- DAZ.online
- DAZ / AZ
- DAZ 47/2019
- Arnica montana bei ...
Phytotherapie
Arnica montana bei stumpfen Verletzungen
Was in den Blüten der geschützten Bergpflanze steckt
Auf so mancher Bergwiese bietet sich im Sommer ein prächtiger Anblick, wenn die Hänge über und über bedeckt sind mit den leuchtend gelben Blütenköpfchen der Arnika (Arnica montana). Dennoch darf dieser Anblick nicht darüber hinwegtäuschen, dass die bekannte Heilpflanze aus der Familie der Korbblütler recht selten geworden ist. Jahrhundertelange Wildsammlungen und der Rückgang ihres Lebensraums – insbesondere magere und saure Bergwiesen – haben die Bestände in Europa schrumpfen lassen. Ihr Verbreitungsgebiet umfasst ganz Mitteleuropa von Südskandinavien über die Alpen bis zur Iberischen Halbinsel und zum Nordbalkan, aber auch in Osteuropa gibt es Vorkommen, so z. B. in Rumänien und im Baltikum. Die besten Wachstumsbedingungen findet die Arnika in Höhen zwischen 500 und 2500 Metern. In Deutschland gilt die Art als gefährdet und ist entsprechend geschützt.
Arnika gehört zur Familie der Korbblütler (Asteraceae). Die ausdauernde Pflanze wird etwa 50 cm hoch, besitzt gegenständige Blätter und ein bis drei Blütenköpfchen, die aus Zungen- und Röhrenblüten bestehen. Als Droge werden die getrockneten Blütenköpfchen verwendet. Diese stammen immer noch zum Teil aus Wildsammlungen (z. B. in Spanien und Rumänien), allerdings ist es inzwischen durch züchterische Bemühungen gelungen, eine Sorte zu erzeugen, die einen feldmäßigen Anbau ermöglicht.
Interessanterweise gibt es in antiken griechischen oder römischen Schriften noch keine Hinweise auf die Verwendung der Arnika als Arzneipflanze und auch eine Erwähnung durch Hildegard von Bingen gilt als umstritten. Seit dem 18. Jahrhundert erfreute sich die Droge allerdings zunehmender Beliebtheit und wurde vielfältig eingesetzt, unter anderem bei Venenentzündungen, Verletzungen, Blutergüssen und rheumatischen Beschwerden, aber auch innerlich als Analeptikum und missbräuchlich als Abortivum. Auch Johann Wolfgang von Goethe lobte immer wieder die Heilkraft der Pflanze und ließ sich öfters entsprechende Tees zubereiten [1]. Hierzu muss allerdings angemerkt werden, dass eine innerliche Anwendung – mit Ausnahme von homöopathischen Zubereitungen – heutzutage nicht mehr empfohlen wird, da die enthaltenen Sesquiterpenlactone in hoher Dosierung kardio- und zytotoxisch wirken [2].
Inhaltsstoffe und Pharmakologie
Neben Flavonoiden, Kaffeesäurederivaten und ätherischem Öl enthalten Arnikablüten insbesondere Sesquiterpenlactone, die dem Pseudoguaianolid-Typ zuzuordnen sind. Dominierend sind Helenalin und 11α,13-Dihydrohelenalin (Abb. 1), die über ihre Hydroxylgruppe mit unterschiedlichen kurzkettigen Carbonsäuren (z. B. Essig-, Isobutter-, Isovalerian- oder Tiglinsäure) verestert sein können. Das Inhaltsstoffspektrum variiert je nach Herkunft der Droge. Es lässt sich ein mitteleuropäischer Chemotyp mit hohem Helenalinester-Gehalt von einem spanischen Chemotypen unterscheiden, der reich an Dihydrohelenalin-Estern ist.
