Altersforschung

Eine Investition in die Zukunft?

Wie man als Normalsterblicher (unter Vorbehalt) unsterblich werden kann

 Der Traum der Menschheit vom Ewigen Leben ist uralt. Bereits seit der Antike wird über die Existenz eines Jungbrunnens spekuliert, dessen Wasser heilende und verjüngende Wirkung haben soll. Da der Brunnen trotz intensiver Suche bisher nicht ge­funden wurde, sind die Menschen auf den wissenschaftlichen Fortschritt angewiesen, wenn sie ihr Ableben hinauszögern wollen. | Von Ulrich Schreiber 

Die durchschnittliche Lebenserwartung eines heute in Deutschland geborenen Mädchens beträgt 83,3 Jahre. Ein Junge kann damit rechnen etwa 78,5 Jahre alt zu werden. Das geht aus den neuesten Daten des Statistischen Bundesamtes hervor. Damit ist die errechnete Lebenserwartung im Vergleich zum Vorjahr um etwa 0,1 Jahr für beide Geschlechter gestiegen. Weltweit betrachtet sind die Unterschiede zwischen den Bevölkerungen einzelner Länder gewaltig. Es gibt durchaus europäische und asiatische Länder mit einer höheren Lebenserwartung, in Teilen Afrikas gibt es jedoch auch Staaten, in denen die Menschen im Mittel nicht älter als 50 Jahre werden.

Im Durchschnitt werden die Deutschen also so alt wie noch nie, das ist aber immer noch weit von der Unsterblichkeit entfernt. Einzelne Zellen haben da bessere Aussichten. Immortalisierte Zelllinien, deren Teilungs­fähigkeit unbegrenzt ist, können zu Forschungszwecken erzeugt werden. Erreicht wird diese Unsterblichkeit etwa durch Hochregulation bestimmter Onkogene oder des Enzyms Telomerase. Tumorzellen sind häufig immortalisiert, was beispielsweise durch eine Mutation des Tumorsuppressorgens p53 vorkommt.

Langes Leben für Fruchtfliegen, Fadenwürmer & Co.

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Ein Forschungsansatz, Leben zu verlängern, ist die pharmakologische Intervention in die molekularen Mechanismen, die mit dem Altern in Verbindung gebracht werden. Verschiedene in die Alterung involvierte Proteine und Signalwege sind bereits bekannt. Dazu zählen beispielsweise mTOR (mechanistic Target of Rapamycin) und IGF (Insulin-like growth factor). Kanadische Forscher veröffentlichten Anfang des Jahres ihre erfolgreichen Versuche, das Altern von Hefe (S. cerevisiae) durch Kombinationen von Pflanzen­extrakten zu verlangsamen. Zum Einsatz kamen Extrakte von Trauben-Silberkerze, Baldrian, Passionsblume, Ginkgo, Sellerie, Silberweide sowie das Polyphenol Resveratrol und das Polyamin Spermidin. Wissenschaftler der Universität Singapur nutzten als Modellorganismen Fadenwürmer (Caenorhabditis elegans). Als erfolgsversprechende Arzneimittelkandidaten hatten die Forscher zuvor fünf Wirkstoffe identifiziert, die in entsprechenden Signalwegen wirken. Neben dem Immunsuppressivum Rapamycin, besser bekannt als Sirolimus, und dem Antibiotikum Rifampicin wurden das Antidiabetikum Metformin und der Immunmodulator 5-(4-Phenylbutoxy)psoralen getestet. Allantoin, ein Abbauprodukt von Purinbasen, war der fünfte Kandidat. Nachdem zunächst optimale, nicht-toxische Dosen für alle Substanzen ermittelt worden waren, testeten die Forscher Kombinationen, in der Hoffnung auf synergistische Effekte. Normale, unbehandelte Kon­trollwürmer wurden unter den Laborbedingungen maximal etwa 30 Tage alt. Kombinationen von Rifampicin, Allantoin und 5-(4-Phenylbutoxy)psoralen beziehungsweise Rapamycin, Rifampicin und Allantoin erhöhten die maximale Lebenserwartung der Würmer auf bis zu 45 Tage. Ähnliche Beobachtungen machten Wissenschaftler des Max Planck Instituts für Biologie des Alterns an Fruchtfliegen (Drosophila melanogaster). Eine Kombination der Wirkstoffe Rapamycin, Lithium und Trametinib verlängerte das Leben der Fliegen um 48% im Vergleich zu unbehandelten Kontrolltieren.

