Arzneimittel und Therapie

Alleskönner Ketamin

Potenzial auch zur Behandlung von refraktären Tumorschmerzen

Ketamin wird seit Langem für Allgemein- und Regionalanästhesien eingesetzt. Dank der Zulassung seines S-Enantiomers zur Behandlung therapieresistenter Depressionen (Spravato® Nasenspray) ist der Wirkstoff in jüngster Zeit wieder vermehrt in den Fokus gerückt. Wegen seiner guten analgetischen Eigenschaften wird Ketamin derzeit aber auch bei schwer behandel­baren Schmerzen erprobt.

Die analgetischen Eigenschaften von Ketamin sind besonders nutzbringend bei sehr schmerzhaften Eingriffen, zum Beispiel bei Verbrennungen. Denn die Analgesie hält auch dann noch an, wenn die narkotische Wirkung bereits nachgelassen hat. Bereits 1995 wurde der Fallbericht eines Patienten mit neuropathischen Schmerzen aufgrund einer Tumorerkrankung publiziert, bei dem eine kontinuierliche Ketamin-Infusion in einer subanästhetischen Dosierung erfolgreich angewendet wurde. Als Nebeneffekt konnte die Morphin-Dosis drastisch reduziert werden. Fünf Jahre später publizierte dieselbe Arbeitsgruppe eine randomisierte, doppelblinde, placebokontrollierte Crossover-Studie, in der Tumorpatienten, deren Schmerzen mit Opioiden nicht suffizient behandelbar waren, Ketamin-Infusionen erhielten. Bei fast allen Patienten ließen sich die Schmerzen signifikant stärker lindern als mit einer Kochsalzinfusion.

Wie Dr. Michael Schenk, Berlin, in ­einem Vortrag auf dem 34. Deutschen Krebskongress in Berlin erläuterte, müssen bei der längerfristigen Anwendung von Ketamin gegen Schmerzen allerdings zahlreiche unerwünschte Wirkungen beachtet werden. Wichtig seien neben zentralen Nebenwirkungen wie Halluzinationen und einem Missbrauchspotenzial auch die Lebertoxizität sowie kardiovaskuläre, urogenitale und abdominelle ­Effekte. Da diese dosisabhängig sind, lassen sie sich durch eine langsame Auftitration möglicherweise reduzieren. Zu klären sei auch der am besten geeignete Applikationsweg, so Schenk. Denkbar wäre neben der Infusion auch eine orale, subkutane, nasale oder intrathekale Verabreichung.

Datenlage unzureichend

Die Autoren eines Cochrane Reviews kamen 2017 zu dem Ergebnis, dass die Datenlage zum Nutzen-Risiko-Verhältnis von Ketamin zur Behandlung von refraktären Tumorschmerzen noch völlig unzureichend sei. Möglicher­weise wird sich das in naher Zukunft jedoch ändern, da derzeit viele klinische Studien zu dieser Fragestellung durchgeführt werden. Es bleibt also abzuwarten, ob sich Ketamin auch in dieser Indikation bewährt. |
 

Literatur

Dr. Michael Schenk. Wenn nichts mehr geht – Ketamin bei refraktären Tumorschmerzen. Vortrag im Rahmen des Symposiums „Kontroversen und Herausforderungen in der Tumorschmerztherapie: Cannabis, Metamizol und Methadon“ im Rahmen des 34. Deutschen Krebskongresses am 20. Ferbruar 2020 in Berlin

Makosi DM. Ein Spray gegen die Hoffnungslosigkeit. Dtsch Apoth Ztg 2020;160(10):42-44

Bell RF et al. Ketamine as an adjuvant to opioids for cancer pain. Cochrane Database Syst Rev 2017;26:CD003351

Fachinformation Ketamin Panpharma, Stand Oktober 2019

Fachinformation Ketanest®S, Stand Januar 2019

Mutschler Arzneimittelwirkungen, 11. Auflage 2020, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH, Stuttgart

Mercadante S et al. Long-term ketamine subcutaneous continuous infusion in neuropathic cancer pain. J Pain Symptom Manage. 1995;10(7):564-568

Mercadante S et al. Analgesic effect of intravenous ketamine in cancer patients on morphine therapy: a randomized, controlled, double-blind, crossover, double-dose study. J Pain Symptom Manage 2000;20(4):246-252.

www.clinicaltrials.gov, Abruf am 19. März 2020

Apothekerin Dr. Claudia Bruhn

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