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Aus den Ländern
Hoffmann zieht Zwischenbilanz nach 70 Tagen
Reger Austausch der Delegierten in Nordrhein über Versandhandelskonflikt, Standespolitik und Fortbildung
14 Jahre lang dauerte die Amtszeit von Lutz Engelen als Präsident der Apothekerkammer Nordrhein (AKNR). Im vergangenen Jahr kündigte der selbstständige Apotheker aus Herzogenrath an, zwar nicht ganz aus der Standespolitik aussteigen zu wollen, aber bei der diesjährigen konstituierenden Sitzung der Kammerversammlung nicht mehr für das Amt des Präsidenten zu kandidieren. Auch für Peter Barleben aus Essen, Vizepräsident der AKNR, endete seine Funktion auf eigenen Wunsch.
Im vergangenen Juni hatten die Delegierten der XVII. Kammerversammlung Nordrhein dann die Gelegenheit, ihre Spitze neu zu besetzen. Sie haben Dr. Armin Hoffmann aus Köln zu ihrem neuen Präsidenten gewählt. Als neue Vizepräsidentin steht ihm Kathrin Hollingshaus zur Seite. Der Amtswechsel hatte eine gewisse historische Dimension: Nicht nur, weil mit Ex-Präsident Engelen ein langjähriger Standespolitiker die große Bühne verließ, sondern auch, weil sein Nachfolger Hoffmann weder selbstständig ist noch in einer Apotheke arbeitet, sondern in der pharmazeutischen Industrie tätig ist. Damit ist er bundesweit der bisher erste Industrieapotheker an einer Kammerspitze und aktuell einer der wenigen Präsidenten ohne eigene Apotheke. Seine Vizepräsidentin Hollingshaus bringt dagegen einiges an Offizin-Erfahrung mit: Sie besitzt zwei Apotheken in Dinslaken und Duisburg.
Zu Beginn der Delegiertenversammlung am Mittwoch vergangener Woche in Neuss fanden zwei Ehrungen statt. Hoffmann und Hollingshaus hatten sich auf diesen Tagesordnungspunkt eigenen Angaben zufolge ganz besonders gefreut: „Mit etwas Schönerem kann man die erste Sitzung der neuen Kammerversammlung ganz sicher nicht beginnen“, so Hoffmann wörtlich. Sie ehrten Engelen und Barleben für die langjährige und verdiente Arbeit in der Standespolitik der AKNR. Während Engelen zum Ehrenpräsidenten gekürt wurde, erhielt Barleben den Ehrenring der Kammer. Weil bereits in der Juni-Sitzung auf die beiden Amtszeiten ausgiebig zurückgeblickt wurde, hielten Hoffmann und Hollingshaus ihre Ansprachen kurz. Engelen betonte in seiner Danksagung, dass er und sein Vizepräsident in all den Jahren nie alleine gewesen wären. „Das haben wir alle gemeinsam geschafft“, sagte er mit Blick auf Vertreter der Kammergeschäftsstelle, des Vorstandes und der Delegierten. Barleben war merklich zwiegespalten: Einerseits gerührt von der Auszeichnung, andererseits hin und her gerissen beim Blick auf Vergangenes. „Wir haben es geschafft, viele Klippen zu umschiffen“, so Barleben. Doch, ob der Apothekerberuf derzeit auch attraktiv für die eigenen Kinder sei, wollte der fast 80-Jährige nicht eindeutig beantworten. Augenzwinkernd fügte er hinzu: „Wir haben Blüm überstanden, Seehofer und eine gewisse Dame aus Aachen.“
„Dienstleistungen müssen wir nicht neu erfinden“
Sodann ging es weiter mit dem Lagebericht des Präsidenten. Hoffmann wies darauf hin, dass seine Amtszeit auf den Tag genau vor 70 Tagen bzw. zehn Wochen begonnen habe und vieles in den Ausschüssen bereits angestoßen wurde. Hoffmann stellt seine Arbeit der nächsten Jahre unter das Motto „Der Apotheker. Das Arzneimittel. Die Kammer. – Wir. Versorgen. Nordrhein …“
Hoffmann will die Expertise der Kollegen in den Kreisstellen, den „Brainpool“, stärker in die Arbeit der Geschäftsstelle und der Ausschüsse einbeziehen. Weitere Themen – Hoffmann nennt sie die „100-Tage-Prioritäten“ – sind die Außenkommunikation und Außendarstellung der Kammer, der Ausbau des Dienstleistungsangebotes für die Mitglieder, die Nachwuchsförderung sowie die Weiterentwicklung von Honorierungsmodellen. Für Digitalisierungs- und Innovationsthemen wurde ein eigener Ausschuss eingerichtet.
