Arzneimittel und Therapie

ASS statt Heparin?

Auf der Suche nach der optimalen Thromboseprophylaxe

cst | Nach Knie- und Hüftgelenks­ersatzoperationen besteht ein erhöhtes Thromboserisiko. Daher erhal­ten Patienten nach einem solchen Eingriff in aller Regel eine medi­kamentöse Prophylaxe. Welches Arzneimittel dabei bevorzugt eingesetzt werden sollte, ist umstritten. Die Ergebnisse einer umfassenden Metaanalyse haben Acetyl­salicylsäure (ASS) verstärkt in den Fokus gerückt. Zu Recht?

Als Thrombozytenaggregationshemmer kann Acetylsalicylsäure (ASS) der Bildung von Blutgerinnseln entgegenwirken. Zur Prophylaxe von Herz-Kreislauf-­Ereignissen wie Myokardinfarkten wird der „Blutverdünner“ in niedrigen Dosierungen eingesetzt. Zur Vorbeugung von venösen Thromboembolien (VTE) nach Knie- und Hüftgelenksersatzoperationen ist ASS allerdings nicht zugelassen. Dennoch wird der kostengünstige und einfach anzuwendende Wirkstoff auch hier off label verordnet. In manchen Leitlinien wird ASS in dieser Indikation als Therapi­eoption genannt. Doch wie steht es um die Evidenz?

Foto: Ralf Geithe – stock.adobe.com

Auf das lästige Spritzen würden viele Patienten nach endoprothetischen Operationen gerne verzichten.

Dieser Frage ging ein Team von Wissenschaftlern im Rahmen einer Metaanalyse nach. Dazu führten sie eine umfassende Literaturrecherche durch und identifizierten 13 randomisierte, kontrollierte klinische Studien, in denen insgesamt 6060 Patienten nach einer Knie- oder Hüftgelenksersatzoperation eine medikamentöse VTE-Prophylaxe – ASS bzw. eine anti­koagulationsbasierte Prophylaxe – erhal­ten hatten. Placebokontrollierte Studien wurden nicht berücksichtigt.

2969 Patienten waren mit ASS behandelt worden, 3091 bekamen ein Vergleichspräparat (niedermolekulares Heparin, Rivaroxaban ± niedermolekulares Heparin, Warfarin, Dextran, Dipyridamol). Als primärer Endpunkt wurde das Risiko für venöse thromboembolische ­Ereignisse nach dem operativen Eingriff analysiert. Dabei zeigte sich kein signifikanter Unterschied zwischen einer Behandlung mit ASS und einer Behandlung mit einem Vergleichspräparat (relatives Risiko [RR] 1,12; 95%-Konfidenzintervall [KI] 0,78 bis 1,62). Auch im Hinblick auf tiefe Venen­thrombosen (RR 1,04; 95%-KI 0,72 bis 1,51) und Lungenembolien (RR 1,01; 95%-KI 0,68 bis 1,48) war ASS den anderen präventiven Thera­pien nicht unterlegen. Im Sicherheitsprofil gab es ebenfalls keine Auffälligkeiten. Weder schwere Blutungen noch Wundhämatome oder Wundinfektionen waren unter ASS häufiger als unter den Vergleichstherapien. Blutergüsse und Ödeme in den unteren Extremitäten traten unter ASS signi­fikant seltener auf.

Den Ergebnissen dieser Metaanalyse zufolge scheint die Wirksamkeit und Verträglichkeit einer ASS-Prophylaxe zur Verringerung des Thromboembolierisikos nach Knie- und Hüft­gelenks­ersatzoperationen somit gegeben. Allerdings weisen die Autoren der Arbeit selbst darauf hin, dass weitere Studien erforderlich sind, um diese Einschätzung zu bestätigen. Auch Prof. Dr. med. Sylvia Haas, Mitglied des Koordinationskomitees der deutschen S3-Leitlinie Prophylaxe der venösen Thromboembolie, sieht derzeit keine Notwendigkeit, die bestehenden Leitlinienempfehlungen anzupassen. Ihren Kommentar lesen Sie auf S. 45. |


Literatur
Matharu GS et al. Clinical effectiveness and safety of aspirin for venous thromboembolism prophylaxis after total hip and knee replacement. A systematic review and meta-analysis of randomized clinical trials. JAMA Intern Med 2020; doi:10.1001/jamainternmed.2019.6108

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