältnis, das allein dem Schutz der Heimbewohner und -träger dient und nur die Apotheken bindet. Viele bestehende Verträge bilden daher die Versorgungsrealität mit ihren gestiegenen fachlichen, wirtschaftlichen und rechtlichen Anforderungen an beide Vertragspartner nur unvollkommen ab und entwerten damit die mit der Heimversorgung verbundenen zusätzlichen Qualifikationen, Aufwendungen und Leistungen der Apotheke. Vor dem Hintergrund eines stetig steigenden Wettbewerbsdrucks sowohl aufseiten der Heimträger als auch bei den Apotheken hat diese einseitige Perspektive dazu beigetragen, dass Vertragspartner auf beiden Seiten zunehmend geneigt sind, die Heimversorgung als ein großes „Rundum-sorglos-Paket“ zu behandeln, das möglichst alle Aspekte der Arzneimittelversorgung auf die Apotheke „outsourct“, um die Pflegekräfte von ihren Aufgaben in der Arzneimittelversorgung und den Träger von den damit verbundenen Kosten möglichst weitgehend zu entlasten. Die Übernahme apothekenfremder Gratisleistungen, zum Beispiel des quartalsweisen Transports von Versichertenkarten vom Heim zur Arztpraxis und zurück, sind eine Konsequenz, aber nicht der Endpunkt dieser Entwicklung, die in vielen Fällen die Grenzen des Wettbewerbs- und Korruptionsstrafrechts hinter sich lässt.
Der neue Mustervertrag ist daher so aufgebaut, dass er keinen Zweifel am zweiseitigen Charakter des Heimversorgungsvertrags lässt und nicht nur die wechselseitigen Rechte und Pflichten der Vertragspartner transparent gegenüberstellt, sondern auch ihre jeweiligen medikationsbezogenen Obliegenheiten im Verhältnis zu den Bewohnern präzise voneinander abgrenzt. Ausdrücklich aufgenommen wurde insbesondere die enge Kooperation und Koordination der Vertragspartner untereinander und mit den behandelnden Ärzten, ohne die eine bedarfsgerechte und kontinuierliche Versorgung der Bewohner nicht möglich ist. Neben der Berücksichtigung der vielfach veränderten rechtlichen Rahmenbedingungen war es ein wesentliches Ziel der Überarbeitung des Mustervertrags, beiden Vertragsparteien die Dimensionen, Implikationen und Grenzen ihrer sektoren- und professionsübergreifenden interdisziplinären Kooperationsaufgabe vor Augen zu führen und zulässige Alternativen der privatautonomen Regelung zusätzlicher Leistungen aufzuzeigen, die über den gesetzlich vorgeschriebenen Pflichtinhalt des Heimversorgungsvertrags hinausgehen. Dem Mustervertrag kommt daher neben der Bereitstellung möglichst rechtssicherer und praxisgerechter Lösungen eine wichtige Informations-, Hinweis- und Warnfunktion im Hinblick auf die Vertragsverhandlung und -gestaltung zu.
Grundlegend: Das Selbstbestimmungsrecht der Heimbewohner
Wer stationäre Pflegeleistungen in Anspruch nimmt, entledigt sich hierdurch nicht seines durch die Verfassung verbürgten Selbstbestimmungsrechts, sondern kann grundsätzlich unverändert autonom darüber entscheiden, in welchen Fällen und in welchem Umfang er das Pflegeangebot des Heimträgers in Anspruch nehmen möchte. Dazu gehört auch die Teilnahme an der zentralen Arzneimittelversorgung der Heimbewohner auf Grundlage eines Versorgungsvertrags nach § 12a Apothekengesetz (ApoG) zwischen dem Heimträger und einer heimversorgenden Apotheke. § 12a Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 und 5 ApoG schreiben dazu ausdrücklich vor, dass der Heimversorgungsvertrag die freie Apothekenwahl von Heimbewohnern nicht einschränken und keine Ausschließlichkeitsbindung zugunsten einer Apotheke enthalten darf. Der Heimversorgungsvertrag ist dementsprechend ein zugunsten der Heimbewohner wirkender Rahmenvertrag, der eine zentrale Versorgung der Heimbewohner durch die in dem Vertrag bestimmte Apotheke einrichtet, ohne dass dadurch das Heim zum Bezieher der Arzneimittel und die Heimbewohner zu Vertragspartnern des Versorgungsvertrags werden. Eine Vertragsbeziehung der Apotheke zum einzelnen Bewohner kommt erst im Zuge der konkreten Versorgung mit Arzneimitteln und apothekenpflichtigen Medizinprodukten zustande und wird bei gesetzlich krankenversicherten Heimbewohnern wiederum zum Teil durch sozialrechtliche Regelungen überlagert.
