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Repetitorium
Amitriptylin und tricyclische Antidepressiva
Beratungswissen zu Wirkungen, Nebenwirkungen und Interaktionen
Die Prävalenz für psychische Erkrankungen in Deutschland liegt in den letzten Jahren stabil bei circa 30% [1]. Im Kontrast dazu sind Verordnungen für Psychopharmaka in den letzten zehn Jahren jedoch deutlich gestiegen (bundesweit um 40%) [2]. Epidemiologischen Studien zufolge sind bis zu 25% aller Patienten in der Allgemeinmedizin von einer Depression unterschiedlichen Schweregrades betroffen [3]. Antidepressiva sind daher die am häufigsten verordneten Psychopharmaka [2] und fordern im Apothekenalltag ein entsprechend hohes Maß an Beratung. Unter den Antidepressiva galt Amitriptylin lange als das Goldstandard-Antidepressivum [4] und, obwohl Verordnungen rückläufig sind und andere Therapieoptionen favorisiert werden, findet man es immerhin noch auf Platz 61 der verordnungsstärksten Arzneimittel 2017 [2].
Wirkmechanismus und Nebenwirkungen
Amitriptylin gehört mit dem 10,11-Dihydro-5H-dibenzo[a,d]cyclohepten-5-yliden-Ringsystem und der aliphatischen tertiären Aminogruppe zur Gruppe der tricyclischen Antidepressiva (TZA), die entsprechend ihres Wirkmechanismus zu den nichtselektiven Monoamin-Wiederaufnahme-Inhibitoren (NSMRI) gezählt werden (Abb. 1) [6]. Das Dreiringsystem ist stark gewinkelt, diese Abweichung von der Planarität der tricyclischen Antipsychotika steht im Zusammenhang mit der antidepressiven Wirkung. Tetracyclische Antidepressiva wie Mirtazapin besitzen ein ähnliches Profil.
Angriffspunkt | Indikation | unerwünschte Arzneimittelwirkungen |
---|---|---|
Noradrenalin- und Serotonin-Transporter | depressive Erkrankungen | Veränderungen der Psyche, Aggression, Verwirrtheit, verminderte Libido sowie Agitiertheit und seltener Manie, Angst, Schlaflosigkeit oder Hypomanie |
Hemmung von Natrium+-, Kalium+- und NMDA-Kanälen | neuropathische Schmerzen Prophylaxe bei Spannungskopfschmerzen und Migräne | |
muskarinerge Rezeptoren | Enuresis nocturna bei Kindern ab sechs Jahren | anticholinerge Wirkungen: Akkomodationsstörungen, Mydriasis, verstopfte Nase, Mundtrockenheit, Obstipation, Hyperhidrosis, Miktionsstörungen, Erektionsstörungen, Gewichtszunahme (primär H1-Rezeptoren) |
histaminerge H1-Rezeptoren | ||
serotonerge 5-HT2-Rezeptoren | Gewichtszunahme | |
allgemein sedierende Wirkung → orthostatische Hypotonie, Schläfrigkeit, Tremor, Schwindel, Kopfschmerzen, Geschmacks- und Aufmerksamkeitsstörungen |
Die Pathogenese der Depressionen ist noch nicht vollständig geklärt und beruht vermutlich auf einer Kombination aus pathophysiologischen und psychologischen Einflüssen. Unter anderem wird eine gestörte Neurotransmitter-Signalübertragung als eine der Ursachen angesehen. Die beteiligten Neurotransmitter sind vor allem Serotonin und Noradrenalin, die normalerweise aus ihren Vesikeln in den synaptischen Spalt ausgeschüttet werden, sobald die Präsynapse erregt wird. Nachdem sie an der Postsynapse über entsprechende Rezeptoren eine Signalkaskade ausgelöst haben, werden sie aus dem synaptischen Spalt durch jeweils spezifische Transporter in die Präsynapse wiederaufgenommen und erneut in Vesikeln gespeichert. Tricyclische Antidepressiva blockieren gezielt diese Transporter und hemmen so die Wiederaufnahme von Noradrenalin und Serotonin, wobei sie zwischen den einzelnen Transportern kaum differenzieren und alle gleichermaßen hemmen. Dies verlängert die Aufenthaltsdauer der Neurotransmitter im synaptischen Spalt und führt mittelfristig zu der antidepressiven und stimmungsaufhellenden Wirkung mit beruhigenden und anxiolytischen Begleiteffekten. Gleichzeitig blockieren tricyclische Antidepressiva aber auch andere molekulare Angriffspunkte, wie eine Vielzahl von G-Protein gekoppelten Rezeptoren, was sowohl andere Indikationsgebiete, aber auch die unerwünschten Arzneimittelwirkungen (UAW) der tricyclischen Antidepressiva erklärt (Abb. 1 und Tab. 1).
