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Arzneimittel und Therapie
Hustenlöser gegen das Zittern
Neue Wege in der Parkinsontherapie
Morbus Parkinson geht mit dem Abbau dopaminerger Neurone im Zentralnervensystem (ZNS) einher. Als Ursachen der degenerativen Erkrankung werden Ablagerungen von pathologisch gefalteten Proteinen wie alpha-Synuclein diskutiert. Enzyme, die diese Proteine abbauen, stellen somit einen vielversprechenden pharmakologischen Angriffspunkt dar – die Glucocerebrosidase scheint dabei besonders interessant (s. Kasten).
Schlüsselenzym Glucocerebrosidase
Das lysosomale Enzym Glucocerebrosidase dient dazu, Glucocerebroside – eine bestimmte Art von Glycolipiden – zu spalten. Bei der autosomal-rezessiv vererbten Erkrankung Morbus Gaucher liegt eine Mutation des Glucocerebrosidase-Gens GBA1 vor. Folglich reichern sich Glucocerebroside in Makrophagen und Monozyten an. Schon lange ist bekannt, dass Eltern von Kindern mit Gaucher-Syndrom häufig an Parkinson erkranken. Auch bei heterozygoten Genträgern haben die veränderten Enzyme einen negativen Effekt.
Es wird vermutet, dass die Glucocerebrosidase aufgrund einer posttranslationalen Fehlfaltung nicht in die Lysosomen transportiert wird, sondern sich im endoplasmatischen Retikulum anreichert. Durch die lysosomale Dysfunktion werden pathologisch gefaltete Proteine wie das alpha-Synuclein nicht mehr abgebaut.
Mutationen im GBA1-Gen stellen damit einen Risikofaktor für die Parkinson-Krankheit dar.
Anstandsdame Ambroxol
Auf der Suche nach kleinen Molekülen, welche die Aktivität der Glucocerebrosidase erhöhen, zeigte ein Hochdurchsatz-Screening eine pH-abhängige Steigerung der Enzym-Aktivität durch den Hustenlöser Ambroxol. In Zellkultur- und Tierstudien konnte der Effekt bestätigt werden.
Im Rahmen einer kleinen, nicht kontrollierten Studie wurde nun untersucht, wie sich eine Behandlung mit Ambroxol bei Patienten mit Parkinson auswirkt. 23 Probanden wurden in die Studie eingeschlossen. Sie erhielten dreimal täglich 1,26 g Ambroxol, aufgeteilt in drei gleiche Einzeldosen, wobei die Dosierung zu Beginn langsam gesteigert wurde. Primäre Endpunkte waren die Ambroxol-Spiegel in der Zerebrospinalflüssigkeit (CSF) sowie die Enzymaktivität der Glucocerebrosidase nach 186 Tagen. Daten von 17 Patienten gingen in die Analyse ein. Obwohl die verabreichte Dosierung etwa ein Zehnfaches der zugelassenen Ambroxol-Dosierung bei Husten betrug, wurde die Therapie allgemein gut vertragen.
Bei Studienbeginn war kein Ambroxol in der Zerebrospinalflüssigkeit nachweisbar, am Ende wurden mittlere Ambroxol-Spiegel von 156 ng/ml gemessen. Folglich ist der Wirkstoff in der Lage, die Blut-Hirn-Schranke zu überwinden. Die Aktivität der Glucocerebrosidase in der Zerebrospinalflüssigkeit sank um 19%. Erklären lässt sich dieses Ergebnis durch den vermuteten Wirkmechanismus von Ambroxol: Dieses soll ähnlich wie Chaperone (engl. Anstandsdame) agieren. Es bindet an die mutierte Glucocerebrosidase, inhibiert diese und löst eine Konformationsänderung aus, die den Transport zum Lysosom ermöglicht. Im sauren Inneren des Lysosoms löst sich Ambroxol wieder von dem Enzym, welches dann seiner normalen Funktion nachgehen kann. Als Konsequenz sinkt die Enzymaktivität in der zellarmen Zerebrospinalflüssigkeit, während sie im Gewebe erhöht ist. Weiterhin wird seit Längerem eine Steigerung der Transkription des GBA1-Gens durch Ambroxol diskutiert. Der beobachtete Anstieg der Glucocerebrosidase-Konzentration nach 186 Tagen um 88 ng/mol (35%) stärkt diese Theorie. Die alpha-Synuclein-Spiegel im CSF stiegen um 50 pg/ml (13%). Als Erklärung wird ein Anstieg des Transportes von α-Synuclein aus den Gewebezellen in den Extrazellularraum vermutet. Interessanterweise zeigten sich die beschriebenen Veränderungen sowohl bei den Patienten mit als auch ohne GBA1-Mutation. Die Studie liefert erste Hinweise auf ein mögliches Potenzial von Ambroxol in der Therapie des Morbus Parkinson. Zumal sich die klinische Symptomatik der Patienten in der Pilotstudie verbesserte. Aufgrund der kleinen Studienpopulation und der fehlenden Placebo-Kontrolle sollten die Ergebnisse jedoch mit sehr viel Vorsicht interpretiert werden. Weitere Studien sind unerlässlich.
Literatur
Mullin S et al. Ambroxol for the Treatment of Patients With Parkinson Disease With and Without Glucocerebrosidase Gene Mutations. JAMA Neurol 2020;
doi:10.1001/jamaneurol.2019.4611
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