Arnika-Zubereitungen besitzen antiphlogistische, antiseptische und schmerzstillende Eigenschaften. Verschiedene Inhaltsstoffgruppen tragen in unterschiedlichem Ausmaß zur Gesamtwirkung bei, allerdings werden die Sesquiterpenlaktone als wesentliche entzündungshemmende Wirkstoffe angesehen. Sie beeinflussen verschiedene Parameter, die beim Entzündungsgeschehen eine Rolle spielen, so z. B. die chemotaktische Migration von neutrophilen Zellen, die Histaminfreisetzung aus Mastzellen und die Freisetzung lysosomaler Enzyme [3]. Außerdem konnte gezeigt werden, dass insbesondere Helenalin und seine Ester bereits in niedrigen Konzentrationen die Aktivierung des Transkriptionsfaktors NF-κB hemmen. NF-κB ist ein zentrales Regulatorprotein, das für die Aktivierung verschiedener, am Entzündungsgeschehen beteiligter Gene verantwortlich ist. Somit wird die Bildung von pro-inflammatorischen Zytokinen (Interleukine Il-1, Il-2, Il-6, Il-8 und TNF α) ebenso verhindert wie die der Cyclooxygenase 2, der induzierbaren NO-Synthase und verschiedener Matrix-Metalloproteinasen, sodass eine Verringerung der Entzündungsreaktion resultiert [4, 5, 6]. Wesentliche Strukturelemente für die Wirkung sind die im Helenalin vorhandenen α,β-ungesättigten Carbonylfunktionen (α-Methylen-γ-lacton- und Cyclopentenon-Struktur). Diese können nach dem Mechanismus einer Michael-Addition z. B. mit Sulfhydrylgruppen von Proteinen interagieren, sodass es zu einer Bindung an die p65-Untereinheit von NF-κB über das in der DNA-bindenden Domäne liegende Cystein-38 kommt. Auf diese Weise wird die Interaktion von NF-κB mit der DNA unterbunden. Neben der entzündungshemmenden Aktivität wurde für Helenalin außerdem eine wachstumshemmende Wirkung gegenüber verschiedenen Protozoen (Trypanosomen, Leishmanien, Plasmodien) sowie eine zytotoxische Wirkung auf verschiedene Tumorzelllinien berichtet [7].
Subspezies mit geringem Allergiepotenzial
Arnika wächst bevorzugt auf nicht oder nur wenig gedüngten Bergwiesen (Borstgrasrasen). Größere Mengen anzubauen, ist nach wie vor schwierig. Um das Wildvorkommen zu schonen, wird versucht, Sorten zu züchten, die für den Feldanbau geeignet sind. Es gibt mittlerweile zwei eingetragene und geschützte Sorten: Arnica montana L. „Arbo“, und Arnica montana L. „Arvita“. Auch wird versucht, Pflanzen auf ihr Inhaltsstoffmuster (Gehalt und relatives Verhältnis der Sesquiterpenlacton-Gruppen) zu analysieren und Subspezies wie Arnica montana atlantica zu züchten, die ein geringes Allergiepotenzial besitzen.
Klinische Wirksamkeit
Die umfänglichen In-vitro-Befunde zum entzündungshemmenden Potenzial der Arnikablüten lassen die traditionelle Anwendung bei stumpfen Verletzungen oder Venenbeschwerden plausibel erscheinen. Klinische Studien, die die Wirksamkeit belegen könnten, sind bisher allerdings nur wenige durchgeführt worden. So untersuchte beispielsweise Brock 2001 die Effektivität eines Arnika-Gels (25 g Arnika-Tinktur/100 g) in einer randomisierten Doppelblindstudie an 100 Patienten mit chronisch-venöser Insuffizienz. Sowohl in der Arnika-Gruppe als auch in der Placebo-Gruppe wurde zusätzlich eine Hydrotherapie nach Kneipp durchgeführt. Nach drei Wochen zeigte sich in der Verum-Gruppe eine signifikante Verbesserung der venösen Funktion im Vergleich zur Placebo-Gruppe. Zwei Patienten beendeten die Studie vorzeitig aufgrund einer allergischen Reaktion [8]. Ebenfalls in einer randomisierten Doppelblindstudie wurde die Effektivität eines Arnika-Gels bei Arthritisbeschwerden im Bereich der Hand untersucht [9]. 204 Patienten erhielten entweder ein 5%-iges Ibuprofen-Gel oder das Studienpräparat (A. Vogel Arnica Gel, 50 g Tinktur aus frischen Arnika-Blüten/100 g Gel). Dieses erwies sich als dem Ibuprofen-Gel ebenbürtig, es konnte kein Unterschied zwischen den Gruppen hinsichtlich der Parameter Schmerzen und Verbesserung der Funktionalität beobachtet werden. Auch im Rahmen dieser Studie entwickelten einige Patienten allergische Hautreaktionen. In einer offenen, multizentrischen Untersuchung von Knuesel und Mitarbeitern [10] wurde ein Arnika-Gel (50 g Tinktur aus frischen Arnika-Blüten/100 g Gel, DEV 1 : 20, Auszugsmittel: Ethanol 50%) bei 79 Patienten mit Arthritis des Kniegelenks eingesetzt. Das Gel wurde zweimal am Tag aufgetragen und nach drei bzw. sechs Wochen zeigte sich eine signifikante Besserung hinsichtlich der Parameter Schmerzen, Steifheit und Funktion. In Ermangelung einer Placebo-Gruppe kann diese Untersuchung allerdings höchstens als Hinweis auf eine mögliche Wirksamkeit bei Arthritis-Beschwerden angesehen werden. In drei weiteren kleinen Studien wurde die Effektivität von Arnika-Zubereitungen zur postoperativen Behandlung nach Lidkorrekturen (10%-ige Arnika-Salbe) [11] bzw. zur Besserung von Muskelschmerzen nach sportlicher Beanspruchung [12, 13] überprüft. In keiner dieser Untersuchungen zeigte das Studienpräparat eine bessere Wirkung als Placebo.
