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Ab in die Sommerpause

Apothekenreform: Droht die Hängepartie zur Nullrunde zu werden?

eda | Ende dieser Woche geht es für die Bundestagsabgeordneten rund zwei Monate lang in die parlamentarische Sommerpause. Seit genau 40 Jahren ist per Geschäftsordnung vorgesehen, dass in dieser Phase keine Sitzungen stattfinden und keine Ausschüsse tagen. Durch die Corona-Pandemie ist 2020 jedoch ein besonderes Regierungsjahr und wer weiß, ob es nicht doch zu der ein oder anderen Sondersitzung kommen wird. Für die geplanten Gesetze im Apothekenbereich wird die Zeit derweil immer enger – nach der Pause wird es noch ein knappes Jahr bis zur nächsten Bundestagswahl sein. Droht den Gesetzesinitiativen am Ende das Scheitern und der Versandhandelskonflikt bleibt nach wie vor ungelöst?
Foto: imago images/Reiner Zensen

Augen zu und durch – auch Jens Spahn verabschiedet sich in die Sommerpause. Doch wer weiß, ob der „Krisen-Minister“ nicht schneller wieder auf der Bildfläche ist.

„Uns läuft die Zeit davon!“ Treffender könnte man das aktuelle Dilemma der Apotheker wohl nicht ausdrücken. Hessens Kammerpräsidentin Ursula Funke machte den Delegierten in der Kammerversammlung am vorletzten Mittwoch deutlich: Zwei für den Berufsstand äußerst wichtige Gesetz­gebungsverfahren befinden sich noch längst nicht auf der Zielgeraden. Sollten sich die Kabinettsbeschlüsse des Vor-Ort-Apotheken-Stärkungsgesetzes (VOASG) und des Patienten-Daten-Schutzgesetzes (PDSG) noch länger hinziehen oder gar scheitern, könnten die Apotheker am Ende mit leeren Händen dastehen – und das sei angesichts der Einführung von elektronischen Rezepten äußerst gefährlich. Was soll man also tun: Gesetzgebung weiterhin kritisch begleiten oder Notbremse ziehen, aussteigen und wieder eigene Forderungen stellen? Diese Frage stellten sich in den letzten Wochen nicht nur die Delegierten in Hessen – entsprechende Resolutionen aus den Kammerversammlungen in Richtung Bundesgesetzgeber sprechen Bände.

EuGH-Urteil kommt ins Vorschulalter

Foto: ABDA

Ursula Funke, Kammerpräsidentin Hessen

Denn Ursula Funke ist nicht die ein­zige Standesvertreterin, die längst realisiert hat, dass sich viele Versprechen von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) in Luft auflösen könnten, wenn jetzt noch mehr Zeit vergeht. Zum Ende dieser Woche beginnt die parlamentarische Sommerpause. Danach ist es nur noch ein knappes Jahr bis zur nächsten Bundestagswahl. Die aktuelle Legislaturperiode war durch die zähe Regierungsbildung bis vor zwei Jahren ohnehin schon deutlich verkürzt. Das Coronavirus hat dem politischen Routinegeschäft den Rest gegeben. Wobei Funke auch diesen historischen Einschnitt nicht unerwähnt lässt: Gerade die Pandemie hätte doch gezeigt, wie schnell und plötzlich Bundesgesetze und etliche Verordnungen mit weitreichenden Auswirkungen geboren werden könnten. Diese Tatsache mache es noch unfassbarer, dass der deutsche Gesetzgeber das EuGH-Urteil zur Rx-Gleichpreisigkeit von 2016 nun ins Vorschulalter kommen lässt, ohne bisher adäquat darauf reagiert zu haben.

