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Quo vadis GERDA?

eRezept-Modellprojekt im Standby-Modus: Wann und mit wem geht es weiter?

eda | Es galt als Prestigeprojekt noch bevor sich die erste Apotheke überhaupt anmelden konnte. Der „Geschützte eRezept-Dienst der Apotheker“, kurz GERDA, sollte an das Fernbehandlungsmodellprojekt der Kassenärztlichen Vereinigung in Baden-Württemberg andocken und dafür sorgen, dass Verordnungen in Form von eRezepten in den Vor-Ort-Apotheken empfangen, bearbeitet und beliefert werden können. Doch GERDA ist mittlerweile und sehr ­leise von der Bildfläche verschwunden. Vorübergehend, muss man betonen, denn Apothekerkammer und -verband in Baden-Württemberg ­suchen nach einem neuen Dienstleister. Über den aktuellen Stand sprachen wir mit Kammergeschäftsführer Dr. Karsten Diers.
Foto: LAK BW

„Mit GERDA können wir deutlich ­zeigen, wie fortschrittlich die Apotheken mittlerweile sind“ – LAK-­Geschäftsführer Dr. Karsten Diers

Ursprünglich sollte es nur GERD heißen, dann wurde eine GERDA draus: Der „Geschützte eRezept-Dienst der Apotheker“ sollte von Anfang an ausdrücklich ein Projekt auf Initiative des Berufsstandes sein und die Vor-Ort-Apotheken an das seit 2018 laufende Fernbehandlungsmodellprojekt der ­baden-württembergischen Ärzte anschließen. Diese bieten Online-Sprechstunden über das Portal „docdirekt“ an. Für die baden-württembergische Standesvertretung der Apotheker, also Kammer und Verband, stand von Anfang an fest: Wenn die Telemediziner elektronische Verordnungen ausstellen wollten, dann sollen Leistungserbringer und Patienten gleichermaßen auf ein diskriminierungsfreies System zugreifen können. Der „Super-GAU“ wäre gewesen, so Kammergeschäftsführer Dr. Karsten Diers auf einer Informationsveranstaltung im vergangenen Herbst, wenn sich eRezeptplattformen durchgesetzt hätten, von denen die Apotheken die Verordnungen für die Patienten kostenpflichtig herunterladen hätten müssen. „Dann hätten wir ab nächstes Jahr einen Wettbewerb um Download-Preise.“

41 Apotheken waren zuletzt am Modellprojekt beteiligt

Den GERDA-Fachdienst und die technische Infrastruktur baute Christian Krüger mit seinem Team von der Netzgesellschaft Deutscher Apotheker ­(NGDA). Anfang November 2019 gab es dann den offiziellen Startschuss auf einer Landespressekonferenz mit Sozialminister Manne Lucha (Grüne), der das Projekt mit einer Million Euro bezuschusst hatte. Rund zehn Apotheken in der Modellregion Stuttgart/Tuttlingen waren unmittelbar in der Lage, die elektronischen GERDA-Rezepte zu verarbeiten. Folgen sollten weitere 36 Betriebsstätten – insgesamt gibt es fast 190 Apotheken in Stuttgart und Tuttlingen. Zuletzt hatten 41 Apotheken an GERDA teilgenommen und rund 40 Ärzte bieten im Bundesland Online-Sprechstunden an.

Wie sich das Projekt von November bis in den April 2020 hinein entwickelte, dazu äußerten sich die beteiligten Institutionen immer nur sehr vage. Dem Vernehmen nach sollen im Rahmen von telemedizinischen Kontakten im Rahmen von Pilotprojekten naturgemäß weniger Rezepte ausgestellt werden als in der Regelversorgung.

April 2020: Teleclinic steigt aus

Die technische Infrastruktur sowie die Kommunikationsplattform beim Telemedizin-Modellprojekt der Ärzte wurden vom Start-up Teleclinic entworfen. Bereits 2017 startete Teleclinic gemeinsam mit apotheken.de, dem Apotheken-Dienstleister des Deutschen Apotheker Verlags, ein erstes Projekt im PKV-Bereich.