Neben chronischen oder neuropathischen Schmerzen wird Amitriptylin besonders bei Spannungskopfschmerzen und in der Migräneprophylaxe eingesetzt. Die Hemmwirkung von spannungsabhängigen Na+-Kanälen scheint hierfür maßgeblich zu sein [7] und erklärt ebenfalls den – therapeutisch nicht genutzten – lokalanästhetischen Effekt. Im Off-Label-Use können Amitriptylin und andere tricyclische Antidepressiva auch zur Behandlung des Reizdarmsyndroms [8], der Fibromyalgie [9] sowie von posttraumatischen Belastungsstörungen (PTBS) [10] eingesetzt werden.
Eine starke zentrale Blockade von Histamin-H1-Rezeptoren führt durch die sedativen Effekte zur Schlafförderung, aber auch zur Gewichtszunahme. Die H1-Rezeptoraffinität ist mit der von antiallergischen H1-Antihistaminika der ersten Generation vergleichbar [5]. Eine der unangenehmsten Begleiterscheinungen für depressive Patienten ist häufig eine starke Gewichtszunahme (Blockade von H1- und 5-HT2-Rezeptoren), die in einigen Fällen zu einem Therapieabbruch führen kann. Hier ist eine intensive Betreuung der Patienten angebracht, um gegebenenfalls das Essverhalten anzupassen. Anticholinerge unerwünschte Wirkungen limitieren häufig den Einsatz der tricyclischen Antidepressiva in der geriatrischen Behandlung, können jedoch bei jungen Patienten oft sehr gut behandelt werden (Lutschbonbon, Meerwassernasenspray). Grundsätzlich stellt ein Therapieabbruch aufgrund starker Nebenwirkungen eine große Hürde in der antidepressiven Therapie dar. Daher sind die Identifikation und das Management der unerwünschten Arzneimittelwirkungen wichtige Aufgaben der Apotheker. Im einfachsten Fall können Lutschbonbons helfen, Mundtrockenheit zu minimieren, je nach Nebenwirkungsprofil sind jedoch aufwendigere Gegenmaßnahmen zu ergreifen, und unter Umständen sollte der behandelnde Arzt einen Therapieswitch erwägen. Eine der Schwierigkeiten im UAW-Management ist dabei die Frage, ob es sich bei einem auftretenden Symptom (z.B. Kopfschmerzen, Müdigkeit, Obstipation) tatsächlich um eine unerwünschte Arzneimittelwirkung oder eine Begleiterscheinung der Erkrankung handelt. So wie die Pathogenese der Erkrankung noch nicht abschließend geklärt ist und die Symptome unterschiedliche Formen annehmen können, so ist auch das Auftreten von UAW sehr individuell. Im Sinne der Arzneimitteltherapiesicherheit ist die Beachtung der Kontraindikationen und Wechselwirkungen mit anderen Arzneistoffen in der Apotheke wichtig und in Tabelle 2 zusammengefasst.
