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Corona-Krise: Milliardenhilfen für das Gesundheitssystem
Gesetzespaket soll im Eilverfahren beschlossen werden
Kliniken und Arztpraxen in Deutschland sollen mit Milliardenhilfen vor Finanznöten wegen der besonderen Belastungen in der Corona-Krise bewahrt werden. Das Bundeskabinett brachte am vergangenen Montag ein Gesetzespaket von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) auf den Weg, das Mehrkosten und Einnahmeausfälle auffangen soll. Für den Ausbau der Intensivbetten für schwer kranke Corona-Patienten soll es Bonuszahlungen geben.
Spahn sprach von einem „Rettungsschirm“ für die Kliniken, der je nach Lage bis zu 10 Milliarden Euro umfassen könnte – bei regulären Ausgaben für die Krankenhäuser von jährlich 80 Milliarden Euro. So soll es für jedes nun frei gehaltene Bett pauschal 560 Euro pro Tag geben. Für jede neue intensivmedizinische Behandlungseinheit mit künstlicher Beatmung sollen Kliniken 50.000 Euro Bonus bekommen. Um Mehrkosten etwa bei Schutzausrüstung aufzufangen, soll es – für die Zeit von April bis Ende Juni 2020 – außerdem einen Zuschlag von 50 Euro je Patient geben. Dieser soll auch erhöht oder verlängert werden können.
Hintergrund ist, dass die Krankenhäuser planbare Operationen und Neuaufnahmen – wenn medizinisch vertretbar – vorerst aussetzen sollen. Dies soll Kapazitäten freimachen, um für viele Corona-Patienten mit schwereren Krankheitsverläufen vorbereitet zu sein. Außerdem soll die Zahl von bisher 28.000 Intensivbetten verdoppelt werden. Der Bund kalkuliert allein als Ausgleich für die Verschiebung planbarer Eingriffe mit Mehrausgaben von rund 2,8 Milliarden Euro. Die Pläne waren nach massiver Kritik an ersten Entwürfen nachgebessert worden.
Unterstützung auch für niedergelassene Ärzte
Zum Paket gehört auch Unterstützung für Praxen. Niedergelassene Ärzte und Psychotherapeuten, zu denen jetzt kaum Patienten kommen, sollen bei größeren Umsatzausfällen Ausgleichszahlungen bekommen. Geld gibt es auch für die Einrichtung zentraler „Fieberambulanzen“, damit Patienten mit Verdacht auf das Coronavirus nicht direkt in Praxen gehen. Generell soll es nicht auf das BAföG angerechnet werden, wenn zum Beispiel Medizinstudierende nun in Krankenhäusern mitarbeiten. Beide Gesetze sollen noch in dieser Woche abschließend in Bundestag und Bundesrat beraten werden.
Mit Blick auf Materialnachschub stellte Spahn weitere kleinere und größere Lieferungen an Schutzausrüstung wie Masken in Aussicht. Diese sollten gleich weiterverteilt und nicht erst gesammelt werden. Bei Tests gebe es eine Kapazität von bis zu 200.000 in der Woche. Hier gebe es Engpässe nicht bei den Tests als solchen, sondern eher bei der Ausstattung der Labore mit Zubehör und Reaktionsstoffen.
Infektionsschutzgesetz: Mehr Kompetenzen für den Bund
Auch als Konsequenz aus der aktuellen Krise brachte das Kabinett zudem Neuregelungen für schnellere Entscheidungen in „epidemischen Lagen von nationaler Tragweite“ auf den Weg – also dann, wenn die Weltgesundheitsorganisation (WHO) eine Pandemie ausruft oder eine bundesländerübergreifende Ausbreitung einer bedrohlichen Krankheit droht. Diese Änderungen am Infektionsschutzgesetz betreffen auch den Apotheken- und Arzneimittelbereich: Denn die Bundesregierung erhält zahlreiche Möglichkeiten, in Verordnungen ohne Zustimmung des Bundesrates – nur im Epidemiefall – in die Regelungen der Azneimittelversorgung einzugreifen.
Ausdrücklich wird das Bundesgesundheitsministerium (BMG) ermächtigt, per Rechtsverordnung Maßnahmen zur Sicherstellung der Versorgung mit Arzneimitteln, Betäubungsmitteln, Wirkstoffen, Ausgangs- und Hilfsstoffen, Medizinprodukten und Hilfsmitteln (§ 5 Abs. 3 Nr. 4) zu ergreifen. Dazu sollen Ausnahmen von den Vorschriften des Arzneimittelgesetzes, des Betäubungsmittelgesetzes und des Apothekengesetzes möglich sein. Auch die auf deren Grundlage erlassenen Verordnungen (also auch die Apothekenbetriebsordnung und die Arzneimittelpreisverordnung) sollen kurzfristig modifiziert werden können, ebenso wie Regelungen, in denen es um die persönliche Schutzausrüstung oder den Arbeitsschutz geht. Ebenfalls soll es im Epidemiefall schnelle Änderungen bei der Herstellung, Kennzeichnung, Anwendung, Verschreibung, Abgabe, Ein- und Ausfuhr und beim Verbringen von Arzneimitteln geben. Das gleiche gilt für den Betrieb von Apotheken einschließlich Leitung und Personaleinsatz.
