Arzneimittel und Therapie

Bedenkliches Aluminium?

Wie das BfR die Belastung durch Arzneimittel und Impfstoffe einschätzt

cst | Spätestens mit dem Wirbel um Aluminium-haltige Deos sind die Risiken, die mit einer hohen Aufnahme von Aluminium verbunden sein können, in den Köpfen der Verbrau­cher angelangt (s. auch DAZ 2014, Nr. 39, S. 40). Nun hat sich das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) in einer Stellungnahme zu den möglichen Gesundheitsrisiken geäußert und erstmals die Gesamt­aufnahmemengen von Aluminium in verschiedenen Alters­gruppen abge­schätzt und bewertet. Wie schneiden Impfstoffe und Arzneimittel dabei ab?

Die Aufnahme größerer Mengen Aluminium (Al) kann gefährlich werden. Das Leichtmetall wird unter anderem mit neurotoxischen Entwicklungsstörungen sowie Schäden an Nieren, Leber und Knochen in Verbindung gebracht. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) hat die Aluminium-Exposition der deutschen Bevölkerung nun genauer unter die Lupe genommen und mögliche Quellen analysiert. Ob sich daraus gesundheitliche Risiken ergeben können, wurde auf Grundlage der von der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) abgeleiteten tolerierbaren wöchent­lichen Aluminium-Aufnahmemenge (TWI-Wert – tolerable weekly intake) von 1 mg/kg Körpergewicht (KG) abgeschätzt. Die Ergebnisse wurden in der Zeitschrift „Archives of Toxi­cology“ publiziert.

Das BfR kommt zu dem Schluss, dass die Hälfte der tolerierbaren wöchentlichen Aufnahmemenge bei der Mehrheit der Bevölkerung (d. h. Jugendliche und Erwachsene) durch den Verzehr von Lebensmitteln abgedeckt wird. Bei bestimmten Personengruppen wird der gesundheitliche Richtwert jedoch bereits über die Nahrungsaufnahme vollständig ausgeschöpft oder überschritten. Andere Personengruppen sind aus sonstigen Gründen besonders gefährdet (s. Kasten).

Besonders gefährdete Risikogruppen

  • Säuglinge, die nicht gestillt werden, sowie Kleinkinder, die speziell adaptierte (z. B. Soja-basierte, hypoallergene oder lactosefreie) Nahrung erhalten
  • Kinder im Alter von drei bis zehn Jahren, die hohe Mengen an Aluminium-haltigen Lebensmitteln verzehren
  • Junge Frauen, die über Kosmetikprodukte hohe Mengen an Aluminium aufnehmen. Aufgrund der langen Verweildauer von Aluminium im Körper und der Plazentagängigkeit kann bei einer Schwangerschaft auch das ungeborene Kind exponiert werden.

Aluminium-reiche Lebensmittel

Als relevante Expositionsquellen werden Instant-Tee-Getränke (mit einem Anteil von 11% an der Gesamtaufnahme aus Lebensmitteln), zubereitete Rohkostsalate (8%), Teegetränke (7%), Kakao- und Schokoladenerzeugnisse (6%) sowie Mehrkornbrot (4%) genannt. Um das Risiko einer dauerhaft hohen Aluminium-Aufnahme durch einzelne hochbelastete Produkte zu minimieren, empfiehlt das BfR eine möglichst abwechslungsreiche und vielseitige Ernährung.

Bei Verwendung von Aluminium-haltigen Kosmetik- und Pflegeartikeln oder Lebensmittelkontaktmaterialien aus unbeschichtetem Aluminium wird der gesundheitliche Richtwert womöglich überschritten. Aus Zahnpasten – vor allem solchen mit „Whitening“-Effekt –, Antitranspiranzien und Sonnenschutzmitteln kann Aluminium oral bzw. transdermal in den Körper gelangen. Wieviel Aluminium bei Kontakt mit der Haut tatsächlich systemisch aufgenommen wird, ist derzeit allerdings unklar. Dennoch empfiehlt es sich, Aluminium-haltige Produkte möglichst sparsam zu verwenden, wenn man dieses Risiko minimieren möchte.

Doch wie sieht es nun mit der Aluminium-Exposition durch Impfstoffe und Arzneimittel aus? Als Wirkverstärker ist Aluminium in vielen Vakzinen enthalten. In den ersten beiden Lebens­jahren wird eine ganze Reihe von Immuni­sierungen von der Ständigen Impfkommission (STIKO) als Standardimpfung empfohlen. Das BfR hat hierfür als Beitrag zur wöchentlichen Aluminium-Exposition in der Altersgruppe ≤ 36 Monaten als orale Expositionsäquivalente einen Wert von 1 bis 2 mg Al/kg KG/Woche errechnet.

Foto: nndanko – stock.adobe.com

Alufolie oder unbeschichtete Aluminium-Gefäße sollten nicht zur Zubereitung und Lagerung von insbesondere sauren und salzigen Lebensmitteln verwendet werden.

