Arzneimittel und Therapie

Brustkrebsrisiko medikamentös senken

Aktuellen Leitlinien zufolge profitiert nur ein kleiner Personenkreis

Aufgrund der Häufigkeit von Brustkrebserkrankungen wird nach Möglichkeiten einer Primärprävention gesucht. Neben nichtmedikamentösen vorbeugenden Maßnahmen kann in bestimmten Fällen eine Chemoprävention erwogen werden. Wann eine solche sinnvoll erscheint, wird in diversen Leitlinien aufgeführt.

Brustkrebs ist die häufigste systemische Tumorerkrankung der Frau, an der etwa eine von acht Frauen erkrankt. Neben Früherkennungsmaßnahmen kommt unter Umständen auch eine medikamentöse Prävention infrage. Von verschiedenen Expertengremien wurden hierzu entsprechende Statements und Empfehlungen erstellt. Kürzlich hat die United States Preventive Services Task Force (USPSFT) ihre 2013 ausgesprochenen Empfehlungen überarbeitet und ergänzt. Die USPSFT ist ein unabhängiges Gremium aus ­US-amerikanischen Experten, das die Wirksamkeit bestimmter präventiver Maßnahmen systematisch überprüft und Empfehlungen für klinische Präventionsangebote entwickelt.

Foto: Monkey Business – stock.adobe.com

Regelmäßige Vorsorgeuntersuchungen gelten als wichtigste Präventionsmaßnahme zur Früherkennung einer Brustkrebserkrankung. Zusätzlich zur jährlichen Tastuntersuchung können Frauen im Alter zwischen 50 und 69 Jahren alle zwei Jahre ein Mammografie-Screening durchführen lassen.

Nur bei erhöhtem Risiko

Die nunmehr aktualisierten Aussagen beziehen sich auf eine mögliche Risiko­minimierung Estrogen-Rezeptor-positiver Mammakarzinome bei über 35-jährigen Frauen. Sie gelten nur bei Vorliegen eines hohen Risikos, d. h. wenn das Fünf-Jahres-Risikos auf > 3% geschätzt wird. Ob ein erhöhtes Risiko besteht, kann mithilfe verschiedener Risikorechner oder anhand klinischer Parameter (z. B. Alter, Familienanamnese, bestimmte Vorerkrankungen der Brust wie etwa einige atypische Hyperplasien) ermittelt werden. Die Empfehlungen sind nicht für Frauen bestimmt, die bereits an einem invasiven Mammakarzinom oder einem duktalen Karzinom in situ erkrankt waren. Zu den chemopräventiven Wirkstoffen, die in den Empfehlungen aufgeführt sind, zählen die selektiven Estrogen-Rezeptor-Modulatoren Tamoxifen und Raloxifen sowie Aromatase-Hemmer, wobei letztere erstmals in die Liste aufgenommen wurden.

Die aktualisierte Auswertung klinischer Studien führte zu folgender Kernaussage: Eine Chemoprävention ist nur für Frauen mit einem erhöhten Brustkrebsrisiko sowie unter Berücksichtigung möglicher Nebenwirkungen zu empfehlen (s. Tabelle). So können Tamoxifen und Raloxifen vasomotorische Symptome hervorrufen und das Risiko für venöse Thromboembolien erhöhen. Tamoxifen erhöht zusätzlich das Risiko, an einem Endometriumkarzinom zu erkranken. Unter einer Therapie mit Aromatase-Hemmern treten unter anderem muskulo­skelettale Schmerzen auf, ebenso ist das Frakturrisiko zu beachten [1 – 3].

Tab.: Kernaussagen der USPSTF-Empfehlungen zur medikamentösen Brustkrebsprävention bei Frauen ≥ 35 Jahre (nach [1, 2])
Brustkrebsrisiko
Empfehlung
Empfehlungsgrad
erhöht
Ärzte sollten Frauen mit einem erhöhten Risiko für eine Brustkrebserkrankung und einem geringen Risiko für das Auftreten von Nebenwirkungen eine Chemoprävention mit Tamoxifen, Raloxifen oder Aromatase-Hemmern anbieten
Empfehlungsgrad B
(hohe Evidenz für moderaten Nutzen)
nicht erhöht
Die routinemäßige Durchführung einer Chemoprävention mit Tamoxi­fen, Raloxifen oder Aromatase-Hemmern wird Frauen, die kein erhöhtes Brustkrebsrisiko aufweisen, nicht empfohlen
Empfehlungsgrad D
(kein Nutzen bzw. Schaden überwiegt Nutzen)

