Arzneimittel und Therapie

Mehr „Magen-Darm“ mit Säurehemmern

Protonenpumpeninhibitoren scheinen virale Gastroenteritiden zu begünstigen

Berichte über abträgliche Wirkungen einer Langzeitanwendung von Protonenpumpeninhibitoren (PPI) häufen sich. Eine retrospektive Studie liefert nun Hinweise auf ein vermehrtes Auftreten von akuten Magen-Darm-Infektionen unter PPI während der Wintermonate.

Protonenpumpeninhibitoren (PPI) sind Mittel der ersten Wahl zur Behandlung von Refluxösophagitis, peptischen Ulzera und einer Vielzahl weiterer gastrointestinaler Erkrankungen. PPI gehören seit Jahren zu den meistverordneten Wirkstoffen, mit anhaltend steigender Tendenz. Eine lang­anhaltende Blockade der Säureproduktion ist jedoch mit mehreren unerwünschten Wirkungen assoziiert, darunter Arzneimittelwechselwirkungen, Hypomagnesiämien, osteoporotische Frakturen, Vitamin-B12-Defizite sowie ein vermehrtes Auftreten von bakteriellen Infektionen, beispielsweise mit Clostridoides difficile. Letztere werden mit einer Veränderung des gastrointestinalen Mikrobioms aufgrund des erhöhten pH-Werts in Verbindung gebracht. Naheliegend erscheint auch ein erhöhtes Risiko für akute virale Gastroenteritiden, umfangreiche Daten lagen bisher jedoch nicht vor. Daher hat ein französisches Forschungskonsortium nun die Arzneimittelverordnungsdaten aus einem Panel von rund 7000 Apotheken ausgewertet. Erfasst wurden einerseits alle PPI-Verschreibungen, andererseits Hinweise auf das Vorliegen einer akuten Gastroenteritis anhand eines zu diesem Zweck validierten Algorithmus. Analysiert wurden Daten, die im Rahmen einer Infektionswelle im Winter 2015/2016 erhoben wurden. Magen-Darm-Infekte während der Wintermonate sind überwiegend ­viraler Natur. In der retrospektiven Kohortenstudie wurde das Auftreten von akuten Gastroenteritiden bei ­Patienten mit je mindestens einer PPI-Verschreibung in einem Zeitraum von je 100 Tagen vor bzw. nach dem fünfwöchigen Höhepunkt der Erkrankungszahlen untersucht.

Insgesamt 233.596 Patienten erhielten eine Therapie mit Protonenpumpenhemmern, während 626.887 Patienten ohne PPI als Kontrollgruppe dienten. 3131 Patienten (1,3%) der PPI-Gruppe erkrankten in dem Beobachtungszeitraum an mindestens einer akuten Gastroenteritis. Im Vergleich zu 4327 Patienten (0,7%) in der Kontrollgruppe wurde somit ein signifikant erhöhtes Auftreten festgestellt (adjustiertes rela­tives Risiko 1,81; 95%-Konfidenzintervall 1,72 bis 1,90). In einer Sensitivitätsanalyse wurde zudem eine signifikante Korrelation von akuten Gastro­enteritiden und der Einnahme von H2-Antihistaminika gefunden, was den postulierten Mechanismus der erhöhten Infektanfälligkeit aufgrund der Säureblockade untermauert.

Die Studie weist jedoch auch einige Limi­tierungen in ihrer Aussagekraft auf – insbesondere vor dem Hintergrund der alleinigen Diagnosezuordnung auf Basis von Arzneimittelab­gaben. Nichtsdestotrotz: Die Evidenz wächst, Langzeittherapien mit PPI zukünf­tig verstärkt zu hinterfragen und Patienten einem „Deprescribing“ zuzuführen. |

Literatur

Vilcu AM et al. Association between acute gastroenteritis and continuous use of proton pump inhibitors during winter periods of highest circulation of enteric viruses. JAMA Netw Open 2019;2(11):e1916205

Apotheker Dr. Peter Meiser

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