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Recht
Amtlich inspiziert
Apothekenüberwachung ist Patientenschutz
Gefühlt nehmen teils dramatische Meldungen rund um Apotheken zu. Die Gründe variieren: Sie müssen schließen, weil sie die gestiegenen Anforderungen an die Räumlichkeiten durch Inkrafttreten der Apothekenbetriebsordnung 2012 nicht mehr erfüllen, weil gesundheitlich bedenkliche Nahrungsergänzungsmittel verkauft wurden oder Menschen durch toxisch verunreinigte Glucose-Mischungen zu Schaden kamen. Große Wellen schlugen die Berichte über einen Bottroper Apotheker, der wegen der Fälschung Tausender Zytostatika-Rezepturen zu einer Gefängnisstrafe und lebenslangem Berufsverbot verurteilt wurde.
Grundsätzlich ist das Vertrauen der Bundesbürger in den apothekerlichen Berufsstand laut Umfragen hoch. Doch jede negative Meldung kratzt am guten Ruf der Apotheken. Denn ihnen obliegt es, die ordnungsgemäße Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln sicherzustellen – eine ganz besondere Aufgabe. Insoweit ist es nicht nur nachvollziehbar, sondern unverzichtbar, dass sie einer staatlichen Überwachung unterliegen.
Überwachung ist Ländersache
Die gesetzliche Grundlage bilden die §§ 64 ff. Arzneimittelgesetz (AMG). Danach unterliegen Apotheken der Überwachung durch die zuständige Behörde. Sie muss sich insbesondere davon überzeugen, dass die Vorschriften über Arzneimittel und Wirkstoffe, die Werbung für Heilmittel sowie die Vorschriften über das Apothekenwesen beachtet werden – insbesondere durch Inspektionen vor Ort.
Während die Überwachung bundesgesetzlich vorgeschrieben ist, sind für die Umsetzung der Überwachung die einzelnen Bundesländer zuständig. Je nach Verwaltungsstruktur des Bundeslandes liegt die Zuständigkeit überwiegend bei den Regierungspräsidien, Landesgesundheitsämtern oder (kreisfreien) Städten bzw. (Land-)Kreisen. In Niedersachsen, dem Saarland und Sachsen-Anhalt wurde die Apothekenüberwachung dagegen ganz oder teilweise den Apothekerkammern übertragen. Dort eröffnet das jeweilige Kammergesetz der Landesregierung die Möglichkeit, staatliche Aufgaben des Gesundheits- oder Veterinärwesens zur Erfüllung nach Weisung auf die Kammern zu übertragen.
In Niedersachsen wird die Übernahme dieser staatlichen Aufgabe als Gewinn gesehen. Das Aufgabenfeld habe sich erweitert und dadurch auch die Kompetenz der Kammer. Man sei fachlich breiter aufgestellt, was auch von den Apothekern positiv bewertet werde. Die Akzeptanz von Inspektionen fragt die Kammer anhand anonymisierter Evaluierungsbögen ab – zur Besichtigungsdauer, dem Auftreten der Besichtigungskommission, der Besichtigungsatmosphäre, zur Nachvollziehbarkeit der Anregungen und zur Verständlichkeit der Niederschrift. Viele Apothekenleiter nutzen diese Möglichkeit: Im vergangenen Jahr gab es laut Kammer einen Rücklauf der Evaluierungsbögen von rund 60%, davon mehr als 90% positive Rückmeldungen.
Einen Überblick über die für den Vollzug des Arzneimittelgesetzes zuständigen Stellen gibt das Bundesgesundheitsministerium auf seiner Internetseite. Geben Sie auf DAZ.online den Webcode B3ZA4 in das Suchfeld ein und gelangen Sie direkt zur Liste.
Inspektion durch Amtsapotheker und Pharmazieräte
Die Überwachung der Apotheken erfolgt insbesondere durch Besichtigungen vor Ort. Dabei müssen die in den zuständigen Behörden mit der Überwachung beauftragten Personen diese Tätigkeit laut Arzneimittelgesetz hauptberuflich ausüben. Es können aber auch Sachverständige mit der Überwachung beauftragt werden, wenn es sich nicht um Krankenhausapotheken oder Apotheken mit Herstellungserlaubnis nach § 13 AMG handelt. Nach der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Durchführung des Arzneimittelgesetzes (AMGVwV) muss die jeweils mit der Überwachung von Apotheken beauftragte Person die erforderliche Sachkenntnis besitzen, wobei diese Voraussetzung insbesondere approbierte Apotheker erfüllen. Die Überwachungsbehörden beschäftigen daher in der Regel einige hauptberufliche Amtsapotheker und berufen darüber hinaus ehrenamtliche Pharmazieräte.