Kontraindikationen | Wechselwirkungen |
---|---|
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Indikation und Kontraindikation
Alle tricyclischen Antidepressiva sind zur Therapie der Depression zugelassen. Amitriptylin hat drüber hinaus ein breites Indikationsspektrum. Es ist zusätzlich bei Enuresis nocturna und darüber hinaus (in geringerer Dosierung) bei neuropathischen Schmerzen sowie zur prophylaktischen Behandlung von chronischen Spannungskopfschmerzen und Migräne indiziert. Typische Kontraindikationen für tricyclische Antidepressiva beruhen vor allem auf den erhöhten Neurotransmitterspiegeln, während die Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln sich eher auf das kardiovaskuläre Risiko der UAW fokussieren (Tab. 2). So hemmt Amitriptylin hERG-Kanäle (human Ether-a-go-go Related Gene-Kanal) in mikromolaren Konzentrationen, die im therapeutischen Bereich erreicht werden können. Die spannungsabhängigen Kalium-Ionenkanäle können über veränderte QT-Zeiten in den Herzkammern zu Rhythmusstörungen führen (Torsades de pointes) [7], wodurch eine gleichzeitige Gabe von Stoffen mit ähnlichen kardiovaskulären Risiken kontraindiziert ist. Wegen der Gefahr eines Serotonin-Syndroms, das sich unter anderem äußert in Ruhelosigkeit (Akathisie), Muskelzuckungen, Schwitzen, Tremor oder Nierenversagen, dürfen Hemmstoffe der Monoaminoxidase wie Rasagilin nicht gleichzeitig mit tricyclischen Antidepressiva angewendet werden [7].
Wie die meisten Psychopharmaka werden auch tricyclische Antidepressiva zur antidepressiven Therapie einschleichend bis zu einem erfolgreichen Ansprechen aufdosiert, um das Auftreten von unerwünschten Wirkungen zu minimieren [11]. Es wird daher empfohlen, Amitriptylin mit 25 mg bis 50 mg täglich auf maximal 100 mg bis 150 mg täglich über einen möglichst kurzen Zeitraum aufzudosieren. Die Einnahme wird dabei üblicherweise auf zwei Mal täglich aufgeteilt. Für ältere Patienten sollte die Dosis auf anfänglich 10 mg und maximal 100 mg optimiert werden. Bei anderen Indikationsgebieten als der antidepressiven Therapie liegen die Maximaldosen bei etwa 100 mg. Da Amitriptylin extensiv über die Leber verstoffwechselt wird und Funktionsstörungen die Pharmakokinetik beeinflussen, sollte bei Leberfunktionsstörungen die Dosis angepasst werden. Bei Nierenfunktionsstörungen ist eine Dosisanpassung in der Regel nicht nötig.
Interaktionsrisiken bestehen über die Enzyme CYP1A2, CYP3A4, CYP2D9, CYP2C19 und CYP2D6. Für die hepatische Metabolisierung sind maßgeblich CYP2D6 (Demethylierungsreaktionen) und CYP2C19 (Hydroxylierungsreaktionen) zuständig [12], was unter anderem zu dem aktiven Metaboliten Nortriptylin führt (stärker antriebssteigernd, Desipramin-Typ). Da bei reduziertem Metabolismus aufgrund von CYP2D6- und CYP2C19-Polymorphismen die Plasmakonzentrationen von Amitriptylin und Nortriptylin erhöht sein können, ist bei Intermediate- bis Poor-Metabolizern (5 bis 14% der Mitteleuropäer sind genetisch bedingt Poor-CYP2D6-Metabolizer) oder bei gleichzeitiger Anwendung von Inhibitoren dieser Enzyme gegebenenfalls eine Dosisanpassung notwendig [7]. Amitriptylin hat eine Bioverfügbarkeit von etwa 50% mit einer Eliminationshalbwertszeit (t½) zwischen 16 und 40 Stunden (Nortriptylin: t½ 30 Stunden) [7]. Bei einer häufig verzögerten gastrointestinalen Resorption wird die maximale Plasmakonzentration nach ein bis fünf Stunden erreicht. Als lipophile Verbindung ist es etwa zu 95% an Plasmaproteine gebunden und kann daher ebenso wie Nortriptylin in die Muttermilch übertreten [7]. Amitriptylin steht in Form von Tabletten, Dragees oder Lösungen zur oralen Applikation und als Injektionslösung für eine intramuskuläre oder intravenöse Applikation zur Verfügung. Dadurch kann die Arzneiform auf die individuellen Bedürfnisse des Patienten abgestimmt werden.