Musterformulare für Teilnahme, Datenschutz und Lastschrift
Um diese gesetzlichen Vorgaben rechtssicher in die Versorgungspraxis umzusetzen, bezieht sich der neue Mustervertrag ausdrücklich nur auf Heimbewohner, die selbst oder durch ihren gesetzlichen Vertreter schriftlich gegenüber dem Heimträger in die Teilnahme an der zentralen Versorgung durch die heimversorgende Apotheke eingewilligt haben, und bezeichnet diese als „teilnehmende Bewohner“. Zuständig für die Einholung der Teilnahmeerklärung und die Weiterleitung einer Kopie an die Apotheke ist der Heimträger. Daran geknüpft ist die Pflicht der Pflegeeinrichtung, nur von denjenigen Bewohnern Verschreibungen und Bestellungen an die Versorgungsapotheke weiterzuleiten, von denen ihr die wirksame Teilnahmeerklärung vorliegt. Für die Apotheke gilt, dass sie nur Bewohner zu versorgen hat, von denen ihr die Kopie der Teilnahmeerklärung vorliegt. Der Mustervertrag stellt hierzu ein Einwilligungsformular und ein Informationsblatt mit den erforderlichen Patienteninformationen zur Verfügung. Soweit der Heimträger bereits eigene Einwilligungsformulare verwendet, sollte die heimversorgende Apotheke deren Inhalt anhand des Musterformulars überprüfen und bei erheblichen Abweichungen, z. B. bei unvollständiger Leistungsbeschreibung der Versorgungapotheke oder fehlendem Hinweis auf das Widerrufsrecht, auf eine Anpassung hinwirken.
Ein weiterer wichtiger Teil des Selbstbestimmungsrechts des Heimbewohners ist die informationelle Selbstbestimmung über die Verwendung seiner Privatgeheimnisse und persönlichen Daten. Diese sind zum einen durch die Verschwiegenheitspflicht der Apotheker, Ärzte und Pflegekräfte und der mit ihnen zusammenarbeitenden Mitarbeiter und Auszubildenden aufgrund § 203 Strafgesetzbuch (StGB) sowie die entsprechenden Pflichten der jeweiligen Berufsordnung geschützt. Der Mustervertrag enthält die für die Zusammenarbeit der Vertragsparteien erforderlichen Regelungen und berücksichtigt dabei die Erleichterungen für die Zusammenarbeit der Heilberufe und die Auslagerung von Tätigkeiten auf „sonstige mitwirkende Personen“ durch die Änderung des Strafgesetzbuchs im Jahre 2017.
Die persönlichen Daten des Heimbewohners werden zum anderen durch das Datenschutzrecht geschützt. Die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) hat hierfür umfassende Neuregelungen eingeführt, die vor allem für gesundheitsbezogene Angaben ein erhöhtes Schutzniveau verlangen. Für die heimversorgende Apotheke bedeutet dies, dass sie den Bewohner in verständlicher Weise darüber informieren muss, welche persönlichen Daten sie im Zuge der Versorgung erhebt, verarbeitet und nutzt und welche Rechtsgrundlagen dafür bestehen. Sofern die Verarbeitung der Daten nicht bereits nach den gesetzlichen Vorschriften oder anderen Ermächtigungsgrundlagen erlaubt ist, muss die Apotheke die vorherige schriftliche Einwilligung des Bewohners einholen. Das gilt zum Beispiel für die Datenweitergabe zur patientenindividuellen Anfertigung von Arzneimitteln oder Medizinprodukten durch ein zugelassenes Auftragsunternehmen. Der Mustervertrag enthält hierzu eine ausführliche Datenschutzerklärung der Apotheke und ein Einwilligungsformular für den Bewohner. Der Mustervertrag sieht vor, dass der Heimträger dem Bewohner die Formblätter vorlegt und die unterschriebene Datenschutzeinwilligung mit den für die Versorgung erforderlichen persönlichen Daten des Bewohners an die Apotheke weiterleitet.