Im Hinblick auf die aktuellen Gesetzesvorhaben der Bundesregierung im Gesundheits- bzw. Apothekenbereich sei zu beobachten, dass die Politik die geplanten Reformen stückchenweise umsetzt. Das Apotheken-Stärkungsgesetz (VOASG) würde sich aktuell zur Vorlage bei der EU-Kommission befinden, die sich noch gar nicht konstituiert hätte. Hoffmann rechnet frühestens Ende des Jahres mit einem Votum der Kommission. Vor dem Hintergrund der Einführung pharmazeutischer Dienstleistungen machte Hoffmann deutlich: „In den aktuellen Diskussionen wird es immer so dargestellt, als ob wir diese Tätigkeiten neu erfinden müssten.“ Das sei jedoch falsch. Dienstleistungen hätte der Berufsstand schon immer erbracht, nur wäre man dafür bisher nie extra vergütet worden. Daher müsse man sich in den aktuellen Verhandlungen viel eher darauf fokussieren, wie man pharmazeutische Dienstleistungen zukünftig in die Honorierung mit einbeziehe.
AKNR bleibt weiter ABDA-kritisch
Auf Nachfrage erläuterte Hoffmann auch seine Haltung gegenüber der Standespolitik auf Bundesebene. Sein Vorgänger Lutz Engelen war bekanntlich ein deutlicher Kritiker der ABDA gewesen. Grundsätzlich sei es, so Hoffmann, wichtig und richtig, dass die Apothekerschaft gegenüber der Politik mit einer Stimme auftrete. Doch die kritische Haltung gegenüber der ABDA werde auch in seiner Amtszeit fortgeführt. Das hätte man schon in Berlin registriert und entsprechend wäre er bei den ersten Sitzungen und Terminen empfangen worden. Hoffmann ist sich aber sicher, dass es viele Gleichgesinnte und Freunde in anderen Kammern gibt, um die Arbeit auf Bundesebene in den nächsten Jahren konstruktiv-kritisch begleiten zu können.
In einer Wortmeldung meldete sich Hoffmanns Vorgänger Lutz Engelen explizit als Delegierter und nicht als Altpräsident. Engelen wies auf drei ihm wichtige Punkte hin: Zunächst würde es ein von der Bundestagsfraktion der Grünen in Auftrag gegebenes Gutachten zum Rx-Versandverbot geben. Dabei handelt es sich um die Arbeit des Wissenschaftlichen Dienstes des Parlaments. Außerdem würde er gerne erfahren, auf welchem ABDA-Beschluss die Aussage von ABDA-Präsident Friedemann Schmidt beruhe, die Apothekerschaft würde sich zukünftig vom Leitsatz „Struktur vor Geld“ entfernen. Schmidt hatte diese Ankündigung als seine persönliche Einschätzung beim Deutschen Apothekertag 2019 verkündet. Außerdem sei die aktuelle Situation bei den Arzneimittel-Lieferengpässen eine Folge der allgemeinen Ökonomisierungstendenzen in der Politik. Und ein ebenfalls brennendes Thema: Die Mitarbeitersituation in den öffentlichen Apotheken, auch im Hinblick auf die PTA-Reform.
„Seit dem EuGH-Urteil hält sich DocMorris an gar nichts mehr“
Nicht nur für ihre ABDA-kritische Haltung ist die Apothekerkammer aus dem Westen bekannt, sondern auch für ihre hartnäckige juristische Auseinandersetzung mit den niederländischen Arzneimittelversendern. Und dieses Merkmal wird die AKNR ebenfalls weiterführen. Kammerjustiziarin Dr. Bettina Mecking machte den Delegierten deutlich, dass dies derzeit höchste Relevanz habe, vor allem im Hinblick auf die geplanten politischen Maßnahmen hinsichtlich der Arzneimittelpreisbindung.