Vorstöße hatte es ja durchaus gegeben: Spahns Vorgänger Herrmann Gröhe (CDU) präsentierte damals seinen Gesetzesentwurf, der das Rx-Versandverbot enthielt. Bekanntlich waren es nicht die politischen Widerstände, an denen die Initiative scheiterte, sondern eine wesentlich größere Macht im Parlament: die Diskontinuität – sprich das Ende der Legislaturperiode mit den Wahlen zum neuen Deutschen Bundestag 2017. Gröhe übergab somit den zu lösenden Versandhandelskonflikt an seinen Nachfolger Spahn, der erst mit einem halben Jahr Verzögerung im März 2018 in sein Amt starten konnte. Zuvor musste man sich in Berlin erst einig werden, wer mit wem besser beziehungsweise besser nicht regieren sollte.

Streichung von § 78 Abs. 1 Satz 4 AMG – das „heißeste“ Eisen

Mit dem neuen, äußerst ambitionierten Gesundheitsminister Jens Spahn hätten die Apotheker eigentlich einen Partner, mit dem sie die Arzneimittelgleichpreisigkeit im Rx-Bereich im Nu wiederhergestellt haben könnten. Doch Spahn will kein Rx-Versandverbot, sondern den Konflikt mit einem Sozialrechtskonstrukt im VOASG lösen, von dem nicht wenige Arzneimittel- und Apothekenrechtler erwarten, dass es die Schieflage im System erst recht provozieren, wenn nicht sogar für immer zementieren wird. Und diese vorgesehene Sozialrechtsregelung lässt der Minister derweil von der EU-Kommission prüfen. Maßgeblich auf Wunsch des Koalitionspartners SPD, muss man betonen. ABDA-Präsident Friedemann Schmidt appellierte vor zwei Wochen per Video-Botschaft an die Sozialdemokraten, sich dem Verfahren nicht weiter zu verschließen und im Zweifel den VOASG-Entwurf auch ohne Bewertung durch die EU-Kommission zu akzeptieren. Schon seit rund einem Jahr wartet man auf eine Antwort bezüglich der Europakonformität dieser Regelung.

Die eingangs erwähnte Dramatik ergibt sich aus dem folgenden Bild: Durch seine unzähligen anderen Gesetzesinitiativen im Bereich der Telemedizin, vor allem im Hinblick auf die Einführung der eRezepte, hat Spahn die Leistungserbringer gewissermaßen in ein großes, leeres Schwimm­becken gesetzt, in das nun allmählich Wasser läuft. Ein unaufhaltsamer Prozess, der gerade für die Vor-Ort-Apotheken die existenzielle Frage aufwirft: Werden sie sich letztendlich elegant über Wasser halten können, erhalten sie nur Schwimmflügel oder droht der Untergang?

Für einen „konstruktiv-kritischen“ Umgang mit dem Gesetzgebungsverfahren zum VOASG hat sich der Berufsstand auf dem Deutschen Apothekertag 2019 entschieden. Zur Erinnerung: Im Gesetzesentwurf befinden sich (noch) die pharmazeutischen Dienstleistungen, das Rx-Boni-Verbot als Sozialrechtsregelung, ein Verbot von Arzneimittelautomaten à la Hüffenhardt sowie ein Passus, der die Streichung von § 78 Abs. 1 Satz 4 des Arzneimittelgesetzes (AMG) vorsieht. Spahn will mit Letzterem auf das Vertragsverletzungsverfahren reagieren, das die EU-Kommission gegen die Bundesrepublik führt. Doch Rechts­experten warnen vor einer ersatzlosen Abschaffung dieses Paragrafen, da so ein weiteres EuGH-Verfahren zur deutschen Arzneimittelpreisbindung immer unwahrscheinlicher werde. Auch könnte der Anschein erweckt werden, der deutsche Gesetzgeber hätte sich mit den Rx-Boni der EU-Versender abgefunden. Damit wäre die Arzneimittelpreisbindung im verschreibungspflichtigen Segment endgültig ver­loren. Die geplante Streichung von § 78 Abs. 1 Satz 4 AMG könnte man aus Apothekersicht somit als das heißeste Eisen in Spahns aktuellen Gesetzesentwürfen ansehen.