Die Therapie einer Depression bei geriatrischen und pädiatrischen Patienten ist besonders erschwert. Amitriptylin steht auf der PRISCUS-Liste der potenziell inadäquaten Arzneimittel für ältere Personen. Die Sicherheit von tricyclischen Antidepressiva ist für Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren nicht nachgewiesen, sodass eine Anwendung kontraindiziert ist. Die aktuell geltende S3-Leitlinie empfiehlt daher für Kinder und Jugendliche eine Psychotherapie [13], die bei gegebener Indikationsstellung und Notwendigkeit durch den selektiven Serotonin-Wiederaufnahme-Inhibitor (SSRI) Fluoxetin ergänzt werden kann [14]. Für ältere Patienten gilt, dass die Behandlung mit geringerer Dosierung durchgeführt werden kann, jedoch beim Auftreten anticholinerger Wirkungen ein selektiver Wiederaufnahme-Inhibitor zu wählen ist. Während der Schwangerschaft und Stillzeit zählt Amitriptylin übrigens zu den Antidepressiva der ersten Wahl [15]. Diese Einschätzung beruht auf der langen Erfahrung mit Amitriptylin in der klinischen Praxis. In tierexperimentellen Studien konnte jedoch bislang eine mögliche Reproduktionstoxizität nicht endgültig ausgeschlossen werden, sodass die Anwendung nach sorgfältiger Nutzen-Risiko-Abwägung erfolgen sollte [7].
so war das
- Tricyclische Antidepressiva hemmen die Wiederaufnahme von Noradrenalin und Serotonin aus dem synaptischen Spalt.
- Es werden auch eine Vielzahl von Ionenkanälen und Rezeptoren gehemmt, wodurch weitere Indikationen, aber auch unerwünschte Arzneimittelwirkungen erklärt werden können.
- Die Blockade von Histamin-H1-Rezeptoren bewirkt Gewichtszunahme und Sedierung.
- Werden muskarinerge Rezeptoren gehemmt, treten anticholinerge Nebenwirkungen wie Mundtrockenheit, Akkomodationsstörungen und verstopfte Nase auf.
- Tricyclische Antidepressiva können zu QT-Zeit-Verlängerung führen, daher sollte eine gleichzeitige Gabe anderer Arzneimittel, die das QT-Intervall verlängern können, vermieden werden.
- Tricyclische Antidepressiva dürfen nicht zusammen mit Monoaminoxidase-Inhibitoren eingesetzt werden (Gefahr eines Serotonin-Syndroms).
- Die antidepressive Wirkung der tricyclischen Antidepressiva setzt erst nach zwei bis vier Wochen ein.
- Nach dem Abklingen der Symptome sollte eine Therapie noch für mindestens sechs Monate fortgeführt werden.
- Tricyclische Antidepressiva müssen ein- und ausschleichend dosiert werden, um das Risiko für Nebenwirkungen oder einen Rebound-Effekt zu vermindern.
- Amitriptylin wird vor allem in der Leber verstoffwechselt, sodass bei Nierenfunktionsstörungen in der Regel keine Dosisanpassung notwendig ist.
- Amitriptylin ist Mittel der Wahl in Schwangerschaft und Stillzeit, sollte jedoch nur nach sorgfältiger Nutzen-Risiko-Abwägung eingesetzt werden.
- Amitriptylin steht auf der PRISCUS-Liste der potenziell inadäquaten Arzneistoffe für ältere Personen.
- Tricyclische Antidepressiva sind bei Kindern und Jugendlichen kontraindiziert.