Bemühen um einheitliche Vorgehensweise …
Damit Inspektionen nicht je nach Bundesland und abhängig vom Inspekteur völlig unterschiedlich ablaufen, bedarf es einer gewissen Abstimmung unter den Behörden und unter den Inspekteuren. Auf Ebene der Behörden ist hier die Arbeitsgruppe Arzneimittel-, Apotheken-, Transfusions- und Betäubungsmittelwesen (AG AATB) aktiv. In ihr sind die Referatsleiter der 16 Landesgesundheitsbehörden vertreten. Die Arbeitsgruppe berät länderübergreifend Fragen zu den in ihrer Bezeichnung benannten Rechtsbereichen. So erarbeitete die Arbeitsgruppe etwa nach der Neufassung der Apothekenbetriebsordnung im Jahr 2012 ein Frage-Antwort-Papier, das als Grundlage für die Apothekenüberwachung durch die Länder Berücksichtigung finden sollte.
Auf Initiative der Arbeitsgruppe gibt es nach Angaben des Hessischen Ministeriums für Soziales und Integration, das den Vorsitz der Arbeitsgruppe innehat, seit 2019 eine Fachgruppe von Inspektoren aus den Bundesländern, die sich regelmäßig trifft. Um die Einheitlichkeit des Arzneimittelvollzugs insgesamt zu fördern, organisiert laut des Ministerium jedes Jahr ein Bundesland eine einwöchige Fortbildungsveranstaltung, die Jahresarbeitstagung der pharmazeutischen Überwachungsbeamten. Im Sinne eines Erfahrungsaustausches sollen dabei die neuesten Entwicklungen diskutiert werden. Der Austausch findet aber nicht nur zwischen den Überwachungsbeamten statt.
… auch durch steten Austausch
Die Amtsapotheker und Pharmazieräte der Bundesländer sind in der Arbeitsgemeinschaft der Pharmazieräte Deutschlands (APD) zusammengeschlossen. Ziel der APD ist es ebenfalls, die Überwachung des Arzneimittelverkehrs, des Apothekengesetzes und der daraus abzuleitenden Verordnungen in Deutschland einheitlich durchzuführen. Mindestens einmal pro Jahr treffen sich die Mitglieder der APD, um sich mit grundsätzlichen Fragen der Apothekenüberwachung und deren Qualitätssicherung sowie der Auslegung und Interpretation von Gesetzen und Verordnungen im Apotheken- und Arzneimittelbereich zu befassen. Als Ergebnis dieses Diskurses werden Empfehlungen zur Überwachung öffentlicher Apotheken entworfen und in Resolutionen verbrieft, die als Sachverständigengutachten und als Diskussionsgrundlage für die Weiterentwicklung der bestehenden Vorschriften dienen.
Letztlich tauschen sich nicht nur die Überwachungsbeamten und die Pharmazieräte jeweils untereinander aus – man arbeite insgesamt eng zusammen, berichtet der APD-Vorsitzende Christian Bauer. So sei die bzw. der jeweilige Vorsitzende der AG AATB immer mit einem Referat auf der APD-Tagung vertreten. Auch andere Mitglieder der Arbeitsgruppe seien oft auf APD-Tagungen anwesend. Der Austausch sei stets wechselseitig.
Routinemäßige Inspektionen mit Ankündigung
Hauptaspekt der Apothekenüberwachung ist die Besichtigung vor Ort. Sie dient der Überprüfung aller Voraussetzungen, die für den Apothekenbetrieb vorliegen müssen – also den formellen, personellen, räumlichen, einrichtungsbezogenen und organisatorischen. Die Inspekteure sollen laut Arzneimittelgesetz in angemessenen Zeitabständen und in angemessenem Umfang Inspektionen vornehmen. Starre Zeitabstände gibt das Gesetz nicht vor – nur für Apotheken, die Arzneimittel zur parenteralen Anwendung herstellen, gilt die Vorgabe, dass sie in der Regel alle zwei Jahre zu überprüfen sind.
Inspektionen können je nach Fragestellung angekündigt oder unangekündigt erfolgen. Das Gesetz sieht als Regelfall die vorherige Anmeldung an, denn unangemeldete Inspektionen sollen danach nur erforderlichenfalls durchgeführt werden. Unangemeldete Inspektionen sieht das Gesetz insbesondere bei Verdacht von Arzneimittelfälschungen oder Hinweisen auf schwerwiegende Mängel von Arzneimitteln vor sowie in angemessenen Zeitabständen in Apotheken, die Arzneimittel zur parenteralen Anwendung herstellen.
