Foto: Feydzhet Shabanov – stock.adobe.com

Pandemie Spezial

Marscherleichterung

Welche Ausnahmeregeln den Apotheken bei der Bewältigung der Corona-Krise helfen sollen

eda/tmb/ks/bro/jb/cel | Wie sich die Corona-Pandemie hierzulande und weltweit entwickelt, kann zurzeit nur sehr schwer abgeschätzt werden. Auch scheinen gesetz­geberische Maßnahmen aktuell eher als Reaktion auf die Dynamik dieser Lage zu erfolgen. So hat Bundes­gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) innerhalb von nur einer Woche sein Gesetzespaket zur Corona-Epi­demie durchgebracht. Damit hat der Bund nun weit­gehende Kompetenzen, um bei einem weltweiten Infektionsgeschehen wie derzeit schnell reagieren zu können. Was das konkrekt für die Arzneimittelversorgung und den Apothekenbetrieb bedeutet, bleibt weitgehend unklar. Fest steht, dass durch Verordnungen und Vertragsänderungen bereits jetzt einige Erleichterungen für die Apotheken realisiert wurden. Wir haben im Folgenden die wichtigsten Neuerungen für Sie zusammengefasst.

Herstellung von Desinfektionsmitteln

Die Herstellung von Händedesinfektionsmitteln in der Apotheke war bis zum Beginn der Corona-Krise kein leichtes Unterfangen – gemessen an den gesetzlichen Vorgaben und dem bürokratischen Aufwand. Die Frage, ob es sich bei alkoholhaltigen Rezepturen zur Desinfektion um Arzneimittel oder Biozide handelt, wurde und wird nach wie vor in der Fachwelt sehr unterschiedlich gedeutet. So wäre für die Produktion nach Biozid-Verordnung normalerweise eine Zulassung nötig, die zu Kosten im fünfstelligen Bereich führt. Nun haben (Standes-)Politik und Behörden aber verschiedene Hebel in Bewegung gesetzt, diese Hürden zu erleichtern. Vor allem gehören dazu die Allgemeinverfügungen der Bundesstelle für Chemikalien und des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), die Ausnahmen von der Biozid-Verordnung vorsehen und auch die vorübergehende Abweichung vom Inhalt der Zulassung erlauben, da sich die Marktsituation bei den Ausgangsstoffen und Primärpackmitteln verschärft hat. Eine Übersicht finden Sie, wenn Sie bei DAZ.online den Webcode P8MN8 eingeben.

Foto: Kunstzeug – stock.adobe.com

Präsenzpflicht und Öffnungszeiten

Die Apothekenbetriebsordnung verpflichtet Apotheken zur ständigen Betriebsbereitschaft. Zugleich dürfen die „zuständigen Behörden“ – in den allermeisten Fällen sind dies die Landesapothekerkammern – die Apotheken teilweise von dieser Dienstpflicht befreien. Im Zuge der Corona-Krise wurden die Mindestöffnungszeiten in manchen Kammerbezirken bereits per Allgemeinverfügungen reduziert. Hier können die Apotheken ihre Öffnungszeiten nun bei Bedarf und ohne gesonderten Antrag reduzieren. Wo die Kammern bzw. Behörden noch nicht selbst tätig wurden, sollte im Fall der Fälle mit der Kammer Kontakt aufgenommen werden, um die Zeiten dem Bedarf und der Personalsituation entsprechend herunterfahren zu können. Doch in Krisenzeiten gibt es auch Luft nach oben: So hat etwa Baden-Württemberg in seiner Corona-Verordnung jenen Einrichtungen und Geschäften, die derzeit noch geöffnet haben dürfen, an Sonn- und Feier­tagen eine Öffnung von 12.00 Uhr bis 18.00 Uhr erlaubt.

Foto: Friedberg – stock.adobe.com

Rabattverträge eingeschränkt

Seit Beginn der Pandemie haben viele Krankenkassen ­bundesweit zumeist bis Ende April die Anwendung der ­Rabattverträge eingeschränkt. Nicht vorrätige Rabattarzneimittel können mit dem Sonderkennzeichen durch vorrätige austauschbare Arzneimittel ersetzt werden. Die AOK Bayern eröffnet zusätzliche erhebliche Austauschmöglichkeiten. Die AOK Baden-Württemberg lässt austauschbare Alternativen auch bei nicht rabattierten Arzneimitteln sowie andere Stückelungen zu, sofern der Vorrat des eigentlich abzugebenden Arzneimittels erschöpft ist.

Kurz vor Redaktionsschluss dieser Ausgabe hat die ABDA über eine neue Einigung für die ganze GKV informiert. Wenn weder ein Rabattarzneimittel noch ein anderes preisgünstiges Arzneimittel in der Apotheke verfügbar sei, könne demnach ein vorrätiges austauschbares Arzneimittel abgegeben werden. Dazu müsse ein Sonderkennzeichen aufgedruckt werden.

Foto: pixelfokus - stock.adobe.com

Rezeptübermittlung – per Fax oder postalisch

In Hamburg, Schleswig-Holstein und im Saarland dürfen Arztpraxen Rezepte per Fax an Apotheken übermitteln. Dort ermuntern die Kassenärztlichen Vereinigungen und die Apothekerverbände die Patienten, sich mit Rezeptwünschen telefonisch an die Arztpraxen zu wenden. Diese können die Rezepte an die gewünschte Apotheke faxen. Weitere Kontakte lassen sich vermeiden, wenn die verordneten Arzneimittel per Botendienst zugestellt werden. Mit der telefonischen Bestellung des Rezeptes beim Arzt ist jedoch kein Anspruch des Patienten auf einen Botendienst der Apotheke verbunden. Am 27. März beschloss der Gemeinsame Bundesausschuss zudem, dass bis zum 31. Mai bundesweit Arztpraxen Rezepte nach einer telefonischen Anamnese ausstellen dürfen, sofern der Patient aus einer laufenden Behandlung bekannt ist. Die Verordnung könne auf postalischem Weg oder auf andere Weise an den Versicherten übermittelt werden.

Foto: piyapong01 – stock.adobe.com

Botendienst – als Regelleistung und vergütet

Für die Apotheker in Baden-Württemberg gibt es seit letzter Woche ein neues Sonderkennzeichen, nämlich 06461096 AOK BW/LKK – Botendienst. Mit diesem können ab sofort Botendienste für Versicherte der AOK Baden-Württemberg sowie der Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau mit einer Pauschale von 2,00 EUR zzgl. Ust. gesondert berechnet werden. Hintergrund ist, dass Apotheken aktuell vermehrt Botendienste anbieten (sollten), um erkrankten Patienten den Weg in die Apotheke zu sparen und so das Ansteckungsrisiko zu minimieren. Die Vereinbarung zwischen dem LAV und Kostenträgern ist zunächst befristet bis zum 30. April 2020. Ob weitere Krankenkassen und Verbände an entsprechenden Regelungen arbeiten, ist noch nicht bekannt. Davon abgesehen ist der Botendienst seit Oktober 2019 nicht mehr auf den Einzelfall beschränkt. Der Kundenwunsch rechtfertigt bereits eine solche Lieferung. Die Zustellung muss allerdings durch das pharmazeutische Personal erfolgen, wenn vor der Auslieferung keine Beratung stattgefunden hat. Außerdem muss pharmazeutisches Personal eingesetzt werden, wenn bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln das Rezept bisher noch nicht in der Apotheke vorliegt.

Foto: cirquedesprit – stock.adobe.com

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.