Die häufig gestellte Patientenfrage zum Wirkeintritt sollte mit einer eingehenden Aufklärung begleitet werden, da antidepressive Therapien Geduld und Compliance des Patienten voraussetzen. Die antidepressive Wirkung der tricyclischen Antidepressiva setzt in der Regel nach zwei bis vier Wochen ein und sollte auch nach dem Abklingen der Symptome noch für mindestens sechs Monate fortgeführt werden, um einen Rückfall zu vermeiden [7]. Die Beendigung der Therapie erfolgt ebenfalls schrittweise (über ca. vier Wochen), da es sonst zu akuten Entzugssyndromen oder einem sogenannten Rebound-Phänomen (Wiederkehren der Symptome, häufig in stärkerer Form) kommen kann [16]. Antidepressiva erlangten in der Vergangenheit einen schlechten Ruf, da eine initiale Verstärkung von suizidalem Verhalten und Suizidgedanken postuliert wurde. Dies wird häufig damit erklärt, dass die antidepressive Wirkung nicht so rasch einsetzt wie die antriebssteigernde Wirkung. Untersuchungen hierzu sind jedoch schwierig zu beurteilen, da ein Zusammenhang zwischen Therapie und Suizidversuch nicht unabhängig von der Erkrankung betrachtet werden kann [17, 18]. Die erhöhte oder erniedrigte Inzidenz von suizidalem Verhalten unter tricyclischen Antidepressiva im Vergleich zu selektiven Wiederaufnahme-Inhibitoren oder Placebo ist daher nach wie vor umstritten [17, 18]. Bei entsprechendem Verdacht sollte schnell reagiert werden und nach einer geeigneten Therapieoption gesucht werden.
Eine bewusste oder versehentliche Überdosierung stellt eine reale Problematik von tricyclischen Antidepressiva dar. Überdosierungen sind primär durch ein anticholinerges Syndrom (Delir, Mydriasis, trockene Schleimhäute, Tachykardie), Bewusstseinseintrübungen bis hin zum Koma, Atemdepression und Arrhythmien (inklusive charakteristischer EKG-Veränderungen) gekennzeichnet [7]. Erste-Hilfe-Maßnahmen beinhalten den Ruf eines Krankenwagens und bei Bedarf eine Stabilisierung des ABC-Komplexes (airway, breathing, circulation: das heißt die Atemwege befreien, Atmung und Kreislauf stabilisieren). Die weitere Behandlung erfolgt dann möglichst rasch mit Aktivkohle und symptomatisch durch Beatmung, intravenöse Therapie der Azidose und Hypokaliämie, Diazepam-Gabe gegen Krampfanfälle sowie eine engmaschige EKG-Überwachung [7]. Wird der Patient innerhalb von ein bis zwei Stunden nach einer potenziell akuten Vergiftung eingeliefert, kann eine Magenspülung durchgeführt werden, andernfalls erfolgt die erneute Gabe von Aktivkohle. Zu beachten ist, dass eine solche Vergiftung unter Umständen absichtlich erfolgte und erneut erfolgen könnte. Ein solcher Patient sollte daher während und nach der Behandlung auf weitere Anzeichen für einen Suizidversuch überwacht werden und ein entsprechendes Beratungsangebot erhalten. Einen möglichen Suizidversuch im Vorfeld zu identifizieren, ist nicht unerheblich und überschreitet schnell das eigene Kompetenzgebiet. Jedoch soll an dieser Stelle eine kurze Zusammenstellung möglicher Anzeichen erfolgen, die unter Umständen auch mit Angehörigen besprochen werden sollte. Grundsätzlich lassen sich die Anzeichen in physische Veränderungen, Verhaltensauffälligkeiten und verbale Anzeichen einteilen. Physische Veränderungen von Stammkunden können auch in der Apotheke beobachtet werden und betreffen Schlafverhalten, Energieverlust, Körperhygiene, Gewichtsveränderungen (häufig auch medikamentenbedingt) und Krankheitsanfälligkeit. Veränderungen im Verhalten werden häufiger von nahen Angehörigen identifiziert