Nordrhein will „Schranken“

Foto: AKNR/A. Müller

Dr. Armin Hoffmann, Kammerpräsident Nordrhein

Konstruktiv bis kritisch geht man als Standesvertretung derweil auch mit dem Entwurf des PDSG um, mit dem u. a. das Makelverbot für eRezepte geregelt werden soll. ABDA-Vizepräsident Mathias Arnold wies in einem Video-Podcast auf die fehlenden „Poller“ hin. Eine juristische Verklausulierung des eRezept-Makelverbots sei lediglich mit einem „Durchfahrt verboten“-Schild zu vergleichen, das nicht verhindern könnte, dass Regeln missachtet werden. Notwendig seien vielmehr technische Voraussetzungen – Arnolds „Poller“ – die ein Makeln absolut unmöglich machten.

„Poller“ kennt man auch im Rheinland, und weiß, dass sie das, was Arnold und die ABDA in Berlin zu Recht befürchten, nicht verhindern werden. Auf der Kammerversammlung Nordrhein vor zwei Wochen erklärte ein Delegierter, dass „Poller“ nur höchstens große Fahrzeuge von ihrer Einfahrt in eine Straße abhielten. Fahrräder und Fußgänger hingegen könnten immer noch ihre Wege in die „Durchfahrt verboten“-Straße finden. Mit Fahrrädern und Fußgängern meinte er die EU-Versender, Krankenkassen und Geschäftstüchtigen, die mit kreativen technischen Lösungen versuchen werden, ärztliche Verordnungen (trotz juristischem Verbot) gewinnbringend zu vermitteln. „Was wir brauchen, sind keine Poller, sondern eine Schranke, die überhaupt gar nichts durchlässt“, so der Delegierte auf Nordrheins Vollversammlung in Köln.

Im westlichsten Kammerbezirk, der direkt an den EU-Staat grenzt, in dem seit rund zwei Jahrzehnten ein offensichtlich nicht kontrollierbarer Binnen- und Versandhandel mit Arzneimitteln tobt, weiß man, wovon man spricht. Die Apothekerkammer Nordrhein hat etliche Verfahren gegen DocMorris und Co. gefochten – zum Teil erfolgreich, zum Teil mit empfindlichen Niederlagen. Kammerjustiziarin Dr. Bettina Mecking kann es nicht nachvollziehen, warum die Bundesregierung in Sachen „Versandhandelskonflikt“ seit Jahren herumdruckst und sich das VOASG immer weiter verzögert. Auf der Kammerversammlung vor zwei Wochen machte sie daher erneut deutlich: Ob Rx-Versandverbot oder Rx-Boni-Verbot – man werde sich sowieso wieder gerichtlich auseinandersetzen müssen. Daher sei die Abstimmung mit der EU-Kommission im Vorfeld nur wenig hilfreich, da ihr Votum bei einem neuen EuGH-Verfahren ohnehin rechtlich nicht verbindlich ist.

Eine dreiseitige Resolution verabschiedeten die Delegierten, adressiert an den Gesetzgeber. Unter dem Titel „Vor-Ort-Apotheken-Stärkung(s-Gesetz) – aber richtig!“ wird ausgeführt, warum die von Spahn vorgesehene Sozialrechtsregelung nicht funktionieren kann und sogar dazu führt, dass dadurch die „Ungleichbehandlung zwischen inländischen und ausländischen Arzneimittelversendern sowie zwischen GKV-Versicherten einerseits und Privatversicherten sowie Selbstzahlern andererseits gesetzlich festgeschrieben“ wird. Weiter heißt es: „Angesichts dieser Konsequenzen fordert die Apothekerkammer Nordrhein das BMG nochmal auf, den nunmehr eingeschlagenen Weg zu überdenken.“ Nordrheins Resolution könnte glatt als Mini-Gutachten durchgehen, das dem Leser aufzeigt, warum die Rx-Boni-Regelung im VOASG zum Scheitern verurteilt ist und das Rx-Versandverbot, das im Übrigen auch der Generalanwalt beim EuGH-Verfahren 2016 als Lösung des Problems vorschlug, der einzig gangbare Weg wäre.

