- DAZ.online
- DAZ / AZ
- DAZ 11/2020
- Gleicher Schutz mit ...
Arzneimittel und Therapie
Gleicher Schutz mit weniger Impfdosen?
Empfehlungen zur HPV- und Diphtherie-Tetanus-Immunisierung hinterfragt
Derzeit wird zur Prävention von Erkrankungen, die durch onkogene humane Papillomviren (HPV) hervorgerufen werden, in der Regel eine zweimalige Impfung empfohlen (s. Kasten „STIKO-Empfehlung zur HPV-Impfung“). Doch gibt es Hinweise, dass bereits eine einmalige Impfung zervikale intraepitheliale Neoplasien, die Vorstufen von Gebärmutterhalskrebs, weitgehend verhindern kann. In einer US-amerikanischen Kohortenstudie wurde diese Hypothese überprüft. Ausgewertet wurden Krankenversicherungsdaten von 66.541 Mädchen und jungen Frauen, die ein, zwei oder drei Impfdosen erhalten hatten. Als Kontrollgruppe diente ein ebenso großes, nicht geimpftes Kollektiv. Alle in der Untersuchung berücksichtigten Mädchen und Frauen hatten an einem Zervixkarzinomscreening teilgenommen.
STIKO-Empfehlungen zur HPV-Impfung
In Deutschland wird die Impfung gegen humane Papillomviren (HPV) für alle Kinder und Jugendlichen – sowohl Mädchen als auch Jungen – im Alter von neun bis 14 Jahre empfohlen. Versäumte Impfungen sollten nachgeholt werden, spätestens bis zum Alter von 17 Jahren. Die Zahl der erforderlichen Impfdosen hängt vom Alter bei Beginn der Impfserie ab. Wird im Alter von neun bis 14 Jahren mit der Impfserie begonnen, sind zwei Impfdosen ausreichend – das gilt sowohl für den bivalenten HPV-Impfstoff Cervarix®gegen die Hochrisiko-Typen 16 und 18 als auch für den neunvalenten HPV-Impfstoff Gardasil®9, der zusätzlich die Hochrisiko-Typen 31, 33, 45, 52 und 58 abdeckt. Die Impfdosen sollten im Abstand von mindestens fünf Monaten gegeben werden. Wird dieser Abstand unterschritten, ist eine dritte Impfdosis nötig. Das gilt auch, wenn die Impfserie ab dem Alter von 15 Jahren und älter begonnen wurde. Auch dann sollte dreimal gegen HPV geimpft werden: mit Cervarix® im Abstand von 0-1-6 Monaten, mit Gardasil®9 im Abstand von 0-2-6 Monaten [3, 4].
Positiver Effekt nach einmaliger HPV-Impfung
Jugendliche im Alter zwischen 15 und 19 Jahren, die ein, zwei oder drei Impfdosen erhalten hatten, wiesen eine geringere Rate präinvasiver zervikaler Neoplasien auf als nicht geimpfte. Innerhalb von fünf Jahren entwickelten 2,65% der nicht geimpften Jugendlichen eine mittel- bis hochgradige Dysplasie, in der geimpften Gruppe waren es nur 1,62% (nach einer Impfung), 1,99% (nach zwei Impfungen) bzw. 1,86% (nach drei Impfungen). Durch die Impfung sank das Risiko einer präinvasiven zervikalen Erkrankung nach einer Impfdosis um 36% (Hazard Ratio [HR] 0,64; 95%-Konfidenzintervall [KI] 0,47 bis 0,88) nach zwei Impfdosen um 28% (HR 0,72; 95%-KI 0,54 bis 0,95) und nach drei Impfdosen um 34% (HR 0,66; 95%-KI 0,55 bis 0,80). Eine einmalige Impfung scheint also denselben Schutz zu vermitteln wie eine dreimalige Impfung. Für die jüngste (unter 15 Jahre) und älteste Altersgruppe (über 20 Jahre) wurden keine signifikanten Unterschiede zwischen den drei geimpften Gruppen festgestellt. Die Ergebnisse zeigen, dass eine unterschiedliche Zahl an Impfdosen mit einer ähnlichen Abnahme zervikaler Krebsvorstufen verbunden ist. Ob auf eine zweite Impfdosis tatsächlich verzichtet werden kann, muss allerdings in weiteren Studien geklärt werden [1].
