Arzneimittel und Therapie

Mit Placebos zur Potenz

Phosphodiesterase-5-Inhibitoren zeigen bei bestimmten Patientengruppen keinen Vorteil

Einer erektilen Dysfunktion ­können verschiedene Ursachen zu­grunde liegen. Dementsprechend sollte auch die Therapie patientenindividuell erfolgen. Eine aktuelle Analyse verdeutlicht, dass trotz großer Fortschritte in der Behandlung von Potenzstörungen bei bestimmten Pa­tientengruppen nach wie vor Optimierungsbedarf bei der Therapie sexueller Funktionsstörungen besteht.

Phosphodiesterase 5 (PDE-5)-Hemmstoffe wurden ursprünglich zur Behandlung der Angina pectoris ent­wickelt. Schon in frühen Phasen der ersten klinischen Studien erwiesen sich die auftretenden Neben­wirkungen als durchaus erwünscht, bis hin zu ­anekdotenhaften Berichten über Probanden, die Restmengen ihrer Prüfmedikation nicht so recht zurückgeben wollten. Das Resultat ging in die Pharmaziegeschichte ein. Sie stellt ein Paradebeispiel des „Serendipitäts-Prinzips“ in der Wissenschaft dar, ­wonach sich ein zufälliger, nebensäch­licher Fund als überragende Entdeckung erweist, obwohl man eigentlich auf der Suche nach etwas völlig ­anderem war.

Foto: Elnur – stock.adobe.com

Sildenafil und nachfolgende PDE-5-Hemmer verstärken die Relaxation der glatten Muskulatur im Corpus ­cavernosum und wirken somit peripher auf die Erektion. In der Tat ­haben schätzungsweise 80% der ­erektilen Dysfunktionen ihren Ursprung in der Peripherie. Das begründet die hohe Erfolgsrate der PDE-5-­Hemmstoffe.

Wahrscheinlich spielen psychogene Faktoren in vielen Fällen eine ebenso wichtige Rolle, sodass auch die Rolle des Placebo-Effekts nicht zu unterschätzen ist. Der Frage, wie häufig der Placebo-Effekt maßgeblich zur erwünschten Wirkung führt, sind Forscher nun in einem systemischen Review und einer Metaanalyse nachgegangen. Im Rahmen der Übersichtsarbeit wurden 63 Studien entsprechend vordefinierter Kriterien ausgewertet, sodass Daten von ins­gesamt 12.564 Männern im Alter von 36 bis 68 Jahren (Mittelwert 55 ± 7 Jahre) in die Analyse einbezogen ­werden konnten. Wie zu erwarten war, erwiesen sich die Therapien mit PDE-5-Inhibitoren gegenüber den ­Placebo-Behandlungen als überlegen. Aber auch unter Placebo wurde ­insgesamt eine signifikante Verbesserung festgestellt (Bias-korrigierte standardisierte Mittelwerts­differenz Hedges g: 0,35 ± 0,03). Der Placebo-Effekt war besonders stark bei ­Patienten mit posttraumatischen ­Belastungsstörungen ausgeprägt (Hedges g: 0,78 ± 0,32), bei verhältnismäßig geringerem Benefit der PDE-5-Therapie. Mutmaßlich wird zur ­Besserung der erektilen Dysfunktion bei diesem Patientenkollektiv in ­erster Linie beigetragen haben, dass die psychischen Faktoren gebessert werden konnten.

Darüber hinaus wurden in vier der zur Auswertung herangezogenen ­Studien Patienten mit Phosphodi­esterase-5-Inhibitoren behandelt, nachdem eine erektile Dysfunktion als direkte Folge einer vorangegangenen Prostata-Operation oder einer Strahlentherapie resultierte. In diesem Fall konnten keine signifikanten Unterschiede ­zwischen einer Placebo- oder einer PDE-5-Therapie gefunden werden. Dies lässt sich damit begründen, dass PDE-5-Hemmstoffe nur den Effekt eingehender Nervensignale verstärken, jedoch keine Schädigung der Nervenfasern kompensieren können.

Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass vielfältige Faktoren bei der medizinischen ­Betreuung von Patienten mit sexu­ellen Funktionsstörungen zu beachten sind. Die derzeitige ­klinische ­Praxis sollte aufgrund einer fehlenden Überlegenheit der PDE-5-Therapie bei bestimmten ­Patientengruppen ­kritisch hinterfragt werden. |
 

Literatur

Stridh A et al. Placebo responses among men with erectile dysfunction enrolled in phosphodiesterase 5 inhibitor trials. A systematic ­review and meta-analysis. JAMA Network Open 2020;3(3):201423

Apotheker Dr. Peter Meiser

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