Baden-Württemberg diskutiert über Für und Wider

Nordrheins Kammerpräsident Dr. Armin Hoffmann, der sein Amt im vergangenen September vom stets ABDA-kritischen Lutz Engelen übernommen hat, will zwei deutliche Signale in die restliche Republik senden: Zum einen sind Kammerversammlungen als Präsenzveranstaltungen in Corona-Zeiten unter strengen Hygieneauflagen möglich. Zum anderen soll die Resolution aus Nordrhein als Vorbild für andere Kammern und Verbände dienen.

In einem Schreiben, das der DAZ vorliegt, versucht er seine Amtskollegen und den Verbandsvorsitzenden in den anderen Ländern ins Gewissen zu reden: „Die monatelange Hängepartie um dieses Gesetz kann nicht länger hingenommen werden. Die Politik muss handeln. Zugleich ist die rechtliche Materie extrem komplex. Die Gefahr einer deutlichen Destabilisierung unseres hervorragend funktionierenden Apothekensystems ist immanent. Dessen Leistungsfähigkeit wurde gerade in der Corona-Krise wieder enorm unter Beweis gestellt. Für die Zukunft brauchen wir Rechtssicherheit. Die dafür beste Lösung ist das RxVV.“

Die uneinigen sieben Schwaben? DAZ-Cartoonistin Barbara Kohm deutete das Ringen um die Resolution auch als einen Konflikt zwischen Kammer und Verband im Ländle: LAV-Präsident Fritz Becker ist gleichzeitig DAV-Vorsitzender.

Ein Weckruf, der bis nach Baden-Württemberg hallte. Denn Kammerpräsident Dr. Günther Hanke ließ den Entwurf für eine ähnliche Resolution im Vorfeld der Kammerversammlung an die Delegierten verteilen. Adressat: Bundesregierung. Appell: Rx-Versandverbot.

Hanke hätte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) gerne auffordern wollen, in Anbetracht der Leistungen der Vor-Ort-Apotheken während der Corona-Krise und im Hinblick auf die prognostizierten Marktverschiebungen zugunsten der EU-Versender nach Einführung des E-Rezeptes, den Arzneimittelversandhandel „auf das europarechtlich gebotene Maß“ zurückzuführen.

Doch ganz so wie geschmiert lief es im Ländle dann doch nicht für die Resolution. Anders als in der Kammerversammlung Nordrhein einen Tag zuvor wurde das Schreiben von allen Wortmeldungen eher kritisch gesehen. Schon zu Anfang der Versammlung wurde ein entsprechender Änderungsantrag von Delegierten aus Südwürttemberg eingereicht. Sie sah vor, die Resolution nicht an Spahn, sondern an den Geschäftsführenden ABDA-Vorstand zu richten, mit der Aufforderung, die „politischen Gespräche zeitnah zu intensivieren“. Sollten so keine Fortschritte erzielt werden können, müsste das erneute Aufgreifen des Rx-Versandverbots gefordert werden.

In der Diskussion über die Resolution und den Änderungsantrag setzten sich die Delegierten intensiv mit der Frage auseinander, ob es aktuell der richtige Zeitpunkt sei, das Rx-Versandverbot zu fordern, oder ob dies im Hinblick auf die standespolitische Arbeit der ABDA und der Kommunikation gegenüber dem Minister kontraproduktiv sei. Ein hartes Ringen begann um die Resolution des Präsidenten. Vertreter des Apothekerverbandes rieten von ihr ab. Die Bereitschaft in der Bundesregierung für ein Rx-Versandverbot schätzte man aktuell als zu gering ein. Viel eher wahrscheinlich wäre, so eine Wortmeldung, dass die Gesundheitspolitiker der Koalition den Druck auf Spahn hinsichtlich der Apothekenreform erhöhen würden und das Rx-Versandverbot dann erst wieder auf die Tagesordnung brächten, wenn das Rx-Boni-Verbot im Sozialrecht scheitert.