Während die direkte Abrechnung erstattungsfähiger Arzneimittel und Medizinprodukte für GKV-Versicherte mit den Krankenkassen selbstständige Aufgabe der Versorgungsapotheke ist, ist sie bei der Einziehung der von den teilnehmenden Bewohnern selbst zu tragenden Kosten für die aufgrund ärztlicher Verschreibung oder persönlicher Bestellung gelieferten Produkte regelmäßig auf die Mithilfe der Einrichtung angewiesen. Der Mustervertrag sieht hierzu vor, dass die Einrichtung die Versorgungsapotheke bei der Einholung eines entsprechenden Lastschriftmandats der teilnehmenden Bewohner unterstützt, und stellt hierzu ein Formblatt zur Verfügung. Liegt kein gültiges Lastschriftmandat vor, hat die Versorgungsapotheke die vom Patienten selbst zu zahlenden Kosten mit der Einrichtung aufgrund einer bewohnerbezogenen Monatsrechnung sowie einer monatlichen Gesamtaufstellung abzurechnen.
Der Heimversorgungsvertrag als Ausnahme vom Zuweisungsverbot
Der Inhaber einer Erlaubnis zum Betrieb einer öffentlichen Apotheke, der Bewohner von Heimen im Sinne des § 1 Heimgesetz mit Arzneimitteln und apothekenpflichtigen Medizinprodukten versorgen will, ist verpflichtet, zuvor einen genehmigungspflichtigen schriftlichen Vertrag mit dem Träger der Heime zu schließen, der die Anforderungen des § 12a ApoG erfüllt (Kontrahierungszwang). Eines solchen Versorgungsvertrages bedarf es nach § 12a Abs. 3 ApoG nicht, soweit Bewohner von Heimen sich selbst mit Arzneimitteln und apothekenpflichtigen Medizinprodukten aus öffentlichen Apotheken versorgen. Der Kontrahierungszwang verbietet es jedoch, dass eine öffentliche Apotheke im Zusammenwirken mit dem Heimträger oder einzelnen Mitarbeitern Heimbewohner mit Arzneimitteln oder Medizinprodukten beliefert, ohne dass sie über einen genehmigten Versorgungsvertrag mit dem Heimträger verfügt.
Heimversorgung – die Komplettlösung
Schon seit 2003 verpflichtet § 12a des Apothekengesetzes öffentliche Apotheken und Träger von Alten- und Pflegeheimen bei einer Belieferung der Bewohner mit Arzneimitteln und apothekenpflichtigen Medizinprodukten einen schriftlichen Vertrag abzuschließen. Fortschritte in der Pflege, der Medizin und der Pharmazie sowie zahlreiche neue und erweiterte Rechtsvorschriften machen heute die Heimversorgung wesentlich komplexer. Dies macht transparente vertragliche Regelungen an den Schnittstellen der Zusammenarbeit zwischen Apothekern, Heimträgern und Pflegefachkräften, aber auch mit den im Heim behandelnden Ärzten notwendig.
