Arzneimittel und Therapie

Riskante Antipsychotika

Bei Kindern und Jugendlichen ist Vorsicht geboten

Antipsychotika werden bei Kindern und Jugendlichen oft außerhalb der Zulassung eingesetzt – obwohl kardiovaskuläre und metabolische Nebenwirkungen bekannt sind. Doch erhöht sich dadurch auch die Sterblichkeit in dieser Altersgruppe? Dieser Frage wurde anhand einer retrospektiven Kohortenstudie nachgegangen.

Seit der Markteinführung der modernen Antipsychotika wie Quetiapin, Olanzapin oder Risperidon ist die Verschreibungshäufigkeit von antipsychotischen Arzneistoffen bei Kindern und Jugendlichen deutlich gestiegen. Das zeigen Zahlen aus den USA: Im Jahr 2010 haben 1,3 Millionen Menschen unter 24 Jahren insgesamt rund sieben Millionen Antipsychotika-Verordnungen erhalten. Die häufigsten Indikationen dafür waren Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS), Verhaltensstörungen und Depressionen, obwohl dafür eigentlich andere Arzneistoffe als Mittel der Wahl zur Verfügung stehen. Die Einnahme scheint also zu einem großen Teil off label zu erfolgen. Eine Therapie mit Antipsychotika kann jedoch mit kardiovaskulären und metabolischen Nebenwirkungen einhergehen, die unter Umständen lebensbedrohlich sein können. Bislang liegen allerdings wenig randomisierte kontrollierte Studien zu möglichen Komplikationen einer antipsychotischen Therapie bei jüngeren Patienten vor.

Foto: Fiedels – stock.adobe.com
Cave Antipsychotika: Immer mehr Kinder und Jugendliche werden mit Antipsychotika behandelt, häufig off label – ein riskantes Unterfangen.

Daher wurde nun das Mortalitätsrisiko anhand einer retrospektiven Datenauswertung ermittelt. Dazu wurden Ver­sichertendaten von 5- bis 24-jährigen Patienten aus den Jahren 1999 bis 2014 aus Tennessee, USA, analysiert, bei denen weder eine lebensbedrohliche körperliche Erkrankung vorlag noch eine Schizophrenie, ein Tourette-Syndrom oder andere Psychosen diagnostiziert worden waren. Verglichen wurden die Daten von Patienten, die erstmalig ein orales Antipsychotikum verordnet bekommen hatten, mit Daten von Kontrollpatienten. In der Hochdosisgruppe wurden Patienten zusammengefasst, die Antipsychotika in einer Dosis von über 50 mg Chlorpromazin-Äquivalenten eingenommen hatten, in der Niedrig­dosisgruppe diejenigen, die Antipsychotika in einer Dosis von unter 50 mg Chlorpromazin-Äquivalenten erhalten hatten. Die Kontrollgruppe umfasste Patienten, die entsprechend ihrer Indikationen (ADHS, Verhaltensstörung, Depression) mit der üblichen Medikation behandelt worden waren (z. B. Psychostimulanzien, Antidepressiva). Als Endpunkt wurde das Eintreten des Todes während des Beobachtungszeitraums definiert. Unterschieden wurde dabei zwischen Tod aufgrund von Verletzung oder Suizid einerseits und unerwartetem Tod andererseits.

54,5 Todesfälle versus 146,2 Todesfälle pro 100.000 Patientenjahre: die Behandlung von Kindern und Jugendlichen mit hoch dosierten Antipsychotika hat die Mortalitätsinzidenz signifikant erhöht.

Nach Auswertung der Daten waren 189.361 Kinder und Jugendliche der Kontrollgruppe, 28.377 der Niedrig­dosisgruppe und 30.120 der Hoch­dosisgruppe zugeordnet worden. Pro 100.000 Patientenjahre wurden in der Kontrollgruppe 54,5, in der Niedrig­dosisgruppe 49,5 und in der Hochdosisgruppe 146,2 Todesfälle registriert. Somit war die Mortalitätsinzidenz in der Hochdosisgruppe signifikant höher als in der Kontrollgruppe. Dies war in erster Linie auf die Rate an unerwarteten Todesfällen zurückzuführen, vor allem aufgrund kardiovaskulärer und metabolischer Nebenwirkungen.

Insgesamt war das Risiko für unerwartete Todesfälle nach Einnahme von Dosen über 50 mg Chlorpromazin-Äquivalenten um das 3,5-Fache erhöht. Aufgrund dieser Daten empfiehlt sich ein sorgfältiges Verordnen und Monitoring von Antipsychotika bei Kindern und Jugendlichen. Auch großangelegte Studien zur Sicherheit von Antipsychotika bei dieser Patienten­population sind wünschenswert. |

Quelle

Ray WA et al. Association of Antipsychotic Treatment With Risk of Unexpected Death Among Children and Youths. JAMA Psychiatry 2018; doi: 10.1001/jamapsychiatry.2018.3421

Apothekerin Dr. Birgit Benedek

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