Unterscheidung zwischen prä- und postmenopausalen Frauen

Etwa zum selben Zeitpunkt wie die USPSFT-Empfehlungen wurde auch die aktualisierte Leitlinie der Amerikanischen Krebsgesellschaft (American Society of Clinical Oncology, ASCO) zur Chemoprävention endokriner Mammakarzinome veröffentlicht. Mit ein Grund hierfür waren die Ergebnisse einer Studie mit dem Aromatase-Hemmer Anastrozol sowie die Aufnahme und Bewertung der seit 2013 (dem Zeitpunkt der letzten Veröffentlichung) publizierten Arbeiten. Es werden folgende Empfehlungen ausgesprochen:

  • Für postmenopausale Frauen mit einem erhöhten Brustkrebsrisiko stehen zur Prävention folgende endokrin wirksame Arzneistoffe zur Verfügung: Anastrozol (1 mg/Tag), Exemestan (25 mg/Tag), Raloxifen (60 mg/Tag) oder Tamoxifen (20 mg/Tag). Bei der Auswahl eines Wirkstoffs sollten das Alter, Komorbiditäten und das Nebenwirkungsprofil berücksichtigt werden.
  • Für über 35-jährige prämenopausale Frauen mit abgeschlossener Familienplanung kann eine fünfjährige Tamoxifen-Einnahme (20 mg/Tag) erwogen werden.
  • Anastrozol, Exemestan und Raloxifen sollten nicht bei prämenopausalen Frauen zur Risikoreduktion eingesetzt werden.

In der Leitlinie wird ferner aufgeführt, unter welchen Voraussetzungen eine Frau wahrscheinlich von einer endokrinen Präventionstherapie profitiert, z. B. bei bestimmten Vorerkrankungen der Brust. Des Weiteren werden unerwünschte Wirkungen von Aromatase-Hemmern auf die Knochengesundheit diskutiert. So sollten vor einer Verordnung das Frakturrisiko und die Knochenmineraldichte bestimmt werden. Das weitere Vorgehen richtet sich dann nach diesen Ergebnissen. Gegebenen­falls sollte die zusätzliche Gabe von Bisphosphonaten oder Denosumab erwogen werden. Generell sollten Frauen, die Aromatase-Hemmer einnehmen, dazu ermutigt werden, sich regelmäßig sportlich zu betätigen. Zudem ist auf eine ausreichende Zufuhr von Calcium und Vitamin D in Form von Supplementen zu achten [4].

Was empfehlen die deutschen Leitlinien?

In den Leitlinien der Deutschen Gesell­schaft für Hämatologie und Onko­logie (DGHO) und der Arbeitsgemeinschaft Gynäkologische Onkologie (AGO) finden sich ähnliche Aussagen wie in den US-amerikanischen Empfehlungen [5, 6]. Chemopräventive Therapien sollten nur Frauen mit erhöhtem Risiko und nur nach umfassender und individueller Beratung angeboten werden [6]. Ihr Nutzen hängt vom Risikostatus, Alter und vorbestehenden Risiken für Nebenwirkungen ab [5, 6]. Konkret empfiehlt die AGO-Leitlinie Tamoxifen für Frauen über 35 Jahre zur Risikoreduktion für das Auftreten eines invasiven Mammakarzinoms, eines duktalen Karzinoms in situ und einer lobulären Neoplasie, Aromatase-Hemmer (Exemestan oder Anastrozol) für postmenopausale Frauen sowie Raloxifen für postmenopausale Frauen zur Risikoreduktion eines invasiven Mammakarzinoms [6]. In der DGHO-Leitlinie wird zudem darauf hingewiesen, dass für keine der Substanzen bislang ein Gesamtüberlebensvorteil gezeigt werden konnte [5]. |

Literatur

[1] US Preventive Services Task Force (USPSTF). Breast Cancer: Medication Use to Reduce Risk. www.uspreventiveservicestaskforce.org; Abruf am 26. September 2019

[2] US Preventive Services Task Force. Medication use to reduce risk of breast cancer: US Preventive Services Task Force recommendation statement. JAMA 2019;322(9):857-867

[3] Pace LE et al. Medications to reduce breast cancer risk: Promise and limitations. JAMA 2019;322(9):821-823

[4] Visvanathan K et al. Use of Endocrine Therapy for Breast Cancer Risk Reduction: ASCO Clinical Practice Guideline Update. J Clin Oncol 2019; doi:10.1200/JCO.19.01472

[5] Mammakarzinom der Frau. Onkopedia. www.onkopedia.com; Abruf am 26. September 2019

[6] Diagnostik und Therapie früher und fortgeschrittener Mammakarzinome. Empfehlungen der Kommission „Mamma“ der Arbeitsgemeinschaft für gynäkologische Onkologie (AGO). Version 2019. 1. www.ago-online.de; Abruf am 26. September 2019

Apothekerin Dr. Petra Jungmayr

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.