Mit diesem Ordner „Heimversorgung“ erhalten Sie ein Rundumpaket für Ihre Heimbelieferung nach BVVA. Neben einer Broschüre mit Erläuterungen zum juristischen Hintergrund ist das aktuelle Vertragsmuster inklusive aller erforderlichen Formulare enthalten:
- Heimversorgungsvertrag nach § 12a Apothekengesetz
- Bewohnerinformation zur zentralen Arzneimittelversorgung und Erklärung zur Teilnahme an der zentralen Arzneimittelversorgung
- Datenschutzerklärung der Apotheke und Einwilligungserklärung zur Datenverarbeitung
- SEPA-Lastschriftmandat
- Zusatzvereinbarung über die bedarfsgerechte Arzneimittelbereitstellung und Honorarverzeichnis
- Patienteninformation zur bedarfsgerechten Arzneimittelbereitstellung und Auftrag zur bedarfsgerechten Arzneimittelbereitstellung
- Arztinformation zur bedarfsgerechten Arzneimittelbereitstellung
Von Prof. Dr. Hilko J. Meyer
2020. 226 Seiten. Musterformulare zum Download auf Online-PlusBase. 1 Ringordner. Gesamtwerk. Zur Fortsetzung.
€ 78,– [D]
ISBN 978-3-7692-7602-2
Einfach und schnell bestellen:
Deutscher Apotheker Verlag, Postfach 10 10 61, 70009 Stuttgart
Tel. 0711 – 25 82 341, Fax: 0711 – 25 82 290
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Der behördlich genehmigte Heimversorgungsvertrag stellt eine Ausnahme vom Zuführungs- und Zuweisungsverbot des § 11 Abs. 1 ApoG und von den Vorschriften für Rezeptsammelstellen des § 24 Apothekenbetriebsordnung dar, weil er die Zuführung der teilnehmenden Bewohner und die Zuweisung ihrer Verschreibungen an die heimversorgende Apotheke im Rahmen der zentralen Arzneimittelversorgung legalisiert. Ebenso wie für die Einrichtung ist es daher für den behandelnden Arzt zulässig, Folgeverschreibungen von Bewohnern, die in die Teilnahme an der zentralen Arzneimittelversorgung durch die heimversorgende Apotheke eingewilligt haben, direkt an die Versorgungsapotheke weiterzuleiten (vgl. Meyer, Arzneimittel&Recht [A&R] 2017, S. 122 ff.).
Das am 3. Juli 2020 vom Deutschen Bundestag verabschiedete Patientendaten-Schutzgesetz (PDSG) erstreckt das Zuweisungsverbot des § 11 Abs. 1 ApoG ausdrücklich auch auf elektronische Verschreibungen und bezieht nicht nur Apotheken aus anderen EU-Mitgliedstaaten, sondern auch Dritte in den Kreis der Normadressaten ein, um ein Makeln mit Rezepten zu verhindern. Dadurch gilt das Zuweisungsverbot künftig auch unmittelbar für die Heimträger und ihre Mitarbeiter. Es ist daher zu begrüßen, dass der Gesundheitsausschuss des Bundestages der Forderung des BVVA gefolgt ist und eine ausdrückliche Ausnahmeregelung in § 11 Abs. 1 ApoG verankert hat, die klarstellend regelt, dass das Verbot nicht für gesetzlich vorgesehene Rechtsgeschäfte und Absprachen gilt. Als Beispiel nennt die Gesetzesbegründung ausdrücklich den Vertrag, den der Inhaber einer Erlaubnis zum Betrieb einer öffentlichen Apotheke nach § 12a des Apothekengesetzes mit dem Träger der Heime zu schließen hat (Bundestagsdrucksache 19/20708, S. 156, 191). Damit wird Rechtssicherheit für die notwendige Zusammenarbeit zwischen Pflegekräften, Ärzten und Apothekern in der Arzneimittelversorgung der Bewohner hergestellt. Zugleich wird klargestellt, dass das Zusammenwirken zwischen Pflegeeinrichtung und Apotheke bei der Versorgung der Heimbewohner auch im Hinblick auf elektronische Verschreibungen und Apotheken aus anderen EU-Mitgliedstaaten dem Kontrahierungszwang gemäß § 12a ApoG unterliegt. Nach § 12a Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 müssen das zu versorgende Heim und die heimversorgende Apotheke innerhalb desselben Kreises oder derselben kreisfreien Stadt oder in einander benachbarten Kreisen oder kreisfreien Städten liegen. Dies ist erforderlich, um die Pflichten zur Überprüfung der ordnungsgemäßen bewohnerbezogenen Aufbewahrung der gelieferten Arzneimittel und zur Information und Beratung der Heimbewohner und der verantwortlichen Mitarbeiter vor Ort sicherzustellen.
