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Arzneimittel und Therapie
Mammografie – wer, wann, wie?
Ein Überblick über die aktuellen Empfehlungen
2002 entschied der deutsche Bundestag, ein nationales Mammografie-Screening-Programm einzuführen, das 2009 deutschlandweit implementiert war. Durch diese Maßnahme sollen Inzidenz und Mortalität von Brustkrebserkrankungen gesenkt werden. Wie wird der Erfolg des nationalen Früherkennungsprogramms zehn Jahre später beurteilt? Diese Frage wurde im Rahmen einer aktuellen epidemiologischen Arbeit erörtert. Ausgewertet wurden altersspezifische Daten vor und nach der Implementierung des Mammografie-Screening-Programms. Die Studienautoren kommen zu folgendem Schluss: Die Inzidenz später Brustkrebserkrankungen und die Brustkrebsmortalität sanken. Angestiegen ist hingegen die Gesamthäufigkeit von Brustkrebserkrankungen, was hauptsächlich auf eine vermehrte Diagnose von In-situ-Karzinomen zurückzuführen ist. Hierzu einige Zahlen: In der Altersgruppe der 50- bis 59-jährigen Frauen nahm seit der Einführung des Mammografie-Screening-Programms die Inzidenz für Brustkrebs im Stadium III um 24,2%, für das Stadium IV um 23,0% ab. In der Altersgruppe der 60- bis 69-Jährigen war eine 28,3%ige (Stadium III) bzw. 24,2%ige (Stadium IV) Abnahme der Inzidenz zu verzeichnen. Die Brustkrebsmortalität sank um 25,8% in der Altersgruppe der 50- bis 59-Jährigen bzw. um 21,2% in der Gruppe der 60- bis 69-Jährigen. Diesen positiven Effekten stehen mögliche Überdiagnosen und der Kostenaufwand gegenüber [1]. Geht man vom Nutzen eines Früherkennungsprogramms aus, stellt sich die Frage, welche Empfehlungen die Screening-Leitlinien enthalten.
Empfehlungen in Deutschland
Im Rahmen des nationalen Mammografie-Screening-Programms werden asymptomatische Frauen im Alter zwischen 50 und 69 Jahren alle zwei Jahre zu einer freiwilligen mammografischen Untersuchung eingeladen [2]. Die Kommission Mamma der Arbeitsgemeinschaft Gynäkologische Onkologie (AGO) rät Frauen ab 50 Jahren in ihrer Leitlinie ebenfalls zu einer zweijährlichen Untersuchung – allerdings bis zu einem höheren Lebensalter von 74 Jahren. Für Frauen zwischen 40 und 49 Jahren beträgt der vorgeschlagene Abstand zwischen zwei Untersuchungen zwölf bis 24 Monate. Für diese Altersgruppe sieht die AGO jedoch einen geringeren Nutzen der Früherkennungsmaßnahmen. Dies gilt auch für die über 75-Jährigen, bei denen abhängig vom Gesundheitszustand und bei einer geschätzten Lebenserwartung von mehr als zehn Jahren alle zwei Jahre eine Untersuchung erwogen werden kann [3].
Die interdisziplinäre S3-Leitlinie für die Früherkennung, Diagnostik, Therapie und Nachsorge des Mammakarzinoms macht folgende Aussage: Für Frauen zwischen dem 50. und 69. Lebensjahr soll die Teilnahme am nationalen Mammografie-Screening-Programm empfohlen werden. Frauen ab dem Alter von 70 Jahren sollte die Teilnahme an Früherkennungsmaßnahmen unter Berücksichtigung des individuellen Risikoprofils und des Gesundheitsstatus sowie einer mehr als zehnjährigen Lebenserwartung angeboten werden [4].
Es zeigt sich, dass in den deutschen Leitlinien keine identischen Aussagen getroffen werden – insbesondere was die Untersuchungsintervalle und das Alter betrifft, in dem gescreent werden soll. Unterschiede zeigen sich aber auch zwischen den Empfehlungen der deutschen und der europäischen Leitlinie.
Wie sinnvoll ist ein MRT?
Eine sehr hohe Brustdichte wird als Risikofaktor für ein Mammakarzinom erachtet, da die frühe Detektion durch eine Mammografie erschwert ist. In der DENSE-Studie (The Dense Tissue and Early Breast Neoplasm Screening) ging ein Team niederländischer Wissenschaftler der Frage nach, ob eine zusätzliche Bildgebung mittels Magnetresonanztomografie (MRT) die Detektionsrate verbessern kann. Die Studienautoren kommen zu dem Schluss, dass ein Screening mittels MRT und Mammografie die Diagnostik verbessert. So wurden in einem Zeitraum von zwei Jahren durch dieses Verfahren signifikant weniger Intervallkarzinome aufgefunden als durch eine alleinige Mammografie [7]. Als Intervallkarzinome bezeichnet man Brustkrebserkrankungen, die bei Teilnehmerinnen eines Früherkennungsprogramms nach einem unauffälligen Screening-Befund vor dem nächsten geplanten Mammografie-Termin entdeckt werden. Die europäische Leitlinie empfiehlt derzeit kein Screening mittels MRT bei hoher Brustdichte, die deutsche AGO-Leitlinie und die S3-Leitlinie empfehlen eine die Mammografie ergänzende Sonografie.
