Die Seite 3

Der BtM-Holzhammer

Foto: DAZ/Alex Schelbert

Dr. Thomas Müller-Bohn, Redakteur der DAZ

Der Markt für Cannabidiol-haltige Produkte boomt. Doch ihr rechtlicher Status ist oft umstritten, und gute Studien zur Wirksamkeit sind Mangel­ware. Das ist unbefriedigend für die Rechtssicherheit und für den Beratungsalltag in den Apotheken. Doch die Schuld dafür allein auf die Hersteller zu schieben, wäre kurzsichtig. Die ­Europäische Union hat mit dem Novel Food eine Produktkategorie geschaffen, die sich hier zumindest anbietet. Doch offenbar dauern die Entscheidungen dazu so lange, dass sie der Marktentwicklung nur hinterherlaufen. Zugleich tolerieren die Behörden überwiegend die schwer überschaubare Produktvielfalt oder ihre Maßnahmen verfangen sich im Wirrwarr der Zuständigkeiten. Doch nun scheint die EU-Kommission den ­eigenen Instrumenten nicht mehr zu trauen und bringt stattdessen den Status als Betäubungsmittel ins Gespräch (mehr dazu auf Seite 18). Die Geister, die die europäischen Institutionen mit ihrer bisher lockeren Haltung riefen, meinen sie anders offenbar nicht mehr loszuwerden. Diese stärkste mögliche Maßnahme würde aber den Cannabidiol-Markt zum Erliegen bringen und sogar den Einsatz zugelassener Arzneimittel erschweren. Damit stellt sich noch mehr als bisher die Frage, warum Produkte mit mehr oder weniger versteckten Wirkungsversprechen nicht längst als Arzneimittel eingestuft und Zulassungen gefordert wurden. Es wurde viel Zeit verschenkt, die die Hersteller für gute Studien hätten nutzen können. Freiwillig war das nicht zu erwarten. Klare Regeln sind im Gesundheitsbereich offenbar für alle Beteiligten besser als das marktwirtschaftliche Prinzip von Versuch und Irrtum. Klare strenge Regeln können gute Ordnungs- und zugleich gute Wirtschaftspolitik sein. Der BtM-Holzhammer wirkt da­gegen eher als Akt der Verzweiflung.

Dabei hat das spannende Thema noch mehr Aspekte. Der Rechtsstreit um Cannabidiol für elektronische Zigaretten in Frankreich bringt das Spannungsverhältnis zwischen nationalem Gesundheitsschutz und europäischer Warenverkehrsfreiheit erneut auf die Tagesordnung des Europäischen Gerichtshofes. Das könnte sogar auf die Auseinandersetzung um die deutsche Arzneimittelpreisbindung wirken. Vielleicht lernt die EU-Kommission auch bei der Sicherung der Arzneimittelversorgung noch eine klare Ordnungspolitik zu schätzen, damit dort nicht eines Tages ebenfalls letzte verzweifelte Maßnahmen nötig werden.

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