Der Mustervertrag verpflichtet den Heimträger dementsprechend, keine Absprachen oder Rechtsgeschäfte über die Zuführung von Bewohnern dieser Einrichtung oder eine Zuweisung von deren Verschreibungen einschließlich der elektronischen Verschreibungen mit einer Apotheke zu treffen, mit der sie keinen Heimversorgungsvertrag nach § 12a ApoG geschlossen hat. Ausgeschlossen wird auch der einseitige Abschluss eines weiteren Heimversorgungsvertrages für diese Einrichtung mit einer anderen Apotheke, ohne dass die Einrichtung hierüber zuvor eine Vereinbarung mit der bisherigen Versorgungsapotheke abgeschlossen hat, die auch die künftige Abgrenzung der Zuständigkeitsbereiche der beteiligten Apotheken nach § 12a Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 ApoG umfasst. Kommt eine Einigung darüber mit der bisherigen Apotheke nicht zustande, muss der Heimträger die vereinbarte Kündigungsfrist einhalten. Die gegenteilige Rechtsauffassung, wonach der Heimträger aufgrund des Ausschließlichkeitsverbotes des § 12a Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 ApoG das Recht habe, einen bestehenden Versorgungsvertrag unabhängig von einer Kündigung einseitig zu beenden und durch einen neuen Vertrag mit einer anderen Apotheke zu ersetzen, wurde vom Bundesgerichtshof unter Verweis auf das schutzwürdige Interesse der Vertragsapotheke an der Einhaltung der Kündigungsfrist zurückgewiesen (BGH, Urt. v. 14.07.2016 — A&R 2016, S. 182 ff.). Diese müsse in der Lage sein, sich innerhalb einer angemessenen Übergangsfrist auf die veränderte Situation einzustellen und die erforderlichen Dispositionen zu treffen, zum Beispiel die Personalplanung danach auszurichten und den Arbeitskräftebedarf – gegebenenfalls unter Beachtung arbeitsvertraglicher Kündigungsfristen – anzupassen (vgl. Laskowski, A&R 2015, S. 281, 282).
Die Abgrenzung der Obliegenheiten und die Vereinbarung von Zusatzleistungen
Über ihre wechselseitigen Rechte und Pflichten hinaus unterliegen die Vertragspartner jeweils selbstständigen Obliegenheiten gegenüber den Bewohnern des Heims, die sich als eigene Rechtskreise beschreiben lassen (Schneider/Reich, Gesundheitsrecht [GesR] 2017, S. 497, 499). Zur Abgrenzung der Rechtskreise der Vertragspartner benennt der Mustervertrag neben den arzneimittel- und apothekenrechtlichen Pflichten der Apotheke ausdrücklich die spezifischen Obliegenheiten, die die Pflegeeinrichtung im Rahmen der Arzneimittelversorgung ihrer Bewohner aufgrund der heim- und sozialrechtlichen Regelungen wahrzunehmen hat. Ausgangspunkt ist dabei die originäre Aufgabe der Pflegeeinrichtung nach den Heimgesetzen der Länder, die ärztliche und gesundheitliche Versorgung ihrer Bewohner sicherzustellen. Im Rahmen der Arzneimittelversorgung zählen hierzu – je nach Pflegebedürftigkeit der Bewohner – insbesondere die Verwaltung der Krankenversicherungskarte, die Veranlassung der ärztlichen Behandlung einschließlich der Einholung erforderlicher ärztlicher Verschreibungen und Anordnungen sowie deren Dokumentation, die Weiterleitung der Verschreibungen für die teilnehmenden Bewohner an die Versorgungsapotheke, das Entgegennehmen der gelieferten Arzneimittel und Medizinprodukte für die teilnehmenden Bewohner und das bewohnerbezogene Vorbereiten (Richten), Aushändigen oder Verabreichen der Arzneimittel nach den ärztlichen Dosierungs-, Einnahme- und Anwendungsanordnungen (Medikationsanordnungen). Beide Vertragspartner sind im Rahmen der für sie geltenden Vorschriften gehalten, die Prozesse, Schnittstellen und Anforderungen der Heimversorgung in ihr jeweiliges Qualitätsmanagementsystem aufzunehmen.
