Pandemie Spezial

Endlich Urlaub

Was gilt es zu beachten bei Reisewarnungen wegen COVID-19?

hb | Nach und nach verabschieden sich die Menschen in ihre Sommerferien – so auch das Apothekenpersonal. Nach den nervenaufreibenden vergangenen Monaten wünscht man sich sorglose Erholung am Urlaubsort. Manch einer mag seine Pläne umgeschmissen haben, weil für das Land, in das er eigentlich fahren wollte, eine Reisewarnung gilt. Andere setzen sich darüber hinweg. Kann das arbeitsrechtliche Konsequenzen oder Auswirkungen auf die Entgeltfortzahlung haben, wenn Rückkehrer dann erstmal in Quarantäne bleiben müssen?
Foto: Tropical studio – stock.adobe.com

Eine Stellungnahme auf der Webseite des Österreichischen Verbandes Angestellter Apotheker (VAAÖ) regt dazu an, sich des Themas Reisewarnungen in der Corona-Krise ganz besonders anzunehmen. Wie der VAAÖ seinen Mitgliedern mitteilt, kann man von Österreich aus wieder in insgesamt 31 europäische Länder reisen (Stand 17. Juni 2020), ohne bei der Hinreise oder der Rückkehr in eine 14-tägige Heimquarantäne zu müssen oder wahlweise einen maximal vier Tage alten, negativen COVID-19-Test vorzulegen.

Ungeachtet dessen gebe es aber teilweise auch für Länder, in die man nun wieder reisen könne beziehungsweise aus denen ohne Probleme wieder zurückgekehrt werden könne, Reisewarnungen. Nun könne man auf die Idee kommen, dass es doch (arbeits-)rechtlich keinen Unterschied mache, ob man sich in Österreich mit COVID-19 infiziere oder in einem Land, in das man zu Urlaubszwecken, also „ohne wichtigen Grund“, reise und für das eine Reisewarnung bestehe.

Wann gilt eine Corona-­Infektion als „grob fahrlässig“?

Dies sieht der VAAÖ allerdings differenzierter: Verbringe ein angestellter Apotheker seinen Urlaub in einem Land mit Reisewarnung und stecke er sich dort mit dem Coronavirus an, so könne der Arbeitgeber vorbringen, er habe sich fahrlässig in Gefahr be­geben und die Entgeltfortzahlung verweigern. Das Gleiche gelte, wenn es aufgrund einer zweiten Welle zu Grenzsperren oder Quarantänemaßnahmen kommen sollte. Anders wird die Situation gesehen, wenn eine amtliche COVID-19-Maßnahme den Arbeitnehmer daran hindere, seiner Dienstverpflichtung nachzukommen. In diesem Fall bestehe ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung für die Dauer der betreffenden Dienstverhinderung. Gebe es jedoch einen Zusammenhang mit einer Auslandsreise, so werde eventuell aufgrund einer Reisewarnung davon ausgegangen, dass der Arbeitnehmer die Dienstverhinderung (grob) fahrlässig herbeigeführt habe.

Chancen vor Gericht?

Sollte es in entsprechenden Fällen zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung kommen, so stünden die Chancen wahrscheinlich sehr gut, meint der VAAÖ, wenn der Dienst­nehmer auch am Urlaubsort alle Sicherheitsmaßnahmen (z. B. Mindestabstand) eingehalten habe. In diesem Fall werde der Richter wohl entscheiden, dass die Erkrankung/Dienst­verhinderung nicht grob fahrlässig herbeigeführt worden sei und dass folglich das Entgelt für den Zeitraum des Dienstausfalls zustehe. Hierzu gebe es allerdings (noch) keine Gerichtsurteile, auf die man sich jetzt schon berufen könne, gibt der VAAÖ zu bedenken.

Was gehört in eine „Corona-Reiseapotheke“?

