Arzneimittel und Therapie

Teure Chemie

Preis von Antiepileptikum steigt um Faktor 18

mab | Ist ein Epilepsiepatient einmal gut eingestellt, nimmt jeder Arzt nur ungern Änderungen in der Medikation vor. Doch was tun, wenn das Antiepileptikum nicht mehr wie bisher 32 Euro kostet, sondern plötzlich 599 Euro? Zumindest dürfen laut des Deutschen Apotheken Portals die Krankenkassen die Apotheke bei der Abgabe des teuren Präparates nicht retaxieren.

Kaliumbromid ist sicher noch einigen Naturwissenschaftlern aus dem Anorganik-Praktikum bekannt. Weniger bekannt ist sicher, dass Kaliumbromid eines der ältesten Antilepileptika darstellt und auch heute noch bei einigen seltenen Epilepsieformen von Kindern, unter anderem als Orphan Drug in der Behandlung des Dravet-Syndroms eingesetzt wird. Patienten, die gut darauf eingestellt worden sind, waren daher sehr besorgt, als der Hersteller Dibropharm Distribution die Einstellung des Vertriebs von Dibro-Be Mono® bis Ende 2019 angekündigt hatte. Als Begründung gab die Firma neben vielen anderen Gründen an, dass die steigenden Herstellungskosten aufgrund des Preismoratoriums für Arzneimittel nicht mehr kompensiert werden könnten. Umso größer dürfte die Erleichterung der Betroffenen gewesen sein, als sie erfahren haben, dass die Firma Desitin Kaliumbromid in gleicher Packungsgröße und Stärke (850 mg, 60 Tabletten) ab 1. Januar 2020 in den Handel bringen wird.

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Eine leuchtend violette Flamme als Kalium-Nachweis hat sich so mancher Naturwissenschaftler in seinem Anorganik-Praktikum herbeitgesehnt.

32 Euro vs. 599 Euro

Die Krux an der Sache: Die neue Packung kostet mit 599 Euro beinahe um den Faktor 18 mehr als die zuvor von Dibropharm vertriebene Packung (32 Euro). Den enormen Preisanstieg begründet Desitin in einer Stellungnahme unter anderem mit den hohen Aufwendungen für Qualität und Sicherheit, den gesetzlichen Vorgaben zur Fälschungssicherheit und gestiegenen Rohstoffpreisen.

Außerdem verweist die Firma darauf, dass Kaliumbromid für ein 20 kg schweres Kind mit Tagestherapiekosten (TTT) von 11,75 Euro die günstigste Behandlungsoption des Dravet-Syndroms darstellt, im Vergleich zu den alternativ eingesetzten Arzneimitteln Cannabidiol (Epidiolex®, TTT = 57,27 Euro) und Stiripentol (Diacomit®, TTT = 16,68 Euro). Rechtlich ist diese Preissteigerung wohl auch laut GKV-Spitzenverband nicht angreifbar. Kaliumbromid unterliegt nicht der AMNOG-Regelung, da weder Patentschutz noch Unterlagenschutz für das Arzneimittel bestehen. Der Hersteller Desitin hat bei der generischen Zulassung von Kaliumbromid die in den bestehenden gesetzlichen Regelungen vorhandene Lücke genutzt und so eine erhebliche Preissteigerung möglich gemacht.

Bleibt noch die Erstattungsfrage

Doch was bedeutet das für die Abgabe in der Apotheke und die Erstattung durch die Krankenkasse? Verordnet der Arzt das neue Präparat, ist der Sachverhalt klar: die Krankenkasse bezahlt. Was aber ist, wenn der Arzt das in der Lauer-Taxe mit AV gekennzeichnete Präparat von Dibropharm auf dem Rezept vermerkt? Hier kann laut den Retax-Spezialisten des Deutschen Apotheken Portals das teurere Präparat abgegeben werden, da AV-Präparate bei der Abgaberangfolge nicht mehr berücksichtigt werden. Vorsichtig weisen die Retax-Spezialisten aber darauf hin, dass die Beurteilung der gesetzlichen Krankenkassen zu diesem Tatbestand „natürlich (wie immer) auf einem anderen Blatt“ steht. Auch regionale Arzneimittellieferverträge müssen beachtet werden.

Im Falle, dass der Arzt das Vorgängerpräparat mit Aut-idem-Kreuz verordnet, soll die Apotheke vorrangig versuchen, dieses noch zu bestellen oder Rücksprache mit dem Arzt zu halten und auf dem Rezept zu vermerken. Ist die Abgabe dringend und eine Rücksprache nicht möglich, bleibt nur als sicherer Weg, im Nachhinein das Rezept vom ausstellenden Arzt ändern zu lassen. |

Literatur

Erklärung zur Einstellung des Vertriebs von Dibro-Be mono 850 mg Tabletten, Stellung­nahme der Dibropharm GmbH Distribution, 2. Januar 2020

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