„DocMorris ist seit dem EuGH-Urteil im Jahr 2016 der Auffassung, sich an gar nichts mehr halten zu müssen“, so Mecking. Daher sei es „wichtiger denn je“, juristische Verfahren gegen die ausländischen Versender zu führen. Die Medizinrechtlerin zeigte auf, dass die zentrale Strategie der Kammer sei, in allen Verfahren gegen DocMorris und Co. sowohl die Verstöße gegen die Arzneimittelpreisverordnung zu thematisieren als auch das rechtswidrige Verhalten vor dem Hintergrund des Heilmittelwerberechts zu monieren. „Das ist notwendig, weil wir jederzeit damit rechnen müssen, dass die Politik die Arzneimittelpreisbindung und die damit verbundenen Verordnungen und Regularien beerdigen könnte.“ Außerdem werde die Arzneimittelpreisverordnung von der Politik häufig als ein Schutzinstrument im Sinne der Leistungserbringer betrachtet. Das Heilmittelwerberecht sei dagegen klar dem Verbraucherschutz zuzuordnen.
Mecking kritisierte das Vorgehen von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) scharf, die Arzneimittelpreisbindung zukünftig im Sozialrecht regeln zu wollen. Dieser Vorgang sei im Vergleich zum Rx-Versandverbot juristisch nicht nur komplizierter, sondern europarechtlich wesentlich fragwürdiger. Das hätten verschiedenste Gutachten ergeben. Warum Spahn die Sozialrechtsregelung der EU-Kommission zur Prüfung vorlege, sei auch unverständlich: „Früher oder später landet das Konstrukt sowieso vor dem EuGH und wird dann geprüft.“ Und abgesehen von der vorhergesagten 90-prozentigen Gleichpreisigkeit bezogen auf die GKV-Versicherten, sieht Mecking in den verbliebenen 10 Prozent der Privatversicherten und Selbstzahler ein weiteres Einfallstor für neue Verfahren vor dem EuGH.
Das Fazit der Kammerjustiziarin: Es bleibe abzuwarten, wie die laufenden Gerichtsverfahren ausgehen und ob die Urteile nun auf die irreführenden Geschäftspraktiken oder die Verstöße gegen die unternehmerische Sorgfaltspflicht von DocMorris abzielen. Die Haltung der Versender sei, dass Patientenschutz lästig ist. Das EuGH-Urteil von 2016 hätte ihnen attestiert, dass sie eine schlechtere Arzneimittelversorgung als deutsche Vor-Ort-Apotheken durchführen. Aktuell würden die Konzerne diese schlechtere Versorgungsqualität in einer Weise bewerben, die deutschen Apotheken nicht erlaubt sei.
Athina für PTA?
Einen großen Teil der Berichte über die Arbeit in den Ausschüssen nahm die Präsentation des aktuellen Fortbildungsstandes in der AKNR ein. Im Jahr 2018 fanden im Kammerbezirk 331 Fortbildungsveranstaltungen statt. Die Veranstalter zählten 30.038 Teilnehmer, davon 7781 Apotheker (6417 Offizinapotheker). Der zuständige Ausschuss sieht in der bisher ausgebliebenen Automatisierung der Antragsverfahren das größte Potenzial, dass sich in Zukunft mehr Approbierte für den Zertifikatserwerb anmelden. Eine weitere Aufgabe des Ausschusses wird die Durchführung einer Evaluation zur Fortbildung sein (welche Formate und Themen werden gewünscht?). Außerdem sollen das Thema Impfen, die PTA sowie die Pharmazeuten im Praktikum in den Fokus genommen werden. Aus der Kammerversammlung wurde angeregt, zu prüfen, inwiefern das Konzept „Akademische Ausbildungsapotheke“ aus anderen Kammern übernommen werden kann. Auch die Einführung einer Fortbildungspflicht wurde thematisiert.
Mit der Reformierung des PTA-Berufes soll das Assistenzpersonal nach dem Willen des Gesetzgebers auch bei der Medikationsanalyse mitwirken. Heißt das, dass es auch für PTA in Zukunft Athina-Schulungen geben wird? Nein, wurde klargestellt, PTA wolle man aber beim Identifizieren von arzneimittelbezogenen Problemen sensibilisieren, sie könnten beim Ansprechen von Patienten unterstützen sowie die Dienstleistung bekannter machen. Denkbar wären Teamfortbildungen zu dem Thema. |
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