Im Internet kursieren aktuell viele Tipps rund um das Reisen in Corona-Zeiten. Doch Urlauber sollten sich vor allem mit den Informationen und Warnungen des Auswärtigen Amtes beschäftigen und die Websites ihres Reiseveranstalters bzw. ihrer Fluggesellschaft regelmäßig checken. Dort erfährt man, welche Hygieneregeln und Sicherheitsauflagen eingehalten werden müssen. Einreiseregelungen können sich kurzfristig ändern. Auf einer Landing-Page zum Themenkomplex „Corona“ informiert beispielsweise Lufthansa, dass ein wesentlicher Punkt ihrer neuen Regelungen die Reduktion des Handgepäcks auf ein Gepäckstück ist, obwohl die Fluggesellschaft bisher je nach Reiseklasse bis zu zwei Handgepäckstücke und eine Handtasche zugelassen hatte.

Weil schon im Flughafen und während des Fluges das Tragen einer Mund-­Nase-Bedeckung empfohlen bis verpflichtend sein kann, sollte schon im Handgepäck eine angemessene Menge vorhanden sein. Die Benutzung von Alltagsmasken erfordert die Gelegenheit, sie am Urlaubsort waschen zu können – bei mindestens 60 Grad, um anhaftende Keime abzutöten (s. DAZ 2020, Nr. 18, S. 30). Darüber hinaus sollten Desinfektionsmittel in Handgepäck und Koffer mitgeführt werden. Abgesehen von der aktuellen Corona-Krise sollte in einer Reiseapotheke alles das an Arzneimitteln und Verbandmaterialien mitgeführt werden, was auch ansonsten notwendig ist und empfohlen wird. Eine entsprechende Checkliste steht bsp. zum Download auf der ABDA-Website bereit. Geben Sie dafür auf DAZ.online in das Suchfeld den Webcode I7XA5 ein.

Situation aus Sicht von Adexa, ADA und TGL Nordrhein

Wie sieht die arbeitsrechtliche Situation nun in Deutschland aus? Die DAZ hat bei der Apothekengewerkschaft Adexa, dem ADA und der TGL Nordrhein nachgefragt und die nachfolgenden Stellungnahmen erhalten.

Christiane Eymers, Fachanwältin für Arbeitsrecht bei Adexa, schreibt: „Grundsätzlich kann der Arbeitgeber für die Freizeit keine Vorschriften machen, denn dadurch würde das Allgemeine Persönlichkeitsrecht verletzt. Das gilt sowohl für die Freizeit nach Feierabend als auch für den Urlaub. Wenn eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter erkrankt, muss die Apothekenleitung Entgeltfortzahlung leisten. Allein durch die Reise in ein Land mit Reisewarnung ist kein grobes Verschulden gegeben, mit dem die Erkrankung quasi selbst herbeigerufen wurde und das diesen Anspruch entfallen lassen könnte. Trotzdem gibt es natürlich gute Gründe, sich an diese Warnungen zu halten. So tragen die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen zum Beispiel das Risiko, rechtzeitig wieder in die Heimat zu kommen, und haben auch keinen Gehaltsanspruch für die Zeit einer schon vor Reiseantritt absehbaren Quarantäne nach der Rückkehr, sofern diese nicht mehr in den Urlaub fällt.“

Der Arbeitgeberverband Deutscher Apotheken (ADA) fasst sich kurz: „Wir bewegen uns hier auf dünnem Eis. Hat sich ein Arbeitnehmer in einem Land mit Reisewarnung, z. B. der Türkei, im Urlaub mit Corona infiziert, so wird er krankgeschrieben und damit greift die Entgeltfortzahlung. Sollte der Arbeitgeber der Meinung sein, dass die Infektion fahrlässig beziehungsweise grob fahrlässig herbeigeführt wurde, müsste er klagen. Hier gibt es bisher keine Urteile, und wenn, gehen wir davon aus, dass sie arbeitnehmerfreundlich ausfallen.“