Welche Regelungen hier konkret umgesetzt bzw. gelockert werden, wird nicht genannt. Der Bund erhält ganz grundsätzlich die Möglichkeit, flexibel in diese Bereiche einzugreifen. Die Arzneimittelbehörden sollen diese Änderungen im Einzelfall umsetzen.
Preisbildung und Vergütung
Die genannte Rechtsverordnung zur Sicherung der Arzneimittelversorgung kann überdies folgendes vorsehen:
- Maßnahmen zum Bezug, zur Beschaffung, Bevorratung, Verteilung und Abgabe von Arzneimitteln sowie Regelungen zu Melde- und Anzeigepflichten,
- Regelungen zur Preisbildung, Erstattung sowie Vergütung
- und auch Regelungen zur Aufrechterhaltung, Umstellung, Eröffnung oder Schließung von Produktionsstätten oder einzelnen Betriebsstätten von Unternehmen, die beispielsweise Arzneimittel oder Schutzausrüstung produzieren, sollen möglich sein.
Weiterhin geht es im Gesetzentwurf um Auskunftspflichten von Personen, die aus Risikogebieten einreisen, die mögliche Zwangsrekrutierung von Ärzten, Gesundheitseinrichtungen, Pflegeeinrichtungen zur Aufrechterhaltung der Versorgung sowie um eine Stärkung der Position des Robert Koch-Instituts (RKI) unter anderem als Koordinierungsstelle. Weiterhin umstritten ist die geplante Datensammlung, die im Sozialgesetzbuch 5. Buch (SGB V) festgelegt werden soll. Das BMG wird zudem verpflichtet, dem Bundestag bis spätestens zum 31. März 2021 einen Bericht zu den Erkenntnissen aus der Epidemie vorzulegen. Alle oben genannten Maßnahmen sollen unverzüglich für beendet erklärt werden, wenn die Voraussetzungen dafür nicht mehr vorliegen.
Gesetze werden noch diese Woche beschlossen
Beide Gesetzentwürfe – das COVID-19-Krankenhausentlastungsgesetz und das Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite – sollen noch diese Woche abschließend vom Deutschen Bundestag sowie vom Bundesrat beschlossen werden.
Die Forderungen der ABDA
ABDA-Präsident Friedemann Schmidt hatte sich noch vor dem Kabinettsbeschluss am vergangenen Montag in einem Interview zu Wort gemeldet und ebenfalls schnelle Änderungen zur Krisenbewältigung und zum Patientenschutz in diesen Bereichen gefordert. Die ABDA hatte allerdings noch mehrere, darüber hinausgehende Forderungen für die Apotheken.
Um die Häufigkeit von Kundenkontakten in den Apotheken zu reduzieren, fordert die ABDA, die Rabattverträge „schnellstens und bundesweit“ auszusetzen. Die schon erfolgten Lockerungen beruhten laut Schmidt auf Zusagen „einzelner Kassen“. Die Apotheker bräuchten aber „Rechtssicherheit und -gleichheit für alle Versicherten“.
Auch im Hinblick auf die Abgaberegeln sollen die Apotheker mehr „Beinfreiheit“ erhalten. Schmidt wörtlich: „Wir müssen von Vorschriften für Packungsgrößen und Wirkstoffdosierung abweichen können. Zur Not bekommt der Patient eine kleinere oder größere Packung als die vorgesehene, ausgeeinzelte Tabletten oder eine andere Wirkstoffdosierung.“
Für das Leben nach dem Lockdown fordert Schmidt, dass ältere Menschen und Risikogruppen weiter geschützt werden. Die Apotheker müssten dann „massenhaft“ Botendienste ausführen. Die Kassen sollten die Kosten dafür übernehmen.
Zuweisungsverbot vorübergehend lockern
Ebenso fordert der ABDA-Präsident, dass eine für die Apotheker wichtige Regelung gelockert wird: das Zuweisungsverbot. Wörtlich sagt Schmidt in dem Interview: „Gesundheitsminister Jens Spahn muss für die Zeit der Krise eine direktere Zusammenarbeit zwischen Ärzten und Apotheken erlauben. Derzeit ist es Ärzten verboten, die Rezepte direkt an Apotheker weiterzugeben.“
Auf die Frage, ob die Apotheker noch ihren Betrieb aufrechterhalten könnten, bringt der ABDA-Präsident ebenfalls einen Wunsch ins Spiel. Denn er rechnet damit, dass sich auch immer mehr Apotheker und ihre Mitarbeiter infizieren werden. Daher die Forderung: „Derzeit gelten aber strenge rechtliche Auflagen, was die Personalstärke in einer Apotheke angeht. Die kann keiner mehr aufrechterhalten. Da muss eine Übergangsregelung für die Krise her.“
Und schließlich will Schmidt auch die Versorgung über die Notdienstklappe ermöglichen. Dazu sagt er, dass man eine Notverordnung brauche, in der die Pflicht des offenen Verkaufsraums aufgehoben wird. |
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