Arzneimittel und Therapie

Keine Angst vor Metamizol!

Aber Anzeichen für eine Agranulozytose im Blick behalten

Metamizol ist ein potentes Schmerzmittel mit einem günstigen Nutzen-Risiko-Verhältnis. Sehr selten kann als Nebenwirkung eine Agranulozytose auftreten. Patienten – und auch das Apothekenpersonal – sollten wissen, welche Warnsignale es gibt und was bei einem entsprechenden Verdacht zu tun ist.

Problematisch an der Nebenwirkung Agranulozytose ist der sehr variable Verlauf, erläuterte Priv.-Doz. Dr. med. Stefan Wirz in einem Vortrag auf dem 34. Deutschen Krebskongress im Februar in Berlin. Die immunologisch bedingte Reaktion kann zu jedem Behandlungszeitpunkt auftreten und ist nicht dosisabhängig. In einer Kohorte von 80 Agranulozytose-Fällen, die im Zeitraum 1990 bis 2012 an die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft gemeldet worden waren, lag das Zeitintervall zwischen dem Start der Metamizol-Therapie und dem Auftreten der Nebenwirkung in 41% der Fälle bei sieben Tagen. Bei 18% der Patienten trat die Nebenwirkung zwischen Tag 7 und Tag 14, bei 41% zwischen dem 14. und dem 42. Behandlungstag auf.

Grippeähnliche Symptome

Definiert ist die Agranulozytose als Abfall der Granulozytenanzahl unter 500 Zellen pro Mikroliter Blut. Die Anzeichen ähneln den Symptomen eines grippalen Infekts: Halsschmerzen, Schluckbeschwerden, Mundschleimhaut- und Rachenentzündung, Fieber und Schüttelfrost können auftreten, sind jedoch manchmal nur gering ­ausgeprägt. Außerdem kann es zu Lymphknotenschwellungen und zu Entzündungen im Genital- und Analbereich kommen. Bei einer Blutuntersuchung findet man neben der erheblich reduzierten Granulozytenzahl eine stark beschleunigte Blutsenkung, dagegen häufig normale Werte für Hämoglobin, Erythrozyten und Thrombozyten. Es sei jedoch wichtig, so Wirz, dass Betroffene schnell reagieren und nicht erst das Ergebnis einer Labor­untersuchung abwarten: Metamizol müsse sofort abgesetzt und, falls nicht schon geschehen, ein Blutbild veranlasst werden. Wann immer Metamizol verordnet wird, sollten Patienten ausführlich über diese Verhaltensmaßnahmen aufgeklärt werden.

Risiko nicht nur bei Metamizol

Arzneimittelbedingte Agranulozytosen können nicht nur unter Metamizol, sondern bei zahlreichen weiteren Wirkstoffen auftreten. Während die Häufigkeit bei Antiepileptika wie Carbama­zepin oder Phenytoin in den Fachinformationen der entsprechenden Präparate analog zu Metamizol mit sehr selten (≥ 1 von 10.000 Behandelten) angegeben ist, wurden Agranulozytosen bei Thyreostatika wie Thia­mazol oder Carbimazol bei 0,3 bis 0,6% der Patienten beobachtet. Ebenfalls gelegentlich, das heißt bei ≥ 1/1000 bis < 1/100 Behandelten, ist bei Sulfasalazin mit einer Agranulozytose zu rechnen. Beim Antipsychotikum Clozapin sind wegen des Agranulozytose-­Risikos vor Beginn und während der Behandlung besonders engmaschige Überwachungen vorgeschrieben.

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Abstand halten gilt auch bei der gleichzeitigen Anwendung von ASS und Metamizol.

Vorsicht bei Kombinationen

Relevant für die Beratung in der Apotheke sind außerdem potenzielle Interaktionen von Metamizol mit anderen Arzneistoffen. Dazu zählt beispielsweise die gleichzeitige Behandlung mit Methotrexat, die bei älteren Patienten zum Ansteigen der Hämatotoxizität dieses Wirkstoffs führen kann. Deshalb sollte diese Kombination vermieden werden. Bei gleichzeitiger Anwendung mit Acetylsalicylsäure (ASS) kann Metamizol die thrombozyten­aggregationshemmende Wirkung von ASS verringern. Eine Möglichkeit, um diese Wechselwirkung zu umgehen, ist die Einnahme von ASS immer mindestens 30 Minuten vor Metamizol.

Kontraindikationen und Maximaldosen vereinheitlicht

Mitte 2018 hatte die europäische Arzneimittelbehörde EMA ein Risikobewertungsverfahren zu Metamizol gestartet, da es zwischen den Mitgliedstaaten der europäischen Union (EU) erhebliche Unterschiede, beispiels­weise bezüglich der Tagesmaximaldosen und der Kontraindikationen, gab. Im März 2019 veröffentlichte die EU-Kommission einen Durchführungsbeschluss zur EU-übergreifenden Anpassung der Fach- und Gebrauchsinformationen von Metamizol-Präparaten. Darin wurde unter anderem festgestellt, dass Metamizol-haltige Arzneimittel aufgrund des Risikos fetaler Nierenschäden und einer Verengung des Ductus arteriosus im dritten Trimenon der Schwangerschaft kontraindiziert sein sollen. Auch in der Stillzeit sollte Metamizol vorsichtshalber nicht eingenommen werden. Außerdem beinhalten die Empfehlungen der EMA die Festlegung einer maximalen oralen Einzeldosis von 1000 mg und einer Tagesmaximaldosis von 4000 mg bei Patienten ab 15 Jahren.

Indikationsgerecht einsetzen

Da es sich bei Metamizol um einen verschreibungspflichtigen Wirkstoff handelt, tragen vor allem die Ärzte Verantwortung für den sicheren Einsatz. Der Arzneistoff sollte nur in den zugelassenen Indikationen und unter Beachtung der Kontraindikationen verordnet werden. Wegen seiner analgetischen, antipyretischen und spasmolytischen Eigenschaften ist Metamizol derzeit indiziert bei akuten starken Schmerzen nach Verletzungen oder Operationen, bei Koliken, Tumorschmerzen, sonstigen akuten oder chronischen starken Schmerzen (soweit andere therapeutische Maßnahmen nicht indiziert sind) sowie bei hohem Fieber, das auf andere Maßnahmen nicht anspricht. Dagegen besitzt ein Off-label-Use bei geringen Schmerzen ein ungünstiges Risiko-Nutzen-Profil. |
 

Literatur

Symposium „Kontroversen und Herausforderungen in der Tumorschmerztherapie: ­Cannabis, Metamizol und Methadon“, 34. Deutscher Krebskongress, Berlin, 20. Februar 2020

Stammschulte T et al. Metamizole (dipyrone)-associated agranulocytosis. An analysis of German spontaneous reports 1990-2012. Eur J Clin Pharmacol 2015;71(9):1129-38

Huber M et al. Drug-induced agranulocytosis in the Berlin case-control surveillance study. Eur J Clin Pharmacol. 2014;70(3):339-45

Europäische Kommission. Durchführungsbeschluss der Kommission vom 20. März 2019 betreffend die Zulassungen für Humanarzneimittel mit dem Wirkstoff „metamizol-natrium“ gemäß Artikel 31 der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates. https://ec.europa.eu; Abruf am 18. März 2020

Fachinformationen von Präparaten mit den ­genannten Wirkstoffen

Apothekerin Dr. Claudia Bruhn

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