Impfstoffe als relevante Quelle

Die Adjuvanzien in Impfstoffen machen demnach einen beträchtlichen Anteil an der Aluminium-Gesamt­exposition aus. Diese wird bei normalexponierten, gestillten Kindern mit 1,1 bis 2,3 mg Al/kg KG/Woche an­gegeben. Bei nicht gestillten Kindern mit zusätzlich hoher Exposition (z. B. durch bestimmte adaptierte Nahrung) können Werte von 2,0 bis 3,3 mg Al/kg KG/Woche erreicht werden. Folglich werden die von der EFSA abgeleiteten TWI-Werte von 1 mg Al/kg KG/Woche bei Säuglingen und Kleinkindern (von einem Monat bis drei Jahren) unter Umständen deutlich überschritten – ebenso wie der von dem Joint Expert Committee on Food Additives der Welternährungsorganisation (FAO) und Weltgesundheitsorganisation (WHO) der Vereinten Natio­nen auf der Grundlage einer neueren Studie zur Entwicklungsneurotoxizität an Ratten abgeleitete vorläufige TWI (provi­sional tolerable weekly intake, PTWI) von 2 mg/kg KG/Woche.

Muss man sich, was Aluminium-haltige Adjuvanzien in Impfstoffen betrifft, also Sorgen machen? Das BfR weist in diesem Zusammenhang auf die Ergebnisse von klinischen Studien und epidemiologischen Untersuchungen hin. Demzufolge ist die Aluminium-Exposition durch Impfstoffe als gesundheitlich unbedenklich anzusehen. Zu berücksichtigen ist auch, dass der Beitrag zur Gesamtexposition nur in den ersten beiden Lebensjahren relevant ist. Das BfR betont zudem den hohen gesundheitlichen Nutzen von Impfungen. Um die Belastung zu minimieren, empfiehlt es sich aber, die Zufuhr an Aluminium aus sonstigen Quellen wie Lebensmitteln und –kontaktmaterialien in den ersten Lebensjahren möglichst gering zu halten.

Belastung durch Antazida*

Und wie sieht es mit Arzneimitteln aus? Apothekern fallen da natürlich sofort die Antazida ein. Präparate mit Aluminiumoxid bzw. -hydroxid (= Algeldrat, z. B. Maaloxan®), Aluminium-Natrium-carbonat-dihydroxid (= Carbaldrat, z. B. Kompensan®), Aluminium-Magnesium-hydroxid-sulfathydrat (= Magaldrat, z. B. Riopan®), Aluminium-Magnesium-hydroxid-carbonathydrat (= Hydrotalcit, z. B. Talcit®), Aluminiumphosphat (z. B. Phosphalugel®) oder Aluminium-Magnesium-silicat­hydrat (= Almasilat, z. B. Simagel®) neutralisieren oder binden die Magensäure. Sie werden bei Sodbrennen und säurebedingten Magenbeschwerden sowie zur raschen Symptomlinderung bei Ulzera angewendet. Das enthaltene Aluminium wird jedoch nicht besonders gut resorbiert. Bei Aluminium­hydroxid liegt die Resorptionsquote ledig­lich bei rund 1%. Säurehaltige Geträn­ke können die Aufnahme allerdings erhöhen. Wie es um die durch­schnittliche Aluminium-Exposition eines 60 kg schweren Erwachsenen bei der einmaligen Anwendung eines Aluminium-haltigen Antazidums bestellt ist, hat das BfR berechnet und kommt auf einen Wert von 1,85 bis 2,88 mg/kg KG. Wenn man eine Aufnahme von 2 g Aluminium pro Person und Tag zugrunde legt – was je nach Präparat und Häufigkeit der Einnahme theoretisch erreicht werden könnte –, wäre bereits mit einer einzigen Tagesdosis die von der JECFA abgeleitete duldbare Aufnahmemenge für einen Zeitraum von 16 Wochen erreicht. Bei einer Anwendung pro Tag werden den Berechnungen des BfR zufolge zusätzlich zwischen 13,0 und 20,2 mg Al/kg KG/Woche aufgenommen.* Wer auf Nummer sicher gehen will, weicht auf ein Aluminium-freies Antazidum (z. B. Gaviscon®, Rennie®) oder gegebenenfalls auf einen Protonenpumpenhemmer oder H2-Antagonisten aus. Letztere sind den Antazida im Hinblick auf die Abheilung von Ulcera ventriculi oder duodeni und bei Refluxösophagitis ohnehin überlegen.