Rapamycin wirkt auch bei Mäusen

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Zwei der zuvor erwähnten Medika­mente zeigten sogar in Mäusen die erwünschte Wirkung. Männliche Mäuse, die ab ihrem 9. Lebensmonat eine Kombination aus Metformin und Rapamycin mit ihrem Futter aufnahmen, hatten durchschnittlich eine um 23% erhöhte Lebenserwartung. In einer anderen Studie an Mäusen konnte gezeigt werden, dass Tiere, die ebenfalls ab dem 9. Lebensmonat mit Rapamycin behandelt wurden, seltener an töd­lichen Neoplasien erkrankten. Wissenschaftler der University of Washington behandelten Mäuse im hohen Alter von 20 bis 21 Monaten für drei Monate mit Rapamycin. Nach dem Ende der Therapie hatten die Tiere eine um 60% höhere Lebenserwartung als die Kontrolltiere. Umgerechnet auf die durchschnittliche Lebensspanne von Geburt an ergibt das eine Steigerung um 16%. Das Immunsuppressivum Rapamycin, das in den meisten Studien vorkommt, inhibiert das Protein mTOR, eine multifunktionelle Serin/Threonin-Kinase, die Teil des Nährstoffsensornetzwerkes der Zelle ist. Dadurch wird die Proliferation verschiedener Zellen gehemmt, aber auch das Wachstum von Tumoren und die Angiogenese. Als Nebenwirkungen treten Störungen des Fettstoffwechsels, Wundheilungsstörungen, Anämie und Thrombozytopenie auf. Diese ernsten unerwünschten Effekte dürften einem Menschen das vielleicht verlängerte Leben gründlich vermiesen.

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Unsterblich dank „Plug and Play“? Eine Theorie verfolgt den Ansatz, das Gehirn auf ein digitales Speichermedium zu kopieren.

Bewusstsein auf der Festplatte

Transhumanisten setzen bei der Frage nach ewigem Leben auf Computer-Gehirn-Schnittstellen. Das Gehirn soll gescannt und eine Kopie auf einem digitalen Speichermedium abgelegt werden. Der Gedanke dahinter ist, dass das Bewusstsein zumindest gesichert wäre und ohne Angst vor dem Tod auf weitere technische Fortschritte warten könnte. Möglicherweise existieren irgendwann Cyborgs, die mit einem solchen gespeicherten Bewusstsein ausgerüstet werden können und wieder am Leben teilnehmen. Eine andere Idee ist, den gespeicherten Geist in einer Computersimulation weiterleben zu lassen. Derzeit sind solche Fanta­sien aber noch Zukunftsmusik. Das menschliche Gehirn besteht aus etwa 86 Milliarden Neuronen, von denen jedes im Durchschnitt mit 7000 anderen Neuronen verknüpft ist. Ein Scanner, der diese Rechenmaschine detailgetreu auslesen könnte, existiert noch nicht. Vielleicht gelingt dies eines Tages mit einer Weiterentwicklung der Magnetresonanztomographie. Für die Simulation eines derart komplexen Systems sind die heutigen Computer außerdem längst nicht leistungsfähig genug. Im Rahmen des Human Brain Project, das von der Europäischen Kommission finanziert wird, werden alle neuen Erkenntnisse und Forschungsergebnisse, die das menschliche Gehirn betreffen, zusammengetragen. Ziel des Projektes ist es, eine Simulation des Gehirns zu ermöglichen um Krankheiten in sogenannten in-silico-Experimenten untersuchen zu können. Damit soll auch der Bedarf an Versuchstieren reduziert werden.

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Wenige Minuten nach dem Ableben wird der Körperkreislauf mit einer Kryoprotektionslösung gespült, um ...

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... dann in einer riesigen Thermosflasche bei -196 °C für die nächsten Jahrhunderte aufbewahrt zu werden.