Ohne Abstimmung wurde die Resolu­tion schließlich von Kammerpräsident Hanke wieder zurückgezogen. Sichtlich enttäuscht, aber entschlossen, weiter auf politischer Ebene und in der ABDA-Mitgliederversammlung für ein Rx-Versandverbot zu argumentieren, beendete Hanke schließlich die virtuelle Kammerversammlung, was bei einigen Delegierten noch im Nachgang zu einer gewissen Irritation führte.

Irritiert war man auch in der Berufs­öffentlichkeit, und zwar über die Vorgänge allgemein in Baden-Württemberg. Warum hatte es die Geburt dieser Resolution so schwer? Welche Interessen waren im Spiel? Unterstützen die Delegierten kein Rx-Versandverbot mehr auf Bundesebene? Nein, heißt es vor allem aus dem Lager der Südwürttemberger. Natürlich sei man für ein Rx-Versandverbot, doch müsse ein entsprechender Appell an den ABDA-Vorstand gerichtet werden und zum richtigen Zeitpunkt kommen (siehe Interview mit Pirmin Burth im Kasten).

Resolutionen in Hessen und Bayern

Ursula Funke aus Hessen ist Teil des angesprochenen, geschäftsführenden ABDA-Vorstandes und zeigt, dass man trotzdem kritisch-konstruktiv mit der obersten Standesvertretung umgehen kann. Den geplanten ABDA-Haushalt für 2020 lehnte sie auf der Kammerversammlung in der vergangenen ­Woche mal schnell ab. Zwar höre sich die Argumentation der Kosten durch die ABDA-Geschäftsführung ­immer schlüssig und nachvollziehbar an, so Funke, doch könne sie dabei nie eine Bereitschaft erkennen, über Kosteneinsparungen nachzudenken. Was passiert, stellt sie zur Diskussion, wenn die ABDA-Tochterunternehmen wirtschaftlich nicht mehr in der Lage sind, diesen Haushalt durch Ausschüttungen zu kompensieren? Eine Strukturanalyse der ABDA sei daher unbedingt notwendig.

Und dann folgt auch noch eine Reso­lution – zwar nicht adressiert an den ABDA-Vorstand, den sie ja selbst mit verkörpert, sondern an den Bundesgesetzgeber, und das Rx-Versandverbot wird nicht ganz so offensichtlich be­titelt wie in Nordrhein.

Foto: ABDA

Thomas Benkert,Kammerpräsident in Bayern

Zwei Tage später in der bayerischen Vertreterversammlung dann ein ähnlicher Vorgang. Zwar enthielt die Tischvorlage für den Resolutionsentwurf nur eine halbe Seite Text.

(Zur Erinnerung: In Nordrhein formulierten die Standesvertreter ihre Bedenken und Forderungen auf ganzen drei Seiten.) Doch auch die vier Sätze in Bayern führten zu einer langen und intensiven Diskussion darüber, wie man einen entsprechenden Text an den Bundesgesetzgeber am besten formuliert: Wirkt der Appell zu selbstbewusst oder zu lasch? Warum benennt man nicht konkret das Rx-Versand­verbot als Alternative? Was bedeutet Arzneimittelversandhandel nach „europarechtlich gebotenem Maß“?

Die Delegierten waren sich einig, man solle das Gesetzgebungsverfahren weiterhin „konstruktiv-kritisch“ begleiten, so wie es der Deutsche Apothekertag 2019 beschlossen hatte. Das bedeute, den eigenen Standpunkt klar zu kommunizieren, ohne auf Formulierungen zurückzugreifen, die den Leser abstoßen könnten. Dazu gehöre beispielsweise, ein Rx-Versandverbot zu fordern, mahnte Verbandschef Hubmann. Auch juristisch gesehen wäre es geschickt, so Kammerjustiziar Klaus Laskowski, der Politik und den Juristen in den Ministerien viele Möglichkeiten offen zu halten.