STIKO-Empfehlungen zur Td-Impfung
Im Säuglingsalter soll eine Grundimmunisierung mit insgesamt vier Impfdosen durchgeführt werden („3+1-Impfschema“). Danach werden Auffrischimpfungen im Alter von fünf bis sechs Jahren und neun bis 16 Jahren empfohlen. Alle weiteren Auffrischimpfungen sollten in zehnjährigem Abstand zur vorangegangenen Impfung erfolgen. Bei der nächsten fälligen Impfung gegen Tetanus und Diphtherie (Td) sollten Erwachsene einmalig einen Kombinationsimpfstoff mit einer Pertussis-Komponente erhalten (Tdap), bei entsprechender Indikation zusätzlich mit einer Polio-Komponente (Tdap-IPV) [3, 5, 6].
Anhaltende Wirkung nach Td-Grundimmunisierung
Im Gegensatz zur STIKO (s. Kasten „STIKO-Empfehlungen zur Td-Impfung“) sieht die Weltgesundheitsorganisation (WHO) keine routinemäßigen Auffrischimpfungen nach erfolgter Grundimmunisierung gegen Tetanus und Diphtherie (Td) vor. Kann auf eine Auffrischimpfung also verzichtet werden? Mit dieser Frage befassten sich die Autoren einer US-amerikanischen Studie. Als Datengrundlage dienten die Tetanus- und Diphtheriefälle, die im Zeitraum zwischen 2001 und 2016 in 31 nordamerikanischen und europäischen Ländern aufgetreten waren. Diese wurden mit den länderspezifischen Impfempfehlungen in Beziehung gesetzt. Die Länder wurden in zwei Gruppen geteilt: In Gruppe I mit Empfehlungen zu einer Auffrischimpfung alle fünf bis 20 Jahre und in Gruppe II, in denen keine routinemäßigen Auffrischimpfungen empfohlen werden. Ein Vergleich dieser zwei Gruppen zeigte keine signifikante Abnahme der Tetanus-Inzidenz in Ländern mit einer Auffrischimpfung (Risiko-Verhältnis 0,78; 95%-KI 0,36 bis 1,70). Dasselbe galt für die Diphtherie-Inzidenz nach Ausschluss der Daten von Lettland, einem Land mit sehr geringen Impfraten (Risiko-Verhältnis 2,46; 95%-KI 0,54 bis 11,23). Nach Ansicht der Autoren könnte bei Erwachsenen somit auf Auffrischimpfungen verzichtet werden – vorausgesetzt, die Td-Impfserie zur Grundimmunisierung wurde im Kindesalter komplettiert [2]. |
Literatur
[1] Rodriguez A et al. Comparison of the long-term impact and clinical outcomes of fewer doses versus standard doses of human papillomavirus vaccine in the United States: a database study. Cancer; doi:10.1002/cncr.32700
[2] Slifka A et al. Incidence of Tetanus and Diphtheria in Relation to Adult Vaccination Schedules. Clin Infect Dis; doi:10.1093/cid/ciaa017
[3] Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) beim Robert Koch-Institut (RKI) – 2019/2020. Epidemiologisches Bulletin Nr. 34, 2019. www.rki.de; abgerufen am 1. März 2020
[4] Robert Koch-Institut (RKI). Humane Papillomviren (HPV) – Antworten auf häufig gestellte Fragen (FAQ) zu Erreger und Impfung (Stand: 2. April 2019). www.rki.de; abgerufen am 1. März 2020
[5] Robert Koch-Institut (RKI). Schutzimpfung gegen Diphtherie: Häufig gestellte Fragen und Antworten (Stand: 20. November 2019). www.rki.de; abgerufen am 1. März 2020
[6] Robert Koch-Institut (RKI). Schutzimpfung gegen Tetanus: Häufig gestellte Fragen und Antworten (Stand: 4. Juli 2016). www.rki.de; abgerufen am 1. März 2020
0 Kommentare
Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.