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Pandemie Spezial
Krätzemittel gegen COVID-19
In-vitro-Wirksamkeit von Ivermectin wartet auf klinische Bestätigung
Ivermectin, ein Antiparasitikum mit einem breiten Wirkspektrum, ist ein Derivat von Avermectin B1 [2], das aus dem Fermentationsmedium von Streptomyces avermitilis isoliert wird. Es wird nicht nur gegen Skabies, sondern auch gegen Läuse, Milben und Zecken, sowie gegen Infektionen mit Fadenwürmern (wie die gastrointestinale Strongyloidiasis und Mikrofilarämie) in der Human- und in der Tiermedizin eingesetzt. Das Arzneimittel steht auf der Liste der unentbehrlichen Arzneimittel (List of Essential Medicine) der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und hat eine sehr hohe Arzneimittelsicherheit. In Deutschland ist Ivermectin als perorale Darreichungsform (Driponin® 3 mg Tabletten) erhältlich. Das Originalpräparat Scabioral® ist außer Vertrieb. Es existiert auch noch eine topische Darreichungsform (Soolantra®), die in Deutschland seit 2015 zur Therapie der Rosazea zugelassen ist.
In vitro hat Ivermectin schon in der Vergangenheit eine Wirksamkeit gegen ein breites Spektrum von Viren, einschließlich HIV, Dengue-, Grippe- und Zika-Viren gezeigt [3 – 6].
Australische Forscher am Peter Doherty Institute for Infection and Immunity (Royal Melbourne Hospital) der University of Melbourne und des Biomedicine Discovery Institute der Monash University haben nun die Wirksamkeit von Ivermectin gegen SARS-CoV-2 in einer präklinischen Studie untersucht.
Dazu wurden Vero-hSLAM-Zellen (Nierenzellen von grünen Meerkatzen) mit SARS-CoV-2-Isolat bei einer MOI (Multiplicity of Infection, Multiplizität der Infektion) von 0,1 für 2 Stunden infiziert, gefolgt von der Zugabe von 5 μM Ivermectin. Kontrollproben wurde nur das Vehikel (DMSO) zugesetzt.
Die Multiplizität der Infektion (MOI) repräsentiert das Verhältnis der Anzahl der Viruspartikel zur Anzahl der Wirtszellen in einem gegebenen Infektionsmedium. Ein Wert von MOI = 1 bedeutet, dass genauso viele Viruspartikel eingesetzt werden wie sich Zellen in der Kultur befinden.
Proben des Überstandes (zur Identifikation freigesetzter Virionen) sowie Zellpellets mit zellassoziierter viraler RNA (nicht freigesetzte und unverpackte Virionen) wurden an den Tagen 0 bis 3 geerntet und mittels Reverse-Transkriptase-Polymerase-Kettenreaktion (RT-PCR) auf Replikation getestet. Nach 24 Stunden war die virale RNA um 93%, nach 48 Stunden um 99,8% im Vergleich zu Kontrollproben reduziert (siehe Abb.). Dies stellt eine 5000-fache Reduktion der SARS-CoV-2-RNA dar. Zu keinem der getesteten Zeitpunkte wurde eine Toxizität von Ivermectin beobachtet [1].
Möglicher Wirkmechanismus
Es ist bekannt, dass Ivermectin die Interaktion zwischen dem Integrase-Protein (IN) des HI-Virus und dem für den IN-Nuklearimport verantwortlichen Importin(IMP)-α / β1-Heterodimer hemmt. Es konnte zudem gezeigt werden, dass Proteine des SARS-CoV, dem Virus, das für das schwere akute respiratorische Syndrom (SARS) verantwortlich ist, auch eine mögliche Rolle von IMPα / β1 während der Infektion beim signalabhängigen nukleozytoplasmatischen Schließen des SARS-CoV-Nucleocapsid-Proteins spielen. Da SARS-CoV-2 eng mit SARS-CoV verwandt ist, könnte dies einen möglichen Wirkungsmechanismus erklären [1, 7 – 9].
Zusätzlich wurde gezeigt, dass das SARS-CoV-akzessorische Protein ORF6 die antivirale Aktivität des STAT1-Transkriptionsfaktors durch Sequestrieren von IMPα / β1 auf der rauen ER / Golgi-Membran antagonisiert. Somit deuten diese Studien darauf hin, dass die Hemmwirkung von Ivermectin auf den Kerntransport auch bei SARS-CoV-2 wirksam sein könnte (Abb. 1) [1, 10].