Erst wenn das VOASG so bald wie möglich in das parlamentarische Verfahren eingebracht werde, könnte auf die Regelungen von Apothekerseite nochmal Einfluss genommen werden. So zielen die bayerischen Delegierten darauf ab, dass mit dem Gesetz eine entsprechende Regelung in Kraft treten muss, die eine Rx-Gleichpreisigkeit für GKV, PKV und Selbstzahler garantiert. Wie das gelingen soll? Beispielsweise mit der Rückführung des Arzneimittelversandhandels auf das europarechtlich gebotene Maß, also ein Rx-Versandverbot. Doch Jurist Laskowski schließt auch weitere Möglichkeiten nicht aus. So könnten die Privatversicherten über ein geplantes Omnibus-Gesetz in die Preisbindung inkludiert werden. Außerdem sollte erwirkt werden, dass es nicht zur Streichung von § 78 Abs. 1 Satz 4 AMG kommt, in dem die Rx-Preisbindung für die EU-Versender vorgegeben ist. Einstimmig wurde schließlich die Resolution verabschiedet. Kammer­präsident Thomas Benkert hatte diese einleitend als „klares Votum nach Berlin“ benannt und der Appell sei – typisch bayerisch – „kurz, knapp und deutlich“.

Die Resolutionen im Wortlaut

Geben Sie auf DAZ.online die folgenden Webcodes ein und gelangen Sie direkt auf die entsprechenden Resolutionstexte:

  • Nordrhein – Webcode P8GL8
  • Hessen – Webcode Q3NV9
  • Bayern – Webcode P9NF9

PDSG kurz vor der Sommerpause im Bundestag – ohne „Poller“

Die zweite und dritte Beratung des PDSG im Bundestagsplenum soll nun unmittelbar vor der parlamentarischen Sommerpause am Freitagvormittag stattfinden. Im PDSG-Entwurf befinden sich mittlerweile die Regelungen zur freien Apothekenwahl, die einst im VOASG geplant waren. Es geht um das im Sozialgesetzbuch V verankerte und an Krankenkassen und Vertragsärzte adressierte Beeinflussungs- und Zuweisungsverbot und das im Apothekengesetz geregelte Zuweisungs- und Makelverbot. Ausdrücklich dürfen nach letzterer Regelung auch an der Patientenversorgung nicht beteiligte Dritte nicht an der Verteilung von Rezepten im eigenen kommerziellen Interesse partizipieren. Beide Regelungen bilden gewissermaßen das juristische Fundament für das Makelverbot von eRezepten.

Nun liegt ein neuer Änderungsantrag vor, der § 11 Apothekengesetz betrifft: Die ABDA hatte sich in ihrer Stellungnahme zum PDSG-Entwurf gewünscht, dass schon das Werben für die genannten nicht erlaubten Rechtsgeschäfte unterbunden werden sollten. Diese Idee ­haben die Parlamentarier allerdings bisher nicht aufgegriffen.

Auch eine weitere, wichtige Anregung der ABDA bleibt im jüngsten Schwung Änderungsanträge unberücksichtigt: Die technische Regel bzw. Voraussetzung, die ein Makeln von eRezepten unmöglich machen soll.

ABDA-Vize Arnold bezeichnete diese als „Poller“. Die Delegierten in Nordrhein würden sich vielmehr eine „Schranke“ wünschen.

„Ab in die Sommerpause“ heißt es nun für die mehr als 700 Abgeordneten des Bundestages. Zwei weitere Monate drohen ins Land zu ziehen, ohne dass auf den Versandhandelskonflikt gesetzgeberisch reagiert wird.

Zur Ungeduld mischen sich im Berufsstand längst Zukunftsängste. Bleibt zu hoffen, dass sich die Apotheker in Spahns „Schwimmbecken“ dennoch über Wasser halten werden. |

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