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eRezept-Projekt der Techniker Krankenkasse wächst weiter
Immer mehr Patienten und Apotheken zeigen sich von Insellösung überzeugt
Anja Wiesatzky ist Inhaberin der Wilhelm-Raabe-Apotheke in Braunschweig und löst seit Juli 2020 elektronische Verordnungen ein. Sie ist überzeugt vom eRezept: „Die Prozesse sind einfach schlanker. Das Feedback der Kunden ist super, weil alles sehr schnell und einfach funktioniert. Gerade jüngere Leute sind begeistert.“
Notlösung findet Anklang
Ende April hatte sie im Internet gelesen, dass die Techniker Krankenkasse (TK) zusammen mit dem Apothekendienstleister Noventi eine gesetzliche Ausnahmeregelung nutzt, um Patienten mit COVID-19 oder ähnlichen Symptomen telemedizinische Beratungen und Verschreibungen in elektronischer Form anzubieten. Kurz darauf rief ein Außendienstmitarbeiter von Noventi bei ihr an, um für das Projekt zu werben. Da sie nicht über das Noventi-geführte Warenwirtschaftssystem Awinta verfügte, bekam sie befristet für sechs Monate kostenlos einen Laptop gestellt. „Das war nur eine Notlösung, aber letzten Endes funktioniert alles problemlos. Wir wollten bei dem Projekt gern dabei sein, um das eRezept zu testen“, sagt Wiesatzky.
Die Patienten, die das Angebot nutzen, sind laut der Apothekerin keineswegs nur COVID-19-Fälle oder -Verdachtsfälle gewesen. „Bei manchen spielt die Zeitersparnis eine große Rolle. Bei anderen Patienten hatte der Hausarzt die telemedizinische Beratung empfohlen, weil für die Untersuchung keine persönliche Konsultation nötig war, z. B. bei Hautkrankheiten.“ Nur einen Bruchteil der elektronisch verschriebenen Arzneimittel habe sie dabei über den Botendienst ausgeliefert. Die meisten Patienten seien persönlich in der Apotheke vor Ort vorbeigekommen.
Rasantes Wachstum
Das eRezept-Modellprojekt der Techniker Krankenkasse (TK) begann im Februar 2019 in bescheidener Größe. Damals waren fünf Ärzte und zwei öffentliche Apotheken in Hamburg-Wandsbek involviert. Noch Anfang 2020 lösten nur rund 100 TK-Versicherte elektronische Verordnungen ein. Mit der Corona-Pandemie wurde die Forderung nach einer digitalen Gesundheitsversorgung in der Bevölkerung sowie in der Politik jedoch akut. Die Techniker Krankenkasse begriff dieses Signal als Chance. Seit dem 28. April 2020 bietet die Ersatzkasse für ihre 10,7 Millionen Versicherten medizinische Fernbehandlungen an, über die sie Verschreibungen als eRezept über das Smartphone erhalten können. Dabei beruft sich die TK auf eine gesetzliche Ausnahmeregelung, die auf § 140a SGB V fußt. Demnach soll durch eine kontaktfreie Gesundheitsversorgung das Infektionsrisiko minimiert werden. Mit einer eigens dafür eingerichteten Hotline unterstützt die TK ihre Versicherten, eine Apotheke zu finden, die das eRezept und einen Botendienst zur kontaktfreien Arzneimittelübergabe anbietet.
Mehr als 1000 Apotheken
Das Projekt wächst kontinuierlich. Mit der Barmer Ersatzkasse, der Hanseatischen Krankenkasse (HEK), der DAK Gesundheit sowie der BIG direkt gesund konnten vier weitere Krankenversicherungen für das Modell gewonnen werden. In Deutschland können sich nun 26 Millionen Versicherte von rund 40.000 niedergelassenen Ärzten elektronische Rezepte verordnen lassen. Die eRezepte der TK können mittlerweile in mehr als 1000 Apotheken mit steigender Tendenz eingelöst werden.
Dass ihre Apotheke mit dabei ist, freut Anja Wiesatzky. „Die Digitalisierung im Gesundheitswesen hat mit der Corona-Pandemie einen gewaltigen Schritt gemacht. Sie war schon seit zwei Jahrzehnten in Planung, wurde aber immer wieder verschoben. Wir müssen uns sowieso aktiv mit den Dingen auseinandersetzen, also warum nicht schon jetzt?“
Projekt für alle Player offen
Offenbar plante die TK die Umsetzung ihrer eRezept-Lösung von Anfang an so, dass sie unkompliziert ausgeweitet werden könnte. 2019 stand das damals noch kleine Projekt in der Kritik, da die Krankenversicherung für die Entwicklung der eRezept-Software mit E-Health-tec, einem Tochterunternehmen der Zur Rose-Gruppe zusammenarbeitete. Im August 2019 begründete Tim Steimle, Leiter des Fachbereiches Arzneimittel bei der TK, auf Nachfrage gegenüber DAZ.online die Zusammenarbeit folgendermaßen: „Wir wollten ein System, das mit jedem anderen System kompatibel ist und andere beteiligen kann. Dass wir heute in Deutschland noch keine eRezepte haben, liegt nur daran, dass die Player sich abschotten. Wir befördern an dieser Stelle den Versand nicht. Wir wissen, dass wir den Versandhandel beim eRezept auf Dauer nicht außen vor lassen können.“ Beim Projekt der TK können Patienten ihre Rezepte sowohl in öffentlichen als auch in Versandapotheken einlösen. Auch DocMorris ist technisch an das Projekt der TK angebunden.
Wer mitgestaltet, bleibt
Beim Versandhandel sieht die Apothekeninhaberin Anja Wiesatzky politischen Handlungsbedarf. „Die Gleichpreisigkeit muss endlich gesetzlich angegangen werden. Es kann nicht sein, dass dieser Wettbewerb immer noch unter ungleichen Bedingungen abläuft. Versandhändler ködern mit Rabatten und leisten nur die rentablen Arbeiten, aber für die Notdienste und für kühlpflichtige Arzneimittel soll die Apotheke herhalten. Das kann nicht funktionieren.“
Trotzdem erwartet sie sich eine gewisse Eigeninitiative vonseiten der Apotheker, wenn es um die Digitalisierung geht. „Das eRezept wird kommen. Wer das Ganze nicht mitgestalten will, ist vielleicht auch selbst schuld. Ich kann niemandem beipflichten, der uns dem Untergang mit Einführung des eRezeptes geweiht sieht. Wer aktiv mitgestaltet, hat eine gute Chance, in Zukunft bestehen zu bleiben. Die Patienten profitieren einerseits durch die vereinfachten Prozesse und andererseits durch die verbesserte Arzneimitteltherapiesicherheit von den Entwicklungen. Mithilfe der Digitalisierung können wir die Heilberufe untereinander besser verzahnen. Da müssen wir mitmachen!“
Quo vadis?
Ob Anja Wiesatzky nach den kostenfreien sechs Monaten, in denen sie die nötige Hardware von Noventi nutzen kann, verlängern wird, weiß sie noch nicht. Momentan fuße die Lösung der TK auf einer gesetzlichen Ausnahmeregelung. Es bleibe abzuwarten, wie es weitergehe. Probleme habe ihr das eRezept-Projekt bislang keine gemacht. Sie erhofft sich, dass das Ergebnis der Gematik ähnlich komplikationslos verlaufen werde. „Wenn das mit dem Telematikinfrastruktur-Konnektor auch so gut funktionieren wird und wir bald unseren Heilberufsausweis beantragen können, bin ich zuversichtlich.“ |
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