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Keine bessere Waffe

Foto: DAZ/Kahrmann

Dr. Doris Uhl, Chefredakteurin der DAZ

Die Suche nach wirksamen Impfstoffen ­gegen SARS-CoV-2 und therapeutischen Strategien im Kampf gegen COVID-19 ist geprägt von großen Hoffnungen und immer wieder von herben Rückschlägen. Eine scharfe Waffe gegen diese neue ­Infektionskrankheit wurde trotz aller ­Anstrengungen noch nicht gefunden.

So bleibt nur, uns auf nichtmedikamentöse Interventionen wie Abstand halten, Desinfektion, Maske tragen und die schnelle Isolierung von Infizierten und ­deren Kontaktpersonen zu konzentrieren. Das ist mühsam und verlangt von jedem Einzelnen viel ab, aber es sind momentan die einzigen wirklich wirksamen Waffen, die wir im Kampf gegen SARS-CoV-2 und potenzielle neue Verwandte dieser Viren haben.

Das belegen eindrucksvoll Simulationen von Mathematikern um Seth Flexman vom Imperial College London, nachzulesen in einer am 8. Juni 2020 online auf www.nature.com veröffentlichten Publikation mit dem Titel „Estimating the effects of non-pharmaceutical interventions on COVID-19 in Europe“. Danach sollen alleine in Deutschland bis zum 4. Mai 2020 durch den Lockdown über eine halbe Million Menschen vor dem Tod durch das neue Virus bewahrt worden sein, europaweit über drei Millionen. Auch wenn über die Höhe der Zahlen diskutiert wird, weil bei den Berechnungen von einem durch keine Gegenmaßnahmen eingeschränkten Infektionsgeschehen ausgegangen worden ist, zeigen die Ergebnisse doch, dass die Interventionen den Pandemieverlauf verlangsamt haben und Länder mit einem späteren Lockdown dies mit einer höheren Zahl von Infektionen und Todesfällen bezahlt haben.

Nichtmedikamentöse Interventionen wirken also. Ergänzt werden sollen sie nun endlich durch die von vielen sehnsüchtig erwartete App (s. S. 27). Sie soll die Nachverfolgung von Personen, die mit Infizierten in Kontakt gekommen sind, revolutionieren. Doch die politisch auferlegten Hürden vor allem in Sachen Datensicherheit waren hoch: keine zentrale Speicherung der Daten, kein Zugriff durch übergeordnete Institutionen und Behörden wie das Robert Koch-Institut, keine Aufzeichnung von Bewegungsprofilen, keine Personalisierung von Daten, absolute Freiwilligkeit für die Nutzung und so weiter und so fort. Die an eine Quadratur des Kreises grenzenden Anforderungen scheinen nun ­weitestgehend erfüllt zu sein. Jetzt stellt sich die Frage, ob mit diesem zurechtgestutzten digitalen Werkzeug tatsächlich eine schnellere und effektivere Eindämmung des Infektionsgeschehens möglich sein wird.

Fakt ist, dass die Gesundheitsämter sich nicht darauf verlassen können und weiterhin auf altbewährte Techniken zur Kontaktnachverfolgung setzen müssen, wenn sie von neuen Infektionsfällen erfahren. Denn selbst wenn sich jemand bereitwillig die App aufs Handy lädt, liegt es an ihm, im Infektionsfall seine Daten mit den anonymen Kontaktpersonen zu teilen. Die Gesundheitsämter haben keinen Zugriff, ebenso wenig auf die per App ermittelten Kontaktpersonen. Welche Konsequenzen diese wiederum aus der eventuell erhaltenen Benachrichtigung ziehen, liegt ebenfalls in deren Ermessen. Verantwortungsvoll wäre es, dass sie sich in Selbstquarantäne begeben und testen lassen. Doch zwingen kann sie niemand.

Die App ist also ein eindringlicher Appell an jeden einzelnen von uns, Verantwortung vor allem für die besonders Gefährdeten zu übernehmen. Je mehr freiwillig mitmachen, umso besser wird die App die bewährten Maßnahmen ergänzen können. Denn auch wenn die Infektionszahlen zurzeit niedrig sind, sie werden es nur bleiben, wenn wir mit großer Disziplin alle nichtmedikamentösen Möglichkeiten nutzen. Dazu zählt jetzt auch die neue App. Eine bessere Waffe gegen COVID-19 haben wir einfach (noch) nicht.

Dr. Doris Uhl

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