Die Frage der Dosierung
Zur Behandlung der Skabies wird Ivermectin einmalig oral in einer Dosierung von 200 Mikrogramm pro kg Körpergewicht eingesetzt. Bei schweren Infektionsformen (Skabies crustosa) kann für den Therapieerfolg eine zweite Dosis Ivermectin innerhalb von 8 bis 15 Tagen und/oder eine begleitende topische Behandlung erforderlich sein. Für andere Indikationen werden Dosierungen bis zu 400 Mikrogramm Ivermectin pro kg Körpergewicht eingesetzt.
Die Herausforderung besteht nun darin, auf Basis der durchgeführten In-vitro-Tests eine Dosierung des Ivermectins für die Therapie gegen COVID-19 festzulegen. Es stellt sich die Frage, ob eine Mehrfachdosierung sinnvoll wäre oder eine einmalige orale Gabe ausreicht.
Bei der Dengue-Infektion beispielsweise hat Ivermectin auch eine antivirale Aktivität in vitro gegen das Virus gezeigt. In vivo konnten die Ergebnisse allerdings noch nicht bestätigt werden. In einer randomisierten, doppelblind, placebokontrollierten Phase-II/III-Studie zur Wirksamkeit und Sicherheit von Ivermectin bei Kindern und Erwachsenen mit Dengue-Infektion, durchgeführt in Thailand, wurden Ivermectin-Dosierungen von 200 bis 400 µg/kg KG einmal täglich für zwei oder drei Tage gewählt. Daten zu dieser 2015 durchgeführten Studie sind nicht veröffentlicht [11].
Eine weitere klinische Phase-III-Studie aus 2018 zu Ivermectin bei Dengue-Patienten in Thailand hat gezeigt, dass eine einmalige Gabe von Ivermectin sicher war, allerdings die Virämie nicht verändert wurde. Ein klinischer Nutzen konnte nicht festgestellt werden. Die Forscher regten an, dass auf Grundlage pharmakokinetischer Daten ein verbessertes Dosierungsschema entwickelt werden sollte [12].
In einer weiteren Studie, die zurzeit durchgeführt wird, wird die Pharmakokinetik und -dynamik von Ivermectin bei pädiatrischen Patienten mit Dengue-Infektionen untersucht [13].
SARS-CoV-2 und das Dengue-Virus unterscheiden sich zwar deutlich, trotzdem können diese Studien vielleicht helfen, mögliche zukünftige Studiendesigns für den Einsatz des vom Sicherheitsprofil bekannten Ivermectin bei COVID-19-Patienten zu entwickeln.
Studien in Planung
Die University of Baghdad plant eine randomisierte, placebokontrollierte Doppelblindstudie mit 50 Patienten über 18 Jahren. Hier soll die Wirksamkeit und Sicherheit der adjuvanten Anwendung von Ivermectin zu Hydroxychloroquin (HCQ) bei COVID-19-Patienten mit bestätigter Pneumonie gegen Placebo plus HCQ verglichen werden. Die Verumgruppe erhält eine Einzeldosis von 0,2 mg/kg (12 mg Erwachsenendosis) Ivermectin oder Placebo in Kombination mit 400 mg Hydroxychloroquin einmal täglich. Nach einer Woche erhalten die Patienten erneut eine Einzeldosis Ivermectin oder Placebo. Der primäre Endpunkt wird als Zahl der Patienten, die sich in einem Zeitrahmen von zwei Wochen erholt haben, festgelegt [16].
Die medizinische Fakultät der Tanta University in Tanta, Ägypten, untersucht in zwei weiteren Studien den möglichen Einsatz von Ivermectin als COVID-19-Therapie. In der ersten klinischen Studie werden sowohl Ivermectin als auch das Antiparasitikum Nitazoxanid in Kombination mit Chloroquin auf Wirksamkeit bei COVID-19 getestet [17]. Eingeschlossen werden sollen 60 Patienten in einem randomisierten open-label Design. Es soll drei Studienarme geben:
1. Chloroquin
2. Chloroquin + Nitazoxanid
3. Chloroquin + Ivermectin
Der primäre Endpunkt wird als Zahl der Patienten mit virologischer Heilung in einem Zeitrahmen von sechs Monaten festgelegt. Genaue Dosierungen der einzelnen Arzneimittel, als auch eine genaue Beschreibung wie die virologische Heilung festgestellt werden soll, wurde noch nicht bekanntgegeben.