Weitreichende Befugnisse für Inspekteure
Die Befugnisse der mit der Überwachung beauftragten Personen sind weitreichend. So ist es ihnen nach dem Arzneimittelgesetz unter anderem erlaubt, Geschäfts- und Betriebsräume und bei dringender Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung auch Wohnräume zu den üblichen Geschäftszeiten zu betreten sowie Bildaufnahmen zur Dokumentation zu machen. Darüber hinaus dürfen sie Unterlagen einsehen und Kopien sowie erforderliche Auskünfte verlangen.
Die zuständige Behörde muss nach dem Gesetz außerdem Arzneimittelproben amtlich untersuchen lassen. Soweit erforderlich sind die Inspekteure daher befugt, gegen Empfangsbescheinigung Proben nach ihrer Auswahl zu fordern oder zu entnehmen. Ein Teil der Probe oder ein zweites Stück der gleichen Art ist zurückzulassen, soweit nicht ausdrücklich darauf verzichtet wird. Zurückzulassende Proben müssen amtlich verschlossen oder versiegelt werden und sind mit dem Datum der Probenahme und dem Datum des Tages zu versehen, nach dessen Ablauf der Verschluss oder die Versiegelung als aufgehoben gelten.
Duldungs- und Mitwirkungspflicht
Die Apothekenleitung bzw. ihr Vertreter ist verpflichtet, die gesetzlich vorgeschriebenen Maßnahmen zu dulden und die in der Überwachung tätigen Personen bei der Erfüllung ihrer Aufgaben zu unterstützen. Insbesondere müssen auf Verlangen Räume und Behältnisse geöffnet, Auskünfte erteilt und die Entnahme von Proben ermöglicht werden. Ein Auskunftsverweigerungsrecht besteht nur auf solche Fragen, deren Beantwortung den Auskunftspflichtigen selbst oder einen in § 383 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 der Zivilprozessordnung bezeichneten Angehörigen (insbesondere Verlobte, Ehegatten, Lebenspartner und in gerader Linie verwandt oder verschwägert) der Gefahr strafrechtlicher Verfolgung oder eines Verfahrens nach dem Ordnungswidrigkeitengesetz aussetzen würde.
Schriftlicher Bescheid mit Rechtsbehelf
Über die Inspektion wird eine Niederschrift mit den wesentlichen Feststellungen angefertigt. Nach Auswertung der Niederschrift erhält der Apothekenleiter von der Behörde einen Bescheid mit dem Ergebnis der Inspektion. Gegebenenfalls enthält dieser die Aufforderung, eventuelle Mängel und Beanstandungen innerhalb einer gewissen Frist abzustellen. Das Arzneimittelgesetz spricht in diesem Fall von der Festlegung wirksamer Folgemaßnahmen. Die Behörden haben insoweit die zur Beseitigung festgestellter Verstöße und die zur Verhütung künftiger Verstöße notwendigen Anordnungen zu treffen. Dies kann als letztes Mittel auch die vorübergehende oder endgültige Anordnung der Schließung sein, wenn dies aus Sicht der mit der Überwachung beauftragten Person zur Verhütung dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung geboten ist. Gegen belastende Ergebnisse kann gerichtlich vorgegangen werden.
Informationsfluss in alle Richtungen
Über Gerichtsentscheidungen und behördliche Maßnahmen, die für die Überwachung des Arzneimittelverkehrs, der Heilmittelwerbung und des Apothekenwesens von Bedeutung sind, sowie bei (möglichen) Zuwiderhandlungen gegen die Vorschriften des Arzneimittelgesetzes unterrichten sich alle zuständigen Behörden des Bundes und der Länder. Sie stimmen sich auch im Hinblick auf die Information der Öffentlichkeit ab. Sofern sich also bei der Überwachung der Verdacht einer Straftat ergibt, wird die Staatsanwaltschaft informiert. Im Gegenzug informieren die Strafbehörden die Überwachungsbehörden, wenn sie Informationen erhalten – wie beispielsweise im Zyto-Fall von Bottrop: Dort führte die Strafanzeige durch einen Mitarbeiter der Apotheke dazu, dass der Apothekeninhaber gestoppt und sein Vorgehen aufgeklärt werden konnte. Dieses Beispiel zeigt, dass der Behördenaustausch sinnvoll und wichtig ist – ganz im Sinne einer funktionierenden und hochwertigen Arzneimittelversorgung. |
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