Das Verbot der unlauteren Bevorzugung
Besondere Relevanz erhält die Abgrenzung der wechselseitigen Rechtspflichten und bewohnerbezogenen Obliegenheiten beider Vertragsparteien im Falle der Zusatzleistungen der Versorgungsapotheke, die über ihren gesetzlichen Versorgungsauftrag nach § 12a ApoG hinausgehen und daher nicht kostenfrei zu erbringen sind. Lässt sich eine Apotheke darauf ein, im Bereich der originären Obliegenheiten des Heimträgers kostenfreie Zusatzleistungen zu übernehmen, um sich den Abschluss des Heimversorgungsvertrages zu sichern, kann darin für beide Vertragspartner eine rechtswidrige Unrechtsvereinbarung liegen. Dies gilt unabhängig davon, ob die Gratisleistungen unmittelbar den Bewohnern zugutekommen, wie bei der Bereitstellung patientenindividuell verblisterter Arzneimittel, oder nur der Heimträger davon profitiert, wie bei der Übernahme kostenloser Kurierfahrten durch die Apotheke, sofern der Heimträger durch die ersparten Aufwendungen eine wirtschaftliche Besserstellung erlangt, auf die er keinen Anspruch hat. Im Sinne nicht sozialadäquater ersparter Aufwendungen wären damit insbesondere die Voraussetzungen des Begriffs „Drittvorteil“ im Sinne der Korruptionsdelikte erfüllt. (Schneider/Reich, GesR 2017, S. 497, 499)
Um den Vertragspartnern diese Rechtsrisiken vor Augen zu führen, enthält der Mustervertrag eine Klausel, in der die Vertragsparteien ihr gemeinsames Verständnis der straf-, berufs-, sozial- und wettbewerbsrechtlichen Verbote der unlauteren Bevorzugung bekunden. Als zulässige Alternative verweist der Versorgungsvertrag im Hinblick auf gesetzlich erlaubte Zusatzleistungen auf den Abschluss von Zusatzvereinbarungen, in denen Art, Umfang und Vergütung der Leistung bestimmt sind, um den Anforderungen an die „Healthcare Compliance“ gerecht zu werden. Dem Vertrag ist eine Mustervereinbarung beigefügt, die die bedarfsgerechte Arzneimittelbereitstellung in Form patientenindividuell neu verblisterter Arzneimittel regelt.
Ausblick
Die Regelungen des Mustervertrags sind darauf ausgerichtet, einen fairen Interessensausgleich zwischen der Versorgungsapotheke und dem Heimträger zu ermöglichen, rechtssichere und praxisgerechte Lösungen aufzuzeigen und eine sichere Arzneimittel- und Medizinprodukteversorgung der Heimbewohner zu gewährleisten. Die durch die Digitalisierung beschleunigte Entwicklung der rechtlichen Rahmenbedingungen ebenso wie die föderale Struktur der behördlichen Überwachung führen zu rechtlichen Divergenzen, die nicht ein für alle Mal ausgeräumt werden können. Ein Vertragsmuster kann ohnehin nur die grundlegenden Regelungsfragen aufgreifen und muss die Entscheidung, welche konkreten Vereinbarungen über Leistungen, Abläufe, Schnittstellen und Kommunikationswege im Einzelfall zutreffend und angebracht sind, der eigenverantwortlichen Beurteilung, Aushandlung und Entscheidung der Vertragspartner überlassen. Für die Anpassung an die tatsächlichen und rechtlichen Umstände des Einzelfalls ist im Zweifel weiterer fachkundiger Rat einzuholen. |
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