In einer weiteren randomisierten, einfachblinden Studie sollen 100 Patienten (Kinder und Erwachsene) eingeschlossen werden, die in fünf Studienarme randomisiert werden und entweder mit Chloroquin, Favipiravir, Nitazoxanid, Ivermectin oder Niclosamid behandelt werden [18]. Der primäre Endpunkt wird als Zahl der Patienten mit verminderter Viruslast in einem Zeitrahmen von 6 Monaten festgelegt. Auch in dieser Studie gibt es noch keine weiteren Angaben zur Dosierung und Endpunktbestimmung.
Mögliche Nebenwirkungen
Zu den bekannten Ivermectin-Nebenwirkungen zählen eine transiente Hypereosinophilie, Leberfunktionsstörungen, Leberenzymerhöhungen, Hyperbilirubinämie, Hämaturie, Bauchschmerzen, Müdigkeit, Juckreiz, Verstopfung, Durchfall und Schläfrigkeit. Als sehr selten werden eine toxisch epidermale Nekrolyse und Stevens-Johnson-Syndrom eingestuft [14].
Interaktionen
Eine in vitro durchgeführte Studie an humanen Lebermikrosomen deutet darauf hin, dass Cytochrom P450 3A4 als Hauptisoenzym am hepatischen Metabolismus von Ivermectin beteiligt ist. Präklinische Studien lassen darauf schließen, dass Ivermectin in oralen therapeutischen Dosierungen zu keiner signifikanten Hemmung von CYP3A4 (IC50 = 50 μM) oder anderen CYP-Enzymen (2D6, 2C9, IA2 und 2E1) führt [14]. Weiterhin ist es Ivermectin ein Substrat von P-Glycoprotein. P-Glykoprotein-Inhibitoren wie Ranolazin, Amiodaron, Verapamil u. a. können die Serumkonzentration von Ivermectin erhöhen. P-Glycoprotein-Induktoren wie Rifampicin sind in der Lage, die Serumkonzentration von Ivermectin zu reduzieren.
Auf einen Blick
- Ivermectin ist in vitro ein Inhibitor des COVID-19-verursachenden Virus (SARS-CoV-2).
- Eine einzelne Behandlung ist in der Lage, eine etwa 5000-fache Reduktion der Virusmenge nach 48 Stunden in der Zellkultur zu bewirken.
- Ivermectin ist von der FDA für parasitäre Infektionen zugelassen und wird in Deutschland v. a. gegen Skabies eingesetzt.
- Ivermectin steht auf der WHO-Liste der unentbehrlichen Arzneimittel und ist daher weit verbreitet.
- Da genügend Sicherheitsdaten zu Ivermectin zur Verfügung stehen, befinden sich auch bereits drei klinische Studien in Planung und sind auf der Seite clinicaltrials.gov zu finden. Bisher wurden aber noch keine Patienten eingeschlossen.
Anwendungshinweise
Ivermectin-Tabletten sollten auf leeren Magen eingenommen werden, da die Bioverfügbarkeit um das 2,5-Fache erhöht ist, wenn sie nach einer fettreichen Mahlzeit eingenommen werden. Zwei Stunden vor und nach der Einnahme sollte nicht gegessen werden.
Schwangerschaft und Stillzeit
Erfahrungen mit einer begrenzten Anzahl von ca. 300 schwangeren Frauen im Rahmen einer Massenbehandlung der Onchozerkose deuteten nicht auf Nebenwirkungen wie kongenitale Anomalien, spontane Aborte, Totgeburten und eine erhöhte Säuglingssterblichkeit hin. Tierexperimentelle Studien haben eine Reproduktionstoxizität gezeigt.
Ivermectin sollte während der Schwangerschaft daher nur nach strenger Indikationsstellung angewendet werden.
