Kongresse

Mehr Sicherheit für Arzt und Patient

Der Apotheker als Wissensmanager im Mittelpunkt beim Kongress für Arzneimittelsicherheit

KÖLN (pj) | Am 1. und 2. Februar 2019 fand in Köln der 6. Kongress für Arzneimittelinformation statt. In Plenarsitzungen, Kurzvorträgen und Workshops wurden Probleme bei der Gewinnung und Bewertung von Arzneimittelinformationen aufgezeigt und diskutiert. Eine Posterausstellung mit mehr als 50 Beiträgen trug zum interaktiven fachlichen Austausch zwischen mehr als 400 Teilnehmern bei.

In Grußworten wurden die Relevanz der Arzneimittelinformation und deren Bewertung durch Experten sowie die interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Akteuren im medizinisch-pharmazeutischen Bereich hervor­gehoben. Dr. Anne Dwenger, Regierungsdirektorin im Bundesministe­rium für Gesundheit, Leiterin Referat 111 Arzneimittelsicherheit, zeigte die Erfolge des Aktionsplans zur Verbesserung der Arzneimitteltherapiesicherheit in Deutschland (AMTS) auf und skizzierte künftige Schwerpunkte wie die Digitalisierung der Information, aber auch den sinnvollen Umgang mit Wissen. Die Digitalisierung vereinfache zwar die Sammlung von Informationen, dabei müssten aber auch die Belange und Bedürfnisse der Patienten berücksichtigt werden, so Dwenger. Eine ähnliche Sicht vertrat Prof. Dr. Wolf-Dieter Ludwig, Vorsitzender der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft. Er forderte, die Digitalisierung differenziert zu betrachten. Sie sei in vielen Bereichen von Nutzen, ersetze aber nicht die kompetente Betrachtung durch einen Experten. Besonders deutlich zeige sich dies in der Bewertung von Studien. Ein Anliegen von Ludwig ist das Zusammenführen unterschiedlicher Kompetenzen, da eine Interprofes­sionalität im klinischen Alltag unverzichtbar sei. Dieser Forderung schloss sich auch Prof. Dr. Frank Dörje, Präsident des Bundesverbands der Deutschen Krankenhausapotheker (ADKA), an, der vor einem kritiklosen Umgang mit Informationen warnte und den hohen fach­lichen Anspruch hervorhob, den der Apotheker als Wissensmanager zu erfüllen hat.

Foto: DAZ/pj
Engen Austausch zwischen den Berufsgruppen zum Wohle der Patienten und zur Unterstützung der Ärzte und Pflegekräfte zu fördern, war Ziel des Kongresses.

Informationssuche und Informationswertung

Nützliche, kostenfreie Tools zur Gewinnung wissenschaftlicher Information sind die Suchdienste von Google Scholar und PubPharm. Wolfgang Erdmann, Mülheim, erläuterte deren Aufbau, Hintergrund, Zusatzfunktionen und Umfang und skizzierte Vor- und Nachteile der Suchmaschinen. Google Scholar zeigt Ausschnitte aus dem Internet, wobei die Algorithmen häufig über die erste Anlaufstelle entscheiden. Die Suche kann zu ähnlichen Artikeln oder unterschiedlichen Versionen der gesuchten Originalarbeit führen. Möglicherweise ist so ein Zugriff auf ansonsten kostenpflichtige Artikel möglich. PubPharm ist ein relativ neues Angebot des Fachinformationsdienstes Pharmazie in Braunschweig mit dem Schwerpunkt auf pharmazeutischer Literatur. Der Index ist transparent, Filter und Suchtools erleichtern die Recherche, die Angebote dieser Suchmaschine werden dynamisch entwickelt.

„Wissen ist mehr als die Summe der gesamten Information.“

Dr. Anne Dwenger

Input gleich Output? Mit dieser Frage befasste sich Priv.-Doz. Dr. Nicole Skoetz, Köln, die näher darauf einging, wie die Qualität eines Cochrane Reviews beurteilt werden kann. Hierzu können verschiedene Checklisten herangezogen werden, aber auch der GRADE-Ansatz. Dabei handelt es sich um ein systematisches und transparentes Vorgehen, um die Vertrauenswürdigkeit der Evidenz darzustellen. Im Vordergrund steht die Beurteilung patientenrelevanter Endpunkte wie etwa beim onkologischen Patienten die Lebensqualität. Es wird nicht nur die Evidenz, sondern auch das Vertrauen in die Evidenz beurteilt. Diese Vertrauensbewertung ist entscheidend für die Ergebnisinterpretation und die daraus abgeleiteten Empfehlungen. Die Bewertungen finden sich in aktuellen Cochrane Reviews als „Summary of Finding“ tabellarisch dargestellt.

Foto: DAZ/pj
Wie man schnell an unabhängige, evidenzbasierte und patientenindividuelle Informationen kommt, das interessierte Apotheker aus dem Krankenhaus und der Offizin.

Informationsüberfluss und Informationsdefizit

Anhand einiger im vergangenen Jahr publizierter Artikel zeigte Dr. Dorothea Strobach, München, einige Besonderheiten und Fallstricke bei der Gewinnung von Arzneimittelinformation auf. So wurde in einer Studie überprüft, inwieweit Fragen zu Arzneimitteln von Experten überhaupt beantwortet werden können; in rund 25% aller Fälle konnte mithilfe gängiger Literaturrecherchen keine Antwort gefunden werden. Die Fragen betrafen meist den Off-Label-Use eines Wirkstoffs oder Möglichkeiten der Applikation. Eine andere Untersuchung ging der Frage nach, ob Reviews, Umbrella-Reviews (das Review eines Reviews) und Metaanalysen, die teilweise inflationär publiziert werden, überhaupt sinnvoll und erforderlich sind. Die Zahl der für erforderlich gehaltenen Publikationen lag im einstelligen Prozentbereich. Eine weitere Studie in­teressierte sich dafür, wie Experten recherchieren. Es zeigte sich, dass jeder Akteur seine eigenen Suchstrategien einsetzt, die möglicherweise relevante Quellen nicht erfasst. Das Fazit: Man sollte den Sinn eines Reviews oder einer Metaanalyse hinterfragen, mehrere Suchstrategien miteinander kombinieren und sich nicht nur auf eine Referenz verlassen.

Foto: DAZ/pj

Informationen auf rhetorischer und genetischer Basis

Einen Einblick in die „schwarze Rhetorik“ gab Wladislaw Jachtchenko, München, der verschiedene Manipulationstechniken und Möglichkeiten der Beeinflussung zeigte. Dazu gehören etwa Scheinargumente, sprachliche Tricks, die kognitive Verzerrung, der Halo-­Effekt, Mitläufereffekte und das Vermitteln halber Wahrheiten. Diese unterschiedlichen Mechanismen können – richtig angewandt – auch zu einer Verbesserung der Kommunikation führen.

Mit Informationen auf genetischer Ebene befasste sich Prof. Dr. Matthias Schwab, Stuttgart. So hat die Pharmakogenomik, die sich mit den individuellen genetischen Informationen des Patienten befasst, bereits Einzug in die Arzneimitteltherapie gehalten. Von der FDA wird eine Liste mit 150 Arzneistoffen veröffentlicht, für die pharmakogenetische Informationen und Empfehlungen vorliegen. Die Implementierung pharmokogenomischen Wissens in die klinische Praxis wird in Zukunft eine immer größere Rolle spielen. |

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