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Aus den Ländern
Antibiotika: Versorgung sichern, Resistenzen vermeiden
BAH-Konferenz zum Europäischen Antibiotika-Tag
Neben Vertretern von Pharmaunternehmen und weiteren Firmen nahmen daran Apotheker, Ärzte, Wissenschaftler, Bundestagsabgeordnete, Mitarbeiter unterschiedlicher Behörden und politischer Organe wie dem Bundesministerium für Gesundheit (BMG), dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), dem Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) und dem Bundeskanzleramt sowie Vertreter von Krankenkassen und der Fachpresse teil.
In seiner Begrüßung verwies Dr. Elmar Kroth, Geschäftsführer Wissenschaft des BAH, darauf, dass Antibiotika zu den größten zivilisatorischen Errungenschaften zählen, die es zu bewahren gilt. Denn noch in der Mitte des vergangenen Jahrhunderts seien Menschen an Infektionskrankheiten wie Lungenentzündungen oder bakteriellen Darmerkrankungen gestorben, die heute relativ einfach und in kurzer Zeit behandelt werden können – allerdings nur, wenn die Wirksamkeit der Antibiotika erhalten bleibt. Denn nach Schätzungen des BMG sind im Jahr 2015 rund 2400 Patienten an Infektionen mit resistenten Erregern gestorben. Die OECD schätzt, dass in Zukunft pro Jahr 2,5 Millionen Menschen in Nordamerika, Europa und Australien an nicht behandelbaren Infektionen versterben könnten, wenn keine Gegenmaßnahmen ergriffen werden.
Globalisierung fördert Verbreitung von Resistenzen
Um die Ausbreitung von Resistenzen verfolgen zu können, müssen verlässliche und aktuelle Daten gesammelt und ausgewertet werden. Für systemisch wirkende Antibiotika übernimmt diese Aufgabe in Deutschland beispielsweise die Zentralstelle für die Auswertung von Resistenzdaten bei systemisch wirkenden Antibiotika (Z.A.R.S.), die von den Herstellerverbänden BAH, BPI, VFA und Progenerika getragen und vom BAH koordiniert wird. Dienstleister dieser Institution ist die Antiinfectives Intelligence GmbH. Deren Geschäftsleiter Prof. Dr. Michael Kresken betonte, dass die Bekämpfung von Resistenzen nicht national gestemmt werden könne. Denn durch die Globalisierung breiten sich resistente Erreger derzeit rasch weltweit aus. Bakterien, die vom Z.A.R.S. besonders beobachtet werden, sind Escherichia coli, Klebsiella pneumoniae, Pseudomonas aeruginosa, Staphylococcus aureus und Enterococcus faecium. Häufig werde argumentiert, dass die Landwirtschaft einen wesentlichen Beitrag zur Verbreitung von Antibiotikaresistenzen leiste. „Der größte Teil ist aber innerhalb der Humanmedizin hausgemacht“, so Kresken.
Die DART-Initiative der Bundesregierung
Dr. Alexandra Clarici, Mitarbeiterin im Referat 322 (Infektionskrankheiten, Antimikrobielle Resistenzen, Hygiene, Impfen) des BMG, stellte die Deutsche Antibiotika-Resistenzstrategie DART vor. Sie wurde bereits 2008 begründet, 2015 gemeinsam mit den Bundesministerien für Ernährung und Landwirtschaft sowie Bildung und Forschung überarbeitet und in weiterentwickelter Form („DART 2020“) durch das Bundeskabinett verabschiedet. DART 2020 will Maßnahmen zur Reduzierung von Antibiotika-Resistenzen bündeln. Clarici betonte, dass die Sektor-übergreifende Zusammenarbeit („One-Health-Ansatz“) im Vordergrund stehe. Das bedeute, dass alle Ziele von DART 2020 gleichermaßen die Human- und die Veterinärmedizin betreffen. Im Ziel 6 der Initiative „Forschung und Entwicklung unterstützen“ ist aufgeführt, dass die Forschung zur Entwicklung von Antiinfektiva in nationalen und international abgestimmten Initiativen gestärkt werden soll.
