Aus den Ländern

Krank ohne Versicherung?

Wie erhalten Menschen Arzneimittel, die keine Krankenversicherung haben?

Etwa 0,1 Prozent der deutschen Staatsangehörigen sind nicht krankenversichert. Auch für EU-Bürgerinnen und -Bürger in Deutschland ist die Absicherung im Falle einer Krankheit nicht immer gewährleistet. Haben sie keine angemeldete Arbeit oder eine Krankenversicherung aus dem Heimatland, können sie nur unter bestimmten Auflagen der gesetzlichen Krankenkasse in Deutschland beitreten.
Foto: Medinetz Leipzig e. V.

Bundesweit leben etwa 180.000 bis 520.000 Personen ohne Aufenthaltstitel. Ihnen bleibt faktisch der Zugang zu sicherer Gesundheitsversorgung verschlossen. Dass das in Zukunft nicht mehr so ist, dafür setzt sich u. a. Medinetz Leipzig e. V. ein.

Für Menschen ohne legalen Aufenthaltsstatus gibt es keine Möglichkeit, in Deutschland versichert zu werden. Laut Schätzungen leben bundesweit etwa 180.000 bis 520.000 Personen ohne Aufenthaltstitel. Theoretisch ­haben sie die Möglichkeit, eingeschränkte Gesundheitsleistungen in Anspruch zu nehmen. Diese Leistungen müssen beim Sozialamt beantragt werden, welches als öffentliche Stelle eine Meldepflicht gegenüber der Ausländerbehörde hat (§ 87 Aufenthaltsgesetz). Eine solche Meldung bedeutet für die betroffenen Personen oft eine Abschiebung. Das führt dazu, dass Menschen aus Angst nötige Behandlungen ver­zögern oder vermeiden, was zu Verschlimmerungen und Chronifizierungen bereits bestehender Erkrankungen führen kann. Faktisch bleibt der Zugang zu sicherer Gesundheitsversorgung also verschlossen.

Ehrenamt und Spendengelder

Aus diesem Grund haben sich deutschlandweit in 39 Städten Initiativen zur Unterstützung von Menschen ohne Krankenversicherung organisiert. In Leipzig ist dies seit über zehn Jahren der Medinetz Leipzig e. V. Es werden medizinische Sprechstunden durch ehrenamtliche Mitarbeitende angeboten und die Patientinnen und Patienten an ehrenamtliche Ärztinnen und Ärzte vermittelt. Weitere Kosten, wie für Arzneimittel und Laboruntersuchungen, werden über Spendengelder finanziert. Neben ehrenamtlichen Strukturen gibt es einige öffentlich geförderten Vereine. Ein Beispiel, das sich bereits seit 2017 bewährt, ist der AKST (Anonymer Krankenschein Thüringen). Dieser wird vom Land finanziert und ermöglicht Menschen Behandlungen, ohne dass diese eine Abschiebung befürchten müssen. Auch Apotheken sind in das System eingebunden. So erhalten Klienten des AKST ein spezielles Rezept, auf welches von den behandelnden Praxen Medikamente verschrieben werden. Die Apotheke schickt dann zur Abrechnung den Durchdruck des Rezepts an den AKST. So müssen die Patientinnen und Patienten beim Kauf von Medikamenten nicht in Vorkasse gehen und Apotheken haben eine Kostenübernahmegarantie.

Auch in Leipzig wurde 2019 der Verein CABL e. V. (Clearingstelle und anonymer Behandlungsschein Leipzig) gegründet, welcher vorerst für zwei Jahre eine Finanzierung durch die Stadt erhält. Neben der Kostenübernahme von Behandlungen und Arzneimitteln bietet der Verein eine Clearingberatung an, um gemeinsam mit Klienten einen Weg zurück in die medizinische Regelversorgung zu suchen.

Gesundheitliche Versorgung – ein Menschenrecht

Solche öffentlich geförderten Projekte sind momentan nur auf einige Städte und Bundesländer begrenzt. Die deutschen MediNetze und MediBüros forderten zuletzt in einem offenen Brief an Gesundheitsminister Jens Spahn eine dauerhafte, sichere und bundesweite Lösung, die nicht vom ehrenamtlichen Engagement und Spendengeldern abhängig ist. Dabei berufen sie sich auf die allgemeine Erklärung der Menschenrechte von 1948, in welcher das Recht auf gesundheitliche Versorgung verankert ist. So fordern sie die Aufnahme aller Menschen unabhängig ihres Aufenthaltsstatus in das Regelsystem der gesetzlichen Krankenkassen, sowie die Abschaffung des § 87 des Aufenthaltsgesetzes, welches die behördliche Weitergabe von Daten an die Ausländerbehörde regelt. |

Medinetz Leipzig e. V.

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