Kryokonservierung

In der Fernsehserie Futurama wird der Protagonist Philip J. Fry eingefroren und im Jahre 3000, wenn Autos fliegen können, wieder aufgetaut. Auch an dieser Möglichkeit arbeiten Wissenschaftler in der Realität bereits. In den USA kann sich jeder, der bereit ist einen sechsstelligen Betrag dafür auszugeben, am Ende seines Lebens von der Alcor Life Extension Foundation einfrieren lassen. Entscheidend dafür ist natürlich, dass innerhalb weniger Minuten nach dem Ableben mit der Konservierung des Körpers begonnen wird, bevor das Gehirn und andere Organe ernsthafte Schäden aufgrund fehlender Durchblutung nehmen. Der Kreislauf wird mit einer Kryo­protektionslösung gespült, die in jede Zelle eindringt und die körpereigene Flüssigkeit verdrängt. Mischungen mit Flüssigkeiten wie Glycerol, Propylenglycol oder Dimethylsulfoxid kommen als Konservierungsflüssigkeiten infrage. Die Konservierungsflüssigkeit schützt das Gewebe vor Schäden, da sie die Bildung von Eiskristallen verhindert. Mit dieser Technik können bereits Zellen und für begrenzte Zeit sogar Organe haltbar gemacht werden. Wird ein so vorbereiteter Körper weit genug heruntergekühlt, kommen alle biologischen Prozesse zum Stillstand und die Konservierungsflüssigkeit wird immer viskoser, bis sie schließlich in einen glasartigen Zustand übergeht (Vitrifikation). Der vitrifizierte Körper einer Person wird dann in einem Dewar, einer Art riesiger Thermosflasche, bei - 196 °C in flüs­sigem Stickstoff aufbewahrt, in der Hoffnung, dass eines fernen Tages die Möglichkeit besteht, sie erfolgreich aufzutauen und wiederzubeleben. Weitere Voraussetzung ist natürlich, dass in der Zukunft auch die Todesursache heilbar ist. Angesichts eines Planeten, der bereits bis an seine Belastungsgrenze bevölkert ist, stellt sich natürlich die Frage, ob kommende Generationen überhaupt ein Interesse daran haben, die Eingefrorenen wieder aufzutauen. Derzeit leben über 7 Milliarden Menschen auf der Erde und sind mit ernsten Umwelt-, Ernährungs- und Energieproblemen konfrontiert. Nach einer Schätzung der UN werden es bis zum Jahr 2100 über 10 Milliarden sein. Andere Szenarien gehen von weit höheren Zahlen aus. Warum sollte die Gesellschaft in einigen Jahrzehnten oder Jahrhunderten auf einem derart dicht bevölkerten Planeten sich also die ­Mühe machen, abertausende alte und kranke Menschen aufzutauen, gesundzupflegen und zu integrieren?

Auf eigene Verantwortung

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Optimismus als Lebensverlängerer – eine Studie aus diesem Jahr kommt zu dem Schluss, dass Menschen mit positivem Denken eine um fast 15% höhere durchschnittliche Lebenserwartung haben.

Wem all diese Vorschläge um sein statistisch wahrscheinliches Alter zu überschreiten etwas abwegig oder unwahrscheinlich erscheinen, der kann seine Chancen auf ein langes und gesundes Leben erhöhen, indem er die guten Vorsätze fürs neue Jahr umsetzt. Ernähren Sie sich gesund! Verzichten Sie auf übermäßig fettige und gesüßte Lebensmittel und setzen Sie stattdessen auf mehr Gemüse und Vollkornprodukte. Rauchen Sie nicht und mäßigen Sie Ihren Alkoholkonsum! Bleiben Sie körperlich aktiv! Dazu muss man kein Marathonläufer werden. Auch ein abendlicher Spaziergang an der frischen Luft bringt den Kreislauf in Schwung. Achten Sie auf ein gesundes Körpergewicht! Diese einfachen, aber wirkungsvollen Maßnahmen werden von führenden Forschungseinrichtungen, wie dem Deutschen Krebsforschungszentrum, empfohlen. Eine im Sommer diesen Jahres veröffentlichte Studie kam darüber hinaus zu dem Schluss, dass Optimismus mit einem längeren Leben assoziiert ist. Epidemiologen verfolgten das Schicksal von zwei unabhängigen Kohorten über einen Zeitraum von bis zu 30 Jahren. Die Probanden hatten Fragen in einem sogenannten „Life Orientation Test“ beantwortet, woraus die Forscher Rückschlüsse auf ihre Lebenseinstellung ziehen konnten. Sie stellten fest, dass Personen aus dem obersten Optimismus-Quartil eine um fast 15% höhere durchschnittliche Lebenserwartung hatten, als diejenigen aus dem untersten Quartil.

In diesem Sinne wünscht der Autor dieses Beitrages ein gesundes neues Jahr mit einem positiven Ausblick in die Zukunft! |

Literatur

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Autor

Ulrich Schreiber, Berlin, B. Sc. Chemie, erworben an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, M. Sc. Toxikologie, erworben an der Charité Berlin; zur Zeit tätig am Interdisziplinären Zentrum für klinische Forschung (IZKF) des Uniklinikums in Münster.

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