Doch nachdem im April 2020 der Vertrag zwischen der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg (KVBW) und Teleclinic ausgelaufen war, entfiel die Möglichkeit, dass die Ärzte E-Rezepte ausstellen und ihren Patienten übermitteln. Seither läuft die telemedizinische Behandlung mit einem neuen Partner namens Minxli weiter – allerdings kann dieser keine eRezepte generieren. Dieser Aspekt habe bei der Ausschreibung durch die KVBW keine Rolle ­gespielt, erklärt ein Sprecher des Apothekerverbandes. Landesapothekerverband und -kammer seien nun auf der Suche nach einem Technologiepartner, der die Ärzte wieder in die Lage versetzt, ­eRezepte auszustellen und auf dem GERDA-Server ab­zulegen. Aktuell würden fern­behandelte Patienten, sofern sie ein Rezept benötigten, an die Hausarzt- oder Notfallpraxen verwiesen, eventuell würden auch Rezepte per Post verschickt (s. AZ 2020, Nr. 26, S. 2).

Wir sprachen erneut mit Kammergeschäftsführer Dr. Karsten Diers über GERDA und die Zukunft des Modellprojektes.

DAZ: Herr Dr. Diers, blicken wir zunächst einmal auf die positiven Aspekte des Modellprojektes. Was konnten wir Apotheker aus GERDA bisher lernen?

Diers: Die Pilotphase zeigt, dass alle Schnittstellen und Anbindungen von GERDA problemlos funktionieren. Die ausgestellten eRezepte wurden erfolgreich und sicher über den GERDA-Rezeptspeicher vom Arzt über den Patienten zur Apotheke und weiter bis zur Abrechnung übermittelt. Die Patienten haben weiterhin die freie Arzt- und Apothekenwahl. GERDA wird von den Patienten und den örtlichen Apotheken gut angenommen. Die Apotheken wurden durch die Softwarehäuser schnell und einfach an GERDA angebunden und konnten danach ein eRezept empfangen. Für die Bearbeitung und Abrechnung des eRezeptes haben wir uns an dem Vorgang des Papier­rezeptes orientiert.

DAZ: Welche Rückmeldungen von Apotheker- oder Patientenseite sind Ihnen aus den letzten Monaten vor allem im Gedächtnis geblieben?

Diers: Durch die Apotheken haben wir einige Rückmeldungen erhalten, die uns geholfen haben, GERDA zu optimieren. Das hat uns gezeigt, wie wichtig die Pilotphase ist. Grundsätzlich haben wir viele Gespräche mit Apotheken geführt, die es wichtig ­finden, dass die baden-württembergischen Apotheken mit solch einem Projekt vorweggehen und sich freuen, Teil von GERDA zu sein und die Anwendung zu testen. Für die technik­affinen Patienten, die nach einer ­telemedizinischen Behandlung ein eRezept erhalten, ist es positiv, die komplette Behandlung mit Rezeptausstellung digital in Anspruch zu nehmen. Viele ­Patienten sind auch überrascht, dass die Apotheke im Ort ein eRezept empfangen kann, so dass wir mit GERDA deutlich zeigen können, wie fortschrittlich die Apotheken mittlerweile sind.

DAZ: Nun lief im April der Vertrag zwischen der KVBW und dem IT-Dienstleister Teleclinic aus. Das war absehbar. Hatte man keinen Plan in der Schublade für danach?

Diers: Natürlich waren wir lange und oft in Gesprächen mit der KVBW, um GERDA mit einem neuen technischen Dienstleister fortzuführen. Nachdem absehbar war, dass wir GERDA in Kooperation mit der KVBW leider nicht mehr anbieten können, haben wir nach Alternativen gesucht, die sich ­jedoch durch die Corona-Krise ver­zögert haben. Momentan wird ein ­Erfolg versprechender Ansatz im Zusammenhang mit der DAV-Web-App weiterverfolgt.

DAZ: Was heißt das konkret?

Diers: Da wir uns aktuell noch in den Gesprächen befinden, möchten wir hierzu keine näheren Informationen veröffentlichen.

DAZ: Wie bewerten Sie allgemein das Konstrukt bei Modellprojekten, bestehend aus der Selbstverwaltung und privatwirtschaftlichen Unternehmen?

Diers: Grundsätzlich sind Modellprojekte sinnvoll, um neue fortschrittliche Ansätze zu testen. Wir halten es für normal, dass für technische Umsetzungen privatwirtschaftliche Dienstleister beauftragt werden.

DAZ: Warum ist es den ärztlichen oder apothekerlichen Standesorganisationen nicht selbst möglich, die bisherige Aufgabe von Teleclinic zu übernehmen?

Diers: Hier handelt es sich um interne Informationen, die wir an dieser Stelle nicht veröffentlichen können.

DAZ: Herr Dr. Diers, vielen Dank für das Gespräch. |

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