Eine eher untergeordnete Rolle dürfte Aluminium zur Behandlung von Durchfallerkrankungen spielen. Das Ton-Mineral Smektit – ein natürlich vorkommendes Aluminium-Magnesium Schichtsilikat – ist in Präparaten wie Colina®, Sorbecta® oder Symbio Detox® enthalten. Des Weiteren ist Aluminium in Styptika sowie in bestimmten Arzneimitteln zur topischen dermalen Anwendung (essig-saure Tonerde, Antiseptika, Adstringentia und Antihydrotika) zu finden. Aluminium kann sich aber auch in Form eines Hilfsstoffs in Arzneimitteln verstecken. Beispielsweise wird Aluminiumstearat als Hydrophobierungs-, Quell- und Verdickungsmittel in Konzentrationen von bis zu 0,5 bis 5% eingesetzt. Ob diese weiteren Arzneimittel eine rele­vante Quelle für Aluminium darstellen, bleibt fraglich. Um die Exposition abschätzen zu können, fehlen dem BfR schlichtweg verlässliche Daten. |

Literatur

Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR). Reduzierung der Aluminiumaufnahme kann mögliche Gesundheitsrisiken minimieren. Stellungnahme Nr. 045/2019 des BfR vom 18. November 2019. www.bfr.bund.de; doi:10.17590/20191115-135258

Tietz T et al. Aggregated aluminium exposure: risk assessment for the general population. Archives of Toxicology 2019; doi:10.1007/s00204-019-02599-z

Mutschler E, Geisslinger G, Kroemer HK, Menzel S, Ruth P. Mutschler Arzneimittelwirkungen, 10. Auflage, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart 2013

 

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2 Kommentare

Belastung durch Antazida missverständlich bis falsch dargestellt

von Jan Schmücker am 06.12.2019 um 21:39 Uhr

Ich halte die Bewertung des BfR zur Belastung durch Antazida in diesem Artikel für missverständlich bis falsch dargestellt:

Im zitierten BfR-Bericht heißt es dazu wie folgt:
"Die WHO gibt in ihrer „Model Lists of Essential Medicines“ (WHO, 2007) an, dass aluminiumhaltige Antazida in Tablettenform etwa 500 mg bzw. als Gel 320 mg (pro 5 ml) Aluminiumhydroxid enthalten. Dies entspräche 173 mg bzw. 111 mg Aluminium pro Anwendung. Für einen 60 kg schweren Erwachsenen entspräche dies einer Exposition von 1,85 –2,88 mg/kg KG. Je nach Häufigkeit der Anwendung können Betroffene dadurch bis zu 2 g Aluminium pro Person und Tag, an dem die Beschwerden auftreten, aufnehmen (Fischer, 2014), was 33 mg/kg KG entspräche. Eine solche Tagesdosis entspräche, selbst wenn man den höheren von der JECFA abgeleiteten Wert zugrunde legt, der duldbaren Aufnahmemenge von über 16 Wochen."

Für mich heißt das, bei Aufnahme von 2g Al an einem einzigen Tag ist damit die duldbare Aufnahmemenge bereits für die nächsten 16 Wochen erreicht.
Die Formulierung im DAZ-Artikel ("Selbst wenn man eine Aufnahme von 2 g Aluminium pro Person und Tag zugrunde legt – was je nach Präparat und Häufigkeit der Einnahme theoretisch erreicht werden könnte –, wäre dies noch lange kein Grund zur Sorge: Die von der JECFA abgeleitete duldbare Aufnahmemenge wäre bei solch einer Tagesdosis erst nach mehr als 16 Wochen erreicht.") ist für mich eher so zu verstehen, als können man 16 Wochen lang jeden Tag 2g Al zu sich nehmen und würde dann erst die duldbare Aufnahmemenge der JECFA erreichen.

Als duldbare Aufnahmemenge der JECFA verstehe ich laut BfR-Bericht 2 mg/kg KG pro Woche; schade, dass das auch nicht im Artikel erläutert wird.

Im BfR-Bericht heißt es außerdem:
"Einen weiteren zusätzlichen Beitrag stellt die Anwendung aluminiumhaltiger Antazida dar. Entsprechend der durch die WHO angegebenen Gehalte, führt dies zu einer zusätzlichen oralen Exposition von 111 bis 173 mg pro Person pro Anwendung. Bei einer Anwendung pro Tag wäre das für einen Erwachsenen bereits ein Beitrag von 13,0 – 20,2 mg Al/kg KG/Woche. "
Die JECFA-Werte werden also weit überschritten wenn man eine Woche lang 1x täglicher Antazida Al-Antazida anwendet. Wie kommen die Autoren dieses Artikels da auf die Formulierung "noch lange kein Grund zur Sorge"?

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: Belastung durch Antazida missverstä

von Dr. Carolin Straub, Redakteurin DAZ am 09.12.2019 um 15:13 Uhr

Sehr geehrter Herr Schmücker, vielen Dank für Ihren Kommentar: Sie haben völlig recht. Wir entschuldigen uns für diesen Irrtum. Der Fehler wurde entsprechend korrigiert.

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