und zeigen sich in vermehrtem Alkohol- oder Drogenkonsum, sozialem Rückzug, Aufgeben von Aktivitäten, die einmal wichtig waren, Selbstverletzung, untypischer Risikobereitschaft oder emotionalen Ausbrüchen. Ist das suizidale Vorhaben bereits fortgeschritten, beobachtet man häufig eine Regelung persönlicher Angelegenheiten (Testament, Verschenken von Eigentum) oder das Schreiben eines Abschiedsbriefes. Verbale Anzeichen drücken sich in Gesprächen über Suizid, Tod, Ausweglosigkeit, Belastung für andere, Hoffnungslosigkeit, Hilflosigkeit, starke Schuldgefühle und Einsamkeit aus. Eine Empfehlung zum angemessenen Verhalten bei diesen Anzeichen gibt es nicht, jedoch sollte dem Patienten eine Beratung angeboten werden und der Kontakt zu Anlaufstellen ermöglicht werden. |
Literatur
[1] Thom J, Bretschneider J, Kraus N, Handerer J, Jacobi F. Versorgungsepidemiologie psychischer Störungen. Bundesgesundheitsblatt – Gesundheitsforschung – Gesundheitsschutz 2019;62:128-139
[2] Schwabe U, Paffrath D, Klauber J, Ludwig WD editors. Arzneiverordnungs-Report 2018. Berlin, Springer Verlag 2018
[3] Kasper S. Depressionen. Österreichische Ärztezeitung 2007;21:37-45
[4] Barbui C, Hotopf M. Amitriptyline v. the rest: Still the leading antidepressant after 40 years of randomised controlled trials. British Journal of Psychiatry 2001;178:129-144
[5] Binding DB. Amitriptylin. www.bindingdb.org. Stand: Januar 2020
[6] Steinhilber D, Schubert-Zsilavecz M, Roth HJ. Medizinische Chemie: Targets-Arzneistoffe-Chemische Biologie. 2. Auflage, Deutscher Apotheker Verlag Stuttgart 2010
[7] Fachinformation Amitriptylin, CT 25 mg /75 mg Tabletten, Stand: Juli 2017
[8] Ford A, Talley N, Schoenfeld P, Quigley E, Moayyed P. Efficacy of antidepressants and psychological therapies in irritable bowel syndrome: systematic review and meta-analysis. Gut 2009;58:367-378
[9] Uçeyler N, Häuser W, Sommer C. A systematic review on the effectiveness of treatment with antidepressants in fibromyalgia syndrome. Arthritis & Rheumatology 2008;59:1279-1298
[10] National Collaborating Centre for Mental Health (UK). Post-Traumatic Stress Disorder: The Management of PTSD in Adults and Children in Primary and Secondary Care. Leicester (UK): Gaskell 2005, NICE Clinical Guidelines, No. 26., www.ncbi.nlm.nih.gov/books/NBK56494/
[11] Mlekusch I. Therapie mit Antidepressiva. Österreichische Ärztezeitung 2013;18, www.aerztezeitung.at/archiv/oeaez-2013/oeaez-18-25092013/antidepressiva-umstellung-neueinstellung-depression.html
[12] Reinecke K, Böhm R, Haen E, Cascorbi I, Herdegen T. Arzneimittel und CYP2D6. DAZ 2012;47:60
[13] Behandlung von depressiven Störungen bei Kindern und Jugendlichen. S3-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie (DGKJP), AWMF-Nr. 028-043, Stand: Juli 2013
[14] Cipriani A, Zhou X, Del Giovane C, Hetrick SE, Qin B et al. Comparative efficacy and tolerability of antidepressants for major depressive disorder in children and adolescents: a network metaanalysis. Lancet 2016;388:881-890
[15] Amitriptylin. Informationen von Embryotox, www.embryotox.de/arzneimittel/details/amitriptylin/, Stand: November 2019
[16] Henssler J, Heinz A, Brandt L, Bschor T. Absetz-und Rebound-Phänomene bei Antidepressiva. Deutsches Ärzteblatt 2019;116:355-361
[17] Hegerl U. Antidepressiva und Suizidalität. Der Nervenarzt 2007;78:7-14
[18] Lange-Asschenfeldt C. Gibt es Unterschiede zwischen den Wirkstoffen? Info Neurologie & Psychiatrie 2015;17:22-24
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