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Arzneimittel und Therapie
Neue Waffe im Kampf gegen Pneumonie
Lefamulin ähnlich gut wirksam wie Moxifloxacin
Seit vielen Jahren stellt die Behandlung von Lungenentzündungen weltweit eine große Herausforderung dar. Die Mortalitätsraten sind gleichbleibend hoch, und der Anstieg resistenter Erreger ist seit Langem alarmierend. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) berichtet, dass Infektionen der unteren Atemwege die vierthäufigste Todesursache weltweit und die häufigste Todesursache durch Infektionskrankheiten sind [1]. In den USA ist nun ein neues Antibiotikum zur Behandlung der ambulant erworbenen bakteriellen Pneumonie (engl. community-aquired bacterial pneumonia, CABP) zugelassen worden. Bei dem Wirkstoff handelt es sich um ein halbsynthetisches Pleuromutilin-Antibiotikum (s. Kasten). Lefamulin ist der erste systemisch eingesetzte Vertreter dieser Substanzklasse zur Anwendung beim Menschen und kann sowohl intravenös als auch oral verabreicht werden. Es ist unter anderem wirksam gegen die meistverbreiteten Pneumonie-Erreger Streptococcus pneumoniae, Haemophilus influenzae oder Staphylococcus aureus.
Ansprechraten von rund 90%
Die Zulassung von Lefamulin beruht auf den Daten aus zwei randomisierten Doppelblindstudien: LEAP 1 und LEAP 2 (Lefamulin Evaluation Against Pneumonia) [2, 3]. An insgesamt 1289 erwachsenen Patienten mit ambulant erworbener bakterieller Pneumonie wurde der Wirkstoff – intravenös in LEAP 1 und oral in LEAP 2 – getestet. LEAP 2 wurde zwischen 2016 und 2018 durchgeführt. Die Ergebnisse wurden nun veröffentlicht. In der Studie wurden 738 Patienten mit schwerer, akuter CABP untersucht. Die Patienten wurden dabei fünf Tage mit Lefamulin (600 mg, alle 12 Stunden) oder sieben Tage mit dem Kontroll-Antibiotikum Moxifloxacin (400 mg, alle 24 Stunden) behandelt. Die klinische Wirksamkeit wurde nach 96 Stunden ermittelt. Hier zeigte sich, dass unter Lefamulin und Moxifloxacin jeweils 90,8% der Patienten auf die orale Therapie ansprachen. Zuvor hatte die LEAP-1-Studie schon ähnliche Ergebnisse bei intravenöser Gabe geliefert. Bei oraler Gabe traten in der Lefamulin-Gruppe insgesamt häufiger gastrointestinale Beschwerden auf als in der Moxifloxacin-Gruppe. Die Patienten berichteten vor allem über Diarrhö (12,2% unter Lefamulin vs. 1,1% unter Moxifloxacin). Erhöhte Leberenzym-Werte, Übelkeit und Erbrechen sind in der Produktinformation als weitere Nebenwirkungen beschrieben [4]. Zudem kann Lefamulin das QT-Intervall verlängern. Risikopatienten sollten das Antibiotikum daher nicht erhalten.
Wie wirkt Lefamulin?
Lefamulin bindet an das Peptidyltransferase-Zentrum der 50S-Untereinheit der Ribosomen und hemmt so die Proteinsynthese des Bakteriums. Der Ansatz ist nicht ganz neu: Viele Antibiotika, darunter Tetracycline und Makrolide, entfalten ihre Wirkung durch Bindung an die Untereinheiten der Ribosomen. Der Wirkort von Lefamulin unterscheidet sich jedoch geringfügig von herkömmlichen Substanzen, so soll das Pleuromutilin auch bei resistenten Erregern wirksam sein. Als erster Vertreter der Substanzklasse wurde im Jahr 2007 das topisch eingesetzte Retapamulin (Altargo®) zur Behandlung oberflächlicher Hautinfektionen als Humanarzneimittel zugelassen [7]. Auf Antrag des Zulassungsinhabers Glaxo Group Ltd wurde die Marktzulassung in der EU Anfang 2019 aus kommerziellen Gründen jedoch zurückgenommen. Als Tierarzneimittel sind Pleuromutiline schon länger bekannt: Valnemulin wurde bereits im Jahr 1999 von der europäischen Kommission zugelassen, Tiamulin wird ebenfalls seit geraumer Zeit in zahlreichen europäischen Ländern zur Behandlung von Schweinen, Geflügel und Kaninchen eingesetzt.
Preeti N. Malani, Professorin an der Universität Michigan und Mitherausgeberin der Fachzeitschrift „JAMA“, gibt in einem Editorial eine Einschätzung zu Lefamulin ab [5]. Hier weist sie unter anderem auf eine mögliche finanzielle Barriere hin: Die Kosten für die Lefamulin-Behandlung sollen sich laut Hersteller Nabriva Therapeutics auf 205 US-Dollar pro Tag bei intravenöser Gabe und auf 275 US-Dollar pro Tag bei oraler Gabe belaufen. Dies übersteige die Kosten von Moxifloxacin um ein Vielfaches. In einem Kommentar im Medical Letter des JAMA wird zudem davor gewarnt, dass es bei einer Lefamulin-Behandlung leicht zu Wechselwirkungen mit anderen Arzneistoffen kommen kann. Lefamulin wird wie viele andere Arzneistoffe auch über das Enzym CYP3A4 metabolisiert [6]. Dazu kämen die ausgeprägten gastrointestinalen Nebenwirkungen und die möglichen Auswirkungen auf die QT-Zeit. Trotz gewisser Risiken stellt das neue Antibiotikum eine Chance im Kampf gegen die bakterielle Pneumonie dar. Ein Antrag auf Zulassung in der EU wurde bereits eingereicht. |
Literatur
[1] Global Health Estimates 2016: deaths by cause, age, sex, by country and by region, 2000-2016. Geneva, World Health Organization; 2018
[2] Alexander E et al. Oral Lefamulin vs Moxifloxacin for Early Clinical Response Among Adults With Community-Acquired Bacterial Pneumonia: The LEAP 2 Randomized Clinical Trial. JAMA 2019; doi: 10.1001/jama.2019.15468
[3] File TM Jr et al. Efficacy and Safety of IV-to-Oral Lefamulin, a Pleuromutilin Antibiotic, for Treatment of Community-Acquired Bacterial Pneumonia: The Phase 3 LEAP 1 Trial. Clin Infect Dis 2019; doi: 10.1093/cid/ciz090
[4] Lefamulin (Xenleta™) Prescribing Information (Stand 08/2019). www.accessdata.fda.gov; Abruf am 13. November 2019
[5] Malani PN. Lefamulin-A New Antibiotic for Community-Acquired Pneumonia. JAMA 2019; doi: 10.1001/jama.2019.16215
[6] Lefamulin (Xenleta) for Community-Acquired Bacterial Pneumonia. JAMA 2019;322(17):1709-1710
[7] Informationen auf der Webseite der European Medicines Agency (EMA). www.ema.europa.eu; Abruf am 13. November 2019
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