Im Falle einer Urlaubsreise in ein Land mit Reisewarnung (Risikogebiet) ist nach Auffassung der TGL Folgendes zu beachten:

„Ein Risikogebiet ist ein Staat oder eine Region außerhalb der Bundesrepublik Deutschland, für welche zum Zeitpunkt der Einreise in die Bundesrepublik Deutschland ein erhöhtes Risiko für eine Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 besteht. Eine Liste der Risikogebiete wird durch das Robert Koch-Institut fortlaufend aktualisiert und kann auf der Homepage des Robert Koch-Instituts eingesehen werden. Auch ‚klassische‘ Urlaubsreiseziele werden gegenwärtig auf dieser Liste geführt.“

Im Falle der Wiedereinreise nach Beendigung des Urlaubs in einem solchen Risikogebiet besteht die Pflicht zur Absonderung. Personen, die auf dem Land-, See- oder Luftweg aus dem Ausland in die Bundesrepublik Deutschland einreisen und sich zu einem beliebigen Zeitpunkt innerhalb von 14 Tagen vor der Einreise in einem Risikogebiet aufgehalten haben, sind derzeit verpflichtet, sich unverzüglich nach der Einreise auf direktem Weg in ihre eigene Häuslichkeit oder eine andere geeignete Unterkunft zu begeben sowie sich für einen Zeitraum von 14 Tagen nach ihrer Einreise ständig dort aufzuhalten (sog. Absonderung).

Ist der Arbeitgeber zur Vergütung verpflichtet?

Hierzu führt die TGL weiter aus: „Eine Arbeitsaufnahme ist daher nicht möglich, sodass sich die Frage stellt, ob der Arbeitgeber gleichwohl zur Vergütung verpflichtet ist. Eine solche Vergütungspflicht könnte sich aus den Grundsätzen der Arbeitsverhinderung ergeben. Die kurzfristige unverschuldete Verhinderung an der Arbeitsleistung aus in der Person des Arbeitnehmers liegenden Gründen berechtigt den Arbeitnehmer zum Fernbleiben von der Arbeit, zugleich behält der Arbeitnehmer aber den Vergütungsanspruch.“

Wie ist die Corona-­Situation am eigenen Urlaubsziel?

Aktuelle COVID-19-Reisewarnungen des Auswärtigen Amtes sowie weitere Hinweise zum Urlaub in Corona-Zeiten finden Sie auf DAZ.online, wenn Sie im Suchfeld den Webcode Y5WE2 eingeben.

Gelten zwei Wochen Quarantäne noch als „kurzfristig“?

„Von der Beantwortung der Frage, ob die zweiwöchige Absonderung noch als kurzfristig anzusehen ist, wird gegenwärtig abgesehen“, lässt die TGL weiter wissen. „Zwar ist anerkannt, dass ein in der Person des Arbeitnehmers liegender Verhinderungsgrund vorliegt, wenn der Arbeitnehmer wegen eines behördlichen Tätigkeitsverbots nicht arbeiten kann. Allerdings fehlt es nach diesseitiger Auffassung jedenfalls an einer unverschuldeten Verhinderung, da ein Arbeitnehmer, der in ein Risikogebiet reist, sehenden Auges die Pflicht zur Absonderung und damit die Nichtaufnahme der arbeitsvertraglich geschuldeten Tätigkeit in Kauf nimmt.

Diese Rechtsauffassung lässt sich auch mit einem Umkehrschluss aus dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) begründen. Eine Entschädigung des erlittenen Verdienstausfalls ist nach § 56 Abs. 1 S. 3 IfSG nämlich ausgeschlossen, wenn der Betroffene eine Absonderung hätte vermeiden können. Durch den Nichtantritt einer (nicht zwingend gebotenen) Urlaubsreise in ein Risikogebiet, kann die Absonderung vermieden werden, so dass nach diesseitiger Auffassung ein Vergütungsanspruch für die Zeit der Absonderung nach einer Reise in ein Risikogebiet nicht besteht.“ |

 

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