Firmen geben Antibiotikaforschung auf
Dr. Robert Welte, Leiter Market Access, GSK Deutschland, begrüßte in seinem Redebeitrag diese Vorhaben. Denn derzeit sitze die Antibiotikaforschung weltweit de facto „am Katzentisch“. Ein „Füllhorn an Innovationen“, wie beispielsweise bei den HIV-Therapeutika oder in der Onkologie, gebe es bei den bakteriellen Antiinfektiva nicht, auch weil die finanziellen Rahmenbedingungen der Erstattung nicht stimmten. Deshalb seien große forschende Unternehmen wie AstraZeneca, Novartis und Sanofi aus der Antibiotikaforschung ausgestiegen, so Welte. GSK sei eines der wenigen großen forschenden Pharmaunternehmen, die weiterhin in diese Forschung investieren. Welte präsentierte konkrete Lösungsvorschläge, wie die Situation verbessert werden könnte. So wären beispielsweise eine Verlängerung des Patentschutzes für neu zugelassene Antibiotika – analog zu den Orphan Drugs – „ein starkes Signal“. Weitere finanzielle Forschungsanreize könnten Market Entry Rewards oder Versicherungsmodelle bieten. Begrüßen würden die forschenden Hersteller auch, wenn per Gesetz für Antibiotika im Rahmen des AMNOG-Verfahrens ein garantierter Zusatznutzen gewährt werden könnte. „Dies hätte auch Ausstrahleffekte auf andere Länder“, so Welte.
Unterstützende Therapie durch pflanzliche Arzneimittel
Prof. Dr. Karin Kraft, Präsidentin der Gesellschaft für Phytotherapie e. V., verwies in ihrem Vortrag zunächst auf die Ursachen, die zur zunehmenden Resistenzentwicklung gegen Antibiotika beitragen können. Dazu zähle unter anderem die unkritische Verschreibung von Antibiotika sowie ein zu früher Therapieabbruch durch die Patienten. Häufig komme es durch die Wirkstoffe relativ rasch zu einer Symptomlinderung. Die Patienten nähmen aber dann die Medikamente nicht für die vorgeschriebene Dauer ein. Bei einer Unterdosierung könnten jedoch überlebende Bakterien Resistenzen entwickeln und die entsprechenden Gene auf andere Bakterien übertragen. Da der Großteil der Atemwegsinfektionen viral bedingt ist und keinen Antibiotikaeinsatz erfordert, könnten pflanzliche Extrakte eine sinnvolle Alternative sein, so Kraft. Denn einige Pflanzen produzieren sekundäre Inhaltsstoffe zur direkten Abwehr von mikrobiellen Angriffen. Dazu zählen vor allem ätherische Öle und Senföle, die ein breites Wirkungsspektrum besitzen. Sie wirken am besten, wenn sie frühzeitig nach Symptombeginn angewendet werden, betonte Kraft.
Großangelegte pharmakoepidemiologische Studie
Kraft stellte die Ergebnisse einer Studie vor, die den Zusammenhang zwischen Verordnungen von pflanzlichen Erkältungspräparaten und Antibiotika untersucht hatte. Ziel war es herauszufinden, ob Patienten mit einem Atemwegsinfekt seltener Antibiotika verordnet werden, wenn kurz nach Diagnosestellung ein pflanzliches Erkältungspräparat empfohlen oder verordnet wird. Die Studie wertete die Daten von 206.278 Patienten mit einer Verordnung eines pflanzlichen Produkts und die gleiche Anzahl ohne solche Verschreibungen aus. Die Analyse ergab, dass die Verordnung der Phytopharmaka das Risiko für eine Antibiotikatherapie in hausärztlichen Praxen auf etwa ein Drittel (Odds Ratio, OR: 0,29) und in pädiatrischen Praxen auf etwa die Hälfte reduzierte (OR: 0,47). Die Autoren der Studie interpretierten diese Ergebnisse dahingehend, dass dies ein Hinweis auf eine Wirkung der Phytopharmaka nicht nur gegen Viren, sondern auch gegen Bakterien sein könnte.
Intelligente Lösungen gefragt
In seinem Schlusswort fasste Dr. Hubertus Cranz, Hauptgeschäftsführer des BAH, die Probleme bei der Antibiotikaentwicklung wie folgt zusammen: „Wir brauchen neue Wirkstoffe, es gibt aber zu wenige Neuentwicklungen und wenn doch, dann sollen wir sie möglichst nicht einsetzen, weil es Reserveantibiotika sind.“ Zur Lösung dieses Problems seien vonseiten des Gesetzgebers besonders intelligente Lösungen gefragt. Auch gegen die weitere Ausbreitung von Resistenzen müssen seiner Ansicht nach noch mehr Strategien entwickelt werden. Dazu zähle auch, die Bewusstseinsbildung in der Bevölkerung zum Umgang mit Antibiotika zu verbessern. Hier bestünden noch erhebliche Wissenslücken, wie sich auch in Umfragen des BAH immer wieder gezeigt habe. Im Anschluss an die Vorträge fand eine Podiumsdiskussion statt, die von Dr. Hermann Kortland, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des BAH, moderiert wurde. |
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