Weniger als 2% der gegebenen Dosis von Ivermectin werden in die Muttermilch ausgeschieden. Die Sicherheit der Anwendung bei Neugeborenen ist nicht erwiesen. Ivermectin soll in der Stillzeit nur dann gegeben werden, wenn der erwartete Nutzen größer ist als das potenzielle Risiko für das Kind [14].
Da die durchgeführten Tests der Studie in vitro durchgeführt wurden, ist es erforderlich, weitere präklinische und klinische Tests durchzuführen. Im Gegensatz zu den mit hohem Interaktionspotenzial behafteten Wirkstoffen Chloroquin und Hydroxychloroquin stellt Ivermectin ein Arzneimittel mit hohem Sicherheitsprofil und nur geringer Nebenwirkungsrate dar. Die Frage der Dosisfindung bleibt und die mögliche Wirksamkeit muss erst in klinischen Studien bewiesen werden. |
Literatur
[1] Caly L, Druce JD, Catton MG, Jans DA, Wagstaff KM. The FDA approved Drug Ivermectin inhibits the replication of SARS-CoV-2 in vitro, Antiviral Research, https://doi.org/10.1016/j.antiviral.2020.104787.
[2] Molyneux D, Taylor HR. The discovery of ivermectin. In: Trends in Parasitology. Band 31, Nr. 1, 2015
[3] Gotz V et al. Influenza A viruses escape from MxA restriction at the expense of efficient nuclear vRNP import. Sci Rep, 6(2016), p.23138
[4] Lundberg L et al. Nuclear import and export inhibitors alter capsid protein distribution in mammalian cells and reduce Venezuelan Equine Encephalitis Virus replication. Antiviral Res, 2013;100(3):662-672
[5] Tay MY et al. Nuclear localization of dengue virus (DENV) 1-4 non-structural protein 5; protection against all 4 DENV serotypes by the inhibitor Ivermectin. Antiviral Res, 2013;99(3):301-306
[6] Wagstaff KM et al. Ivermectin is a specific inhibitor of importin alpha/beta-mediated nuclear import able to inhibit replication of HIV-1 and dengue virus. The Biochemical journal, 2012;443(3):851-856
[7] Rowland RR et al. Intracellular localization of the severe acute respiratory syndrome coronavirus nucleocapsid protein: absence of nucleolar accumulation during infection and after expression as a recombinant protein in vero cells J Virol, 2005;79(17):11507-11512
[8] Timani KA et al. Nuclear/nucleolar localization properties of C-terminal nucleocapsid protein of SARS coronavirus. Virus Res, 2005;114(1-2):23-34
[9] Wulan WN et al. Nucleocytoplasmic transport of nucleocapsid proteins of enveloped RNA viruses. Front Microbiol, 2015;6:553
[10] Frieman M et al. Severe acute respiratory syndrome coronavirus ORF6 antagonizes STAT1 function by sequestering nuclear import factors on the rough endoplasmic reticulum/Golgi membrane. J Virol, 2007;81(18):9812-9824
[11] clincialtrials.gov verfügbar unter https://clinicaltrials.gov/ct2/show/NCT02045069?term=ivermectin&cond=Dengue&draw=2&rank=1 abgerufen am 10.04.2020
[12] Yamasmith E et al. Efficacy and Safety of Ivermectin against Dengue Infection: A Phase III, Randomized, Double-blind, Placebo-controlled Trial, in the 34th Annual Meeting The Royal College of Physicians of Thailand- ‘Internal Medicine and One Health‘. 2018: Chonburi, Thailand.
[13] clincialtrials.gov verfügbar unter https://clinicaltrials.gov/ct2/show/NCT03432442?term=ivermectin&cond=Dengue&draw=2&rank=2 abgerufen am 10.04.2020
[14] Fachinfo Driponin 3 mg Fa. Pädia September 2018
[15] Gilbert BW, Slechta J A Case of Ivermectin-Induced Warfarin Toxicity: First Published Report. Hosp Pharm. 2018 Dec;53(6):393-394
[16] https://clinicaltrials.gov/ct2/show/NCT04343092?term=ivermectin&cond=COVID+19&draw=2&rank=1
[17] https://clinicaltrials.gov/ct2/show/NCT04351347?term=ivermectin&cond=COVID+19&draw=2&rank=2
[18] https://clinicaltrials.gov/ct2/show/NCT04345419?term=ivermectin&cond=COVID+19&draw=2&rank=3
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