Empfehlungen der europäischen Leitlinie
Seit Ende Oktober 2019 liegt eine überarbeitete und aktualisierte Version der European Breast Guidelines (The European Commission Initiative for Breast Cancer Screening and Diagnosis guidelines; kurz: europäische Leitlinie) vor. An ihrem Zustandekommen war ein aus 28 multidisziplinären Mitgliedern bestehendes internationales Panel beteiligt, das seine Empfehlungen auf der Grundlage eines zwischen 2016 und 2018 durchgeführten systematischen Reviews der aktuellen Literatur aussprach. Die europäische Leitlinie verfolgt das Ziel, Frauen sowie Angehörige von Gesundheitsberufen und Politiker über wichtige Fragen zum Mammografie-Screening und zur Brustkrebsdiagnose zu informieren. Die Empfehlungen richten sich vornehmlich an Frauen mit einem durchschnittlichen Brustkrebsrisiko. Sie gelten nicht für Frauen mit erhöhtem Risiko (BRCA-Mutationen, entsprechender Reproduktionsanamnese oder entsprechender Ethnizität), wohl aber bei Vorliegen einer positiven Familienanamnese oder bei Bestehen einer hohen Brustdichte oder auffälliger Läsionen. Die aktualisierte Leitlinie äußert sich zu rund 40 Fragen und ist in die drei großen Themenbereiche Brustkrebsscreening, Brustkrebsdiagnose und Training medizinischer Fachkreise aufgeteilt [5]. Zum Screening sind in der europäischen Leitlinie folgende Kernaussagen zu drei wichtigen Fragestellungen zu finden:
Ab wann und in welchen Abständen?
Asymptomatischen Frauen zwischen 40 und 44 Jahren wird keine Mammografie im Rahmen eines Screening-Programms empfohlen. Asymptomatischen Frauen weiterer Altersgruppen (zwischen 45 und 49 Jahren, zwischen 50 und 69 Jahren sowie zwischen 70 und 75 Jahren) wird zu einer Teilnahme an einem Mammografie-Screening-Programm geraten. Die empfohlenen Abstände zwischen zwei Untersuchungen sowie der Grad der Empfehlung unterscheiden sich hierbei (s. Tabelle).
Mit welcher Methode?
Der Einsatz einer digitalen Mammografie (2D-Mammografie) ist dem Screening mithilfe einer digitalen Brusttomosynthese (3D-Mammografie) vorzuziehen. Weist die digitale Mammografie verdächtige Läsionen auf, sollte eine digitale Brusttomosynthese durchgeführt werden.
Was tun bei hoher Dichte der Brust?
Bei Frauen mit hoher Brustdichte wird in der Leitlinie eine digitale Brusttomosynthese oder eine Mammografie empfohlen. Eine Diagnostik mithilfe der Magnetresonanztomografie (MRT) oder eines automatisierten oder handgeführten Brustultraschalls werden nicht empfohlen [6]. |
Literatur
[1] Katalinic A et al. Breast cancer incidence and mortality before and after implementation of the German mammography screening program. Int J Cancer 2019; doi:10.1002/ijc.32767
[2] Mammographie Screening Programm. www.mammo-programm.de; Abruf am 11. Dezember 2019
[3] Diagnostik und Therapie früher und fortgeschrittener Mammakarzinome. Empfehlungen der AGO Kommission Mamma. Version 2019.1 www.ago-online.de; Abruf am 11. Dezember 2019
[4] Leitlinienprogramm Onkologie. Interdisziplinäre S3-Leitlinie für die Früherkennung, Diagnostik, Therapie und Nachsorge des Mammakarzinoms Langversion 4.2 – August 2019; AWMF-Registernummer: 032-045OL. www.leitlinienprogramm-onkologie.de; Abruf am 11. Dezember 2019
[5] Schünemann H et al. Breast Cancer Screening and Diagnosis: A Synopsis of the European Breast Guidelines. Ann Intern Med 2019; doi:10.7326/M19-2125
[6] European Commission Initiative on Breast Cancer. European guidelines on breast cancer screening and diagnosis (last update 24/10/2019). https://healthcare-quality.jrc.ec.europa.eu/european-breast-cancer-guidelines# ; Abruf am 11. Dezember 2019
[7] Bakker M et al. Supplemental MRI Screening for Women with Extremely Dense Breast Tissue. N Engl J Med 2019;381(22):2091-2102
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