Arzneimittel und Therapie

Kein Wundermittel gegen Demenz

ASS enttäuscht in großer Studie

Trotz vielfältigster Forschungsansätze fehlen bis heute effektive Therapie- und Prophylaxemöglichkeiten für die Demenz. Ideal wären Behandlungs­optionen mit etablierten Langzeit­therapeutika. Für ASS wurden diese Erwartungen jedoch nicht erfüllt.

Foto: lexander Raths – stock.adobe.com

Niedrig dosierte Acetylsalicylsäure (ASS) wird zur Sekundärprävention kardiovaskulärer Erkrankungen eingesetzt. Der Cyclooxygenasehemmer vereint antiinflammatorische und ­anti-aggregatorische Wirkungen. ASS könnte somit auch zu einer Verringerung zerebrovaskulärer Risikofak­toren, zur Prävention des Abbaus kognitiver Fähigkeiten sowie einer Verringerung der Inzidenz demenzieller Erkrankungen beitragen. Erkennt­nisse aus Beobachtungsstudien zu ASS und weiteren nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR) zeigten ­positive Wirkungen auf. Doch groß­angelegte kontrollierte Doppelblindstudien zu dieser Fragestellung fehlten bislang. Ein Konsortium australischer und amerikanischer Forscher hat diese Lücke nun gefüllt: In der ASPREE-Studie (Aspirin in reducing events in the elderly) wurden ins­gesamt 19.114 Studienteilnehmer ­randomisiert entweder mit 100 mg ASS oder Placebo behandelt. Die Probanden waren mindestens 70 Jahre alt, hatten bei Studieneinschluss aber ­weder kardiovaskuläre Vorerkrankungen noch eine Demenz-Diagnose. Die Teilnehmer wurden im ­Mittel über 4,7 Jahre nach­verfolgt. Zu ­Studienbeginn, nach einem Jahr sowie anschließend zweijährlich wurden mehrere kogni­tive Untersuchungen durchgeführt. 964 Probanden zeigten Anzeichen einer Demenz. Bei ihnen wurden ­spezifische Testungen zur diagnostischen Abklärung vorgenommen: In 575 Fällen wurde die Demenz be­stätigt, und 41% dieser Fälle wurden klinisch als eine Demenz vom Alz­heimer-Typ klassifiziert. Dabei wurde jedoch kein Unterschied zwischen den beiden Behandlungsarmen fest­gestellt. Das Risiko einer Demenz­entwicklung (Hazard Ratio [HR] 1,03; 95%-Konfidenzintervall [KI] 0,91 bis 1,17), vermuteter Alzheimererkrankungen (HR 0,96; 95%-KI 0,74 bis 1,24) oder einer milden kognitiven Störung (HR 1,12; 95%-KI 0,92 bis 1,37) war unter ASS im Vergleich zu Placebo nicht reduziert. Ebenso ­wurden keine Unterschiede im Ausmaß der kognitiven Veränderungen über den Beobachtungszeitraum ermittelt, sodass insgesamt kein Nutzen einer mehrjährigen ASS-Einnahme festzustellen war. Die Studienautoren räumen ein, dass der Studienzeitraum von fünf Jahren sowie der Einschluss verhältnismäßig gesunder Probanden möglicherweise ungeeignet waren, um Vorteile einer niedrig dosierten Behandlung mit ASS festzustellen. |

Literatur

Ryan J et al. Randomized placebo-controlled trial of the effects of aspirin on dementia and cognitive decline. Neurol 2020; doi:10.1212/WNL.0000000000009277

Apotheker Dr. Peter Meiser

Das könnte Sie auch interessieren

Zwei aktuelle Studien stellen Primärprävention infrage

ASS-Prophylaxe: Mehr Schaden als Schutz

Anämie- und Eisenmangelrisiko bei älteren Menschen erhöht

Negative Schlagzeilen für niedrig dosierte ASS

Auch in der Gesamtschau zeigt sich kein Nutzen

ASS in der Primärprävention vor dem Aus?

Ältere Menschen scheinen doch nicht zusätzlich von dem Blutgerinnungshemmer zu profitieren

Mit Acetylsalicylsäure Frakturrisiko senken?

Acetylsalicylsäure scheint auch vor Ovarial- und Leberkrebs zu schützen

Alleskönner ASS

Wegweisende Studien zu Omega-3-Supplementen mit scheinbar widersprüchlichen Ergebnissen

Fischöl ist nicht gleich Fischöl

Auch bei gesunden Älteren hat die Primärprävention mehr Risiken als Nutzen

ASS enttäuscht erneut

Fortgeschrittene Tumoren werden im Wachstum beschleunigt

ASS als Krebs-Booster bei Senioren

Body-Mass-Index scheint eine Rolle zu spielen

Rätselhafte Krebs­prophylaxe mit ASS

Niedrigdosierte Einnahme während der Schwangerschaft senkt das Risiko

Frühgeburten mit ASS verhindern

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.