Auf einen Blick
- Arnica montana ist eine insbesondere auf Bergwiesen anzutreffende Heilpflanze aus der Familie der Korbblütler.
- Zubereitungen aus Arnikablüten werden als traditionelle Arzneimittel zur äußerlichen Behandlung von Blutergüssen, Verstauchungen und lokalen Muskelschmerzen eingesetzt.
- Wesentliche entzündungshemmende Inhaltsstoffe sind die Sesquiterpenlactone Helenalin und 11α,13-Dihydrohelenalin, die die Aktivierung des Transkriptionsfaktors NF-κB hemmen.
- Bei bestehender Korbblütlerallergie oder auf geschädigter Haut sollten Zubereitungen aus Arnika nicht angewendet werden.
- Eine innerliche Anwendung – mit Ausnahme von homöopathischen Zubereitungen – wird nicht mehr empfohlen, da die Sesquiterpenlactone in hoher Dosierung kardio- und zytotoxisch wirken.
Fazit
In Anbetracht der Studienlage hat das Herbal Medicinal Products Committee (HMPC) Zubereitungen aus Arnikablüten als traditionelle pflanzliche Arzneimittel eingestuft. Basierend auf langjähriger Erfahrung können entsprechende Präparate äußerlich zur Behandlung von Blutergüssen, Verstauchungen und lokalen Muskelschmerzen eingesetzt werden [14]. Da die Inhaltsstoffe der Arnika ein allergenes Potenzial besitzen, sollte vor der Abgabe geklärt werden, ob eine Korbblütlerallergie bekannt ist. Außerdem dürfen Arnika-Zubereitungen nicht auf geschädigter Haut angewendet werden und bei Abgabe der Tinktur ist der Hinweis ratsam, dass diese nicht unverdünnt angewendet werden sollte. |
Literatur
[1] Bergwohlverleih – Arnica montana L. (Asteraceae). Informationen der Forschergruppe Klostermedizin GmbH. www.klostermedizin.de/index.php/heilpflanzen/historische-monographien/41-bergwohlverleih-arnica-montana-l-asteraceae; Abruf 4. September 2019
[2] Wichtl M (Hrsg.). Teedrogen und Phytopharmaka: Ein Handbuch für die Praxis auf wissenschaftlicher Grundlage. 5. Auflage, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Stuttgart 2009
[3] Willuhn G. Arnica montana L. – Porträt einer Arzneipflanze. Pharm Ztg 1991;136:2453–2468
[4] Merfort I. Arnika: Neue Erkenntnisse zum Wirkungsmechanismus einer traditionellen Heilpflanze. Forschende Komplementärmedizin und Klassische Naturheilkunde 2003;10(suppl1):45–48
[5] Jäger C, Hrenn A, Zwingmann J et al. Phytomedicines prepared from Arnica flowers inhibit the transcription factors AP-1 and NF-κB and modulate the activity of MMP1 and MMP13 in human and bovine chondrocytes. Planta Medica 2009;75:1319–1325
[6] Verma N, Tripathi SK, Sahu D et al. Evaluation of inhibitory activities of plant extracts on production of LPS-stimulated pro-inflammatory mediators in J774 murine macrophages. Molecular and Cellular Biochemistry 2010;336:127-135
[7] Drogosz J, Janecka A. Helenalin - A Sesquiterpene Lactone with Multidirectional Activity. Current Drug Targets 2019;20:444-452
[8] Brock FE. Additiver Effekt venentypischer Hydrotherapie nach Kneipp und lokaler Arnika-Anwendung bei Patienten mit chronisch venöser Insuffizienz. Erfahrungsheilkunde 2001;11:357–363
[9] Widrig R, Suter A, Saller R et al. Choosing between NSAID and arnica for topical treatment of hand osteoarthritis in a randomised, double-blind study. Rheumatology International 2007;27:585-591
[10] Knuesel O, Weber M, Suter A. Arnica montana gel in osteoarthritis of the knee: an open, multicenter clinical trial. Advances in Therapy 2002;19:209-218
[11] Van Exsel DC, Pool SM, van Uchelen JH et al. Arnica ointment 10% does not improve upper blepharoplasty outcome: A randomized, placebo-controlled trial. Plastic and Reconstructive Surgery 2016;138:66-73
[12] Adkison JD, Bauer DW, Chang T. The effect of topical arnica on muscle pain. Annals of Pharmacotherapy 2010;44:1579-1584
[13] Pumpa KL, Fallon KE, Bensoussan A et al. The effects of topical Arnica on performance, pain and muscle damage after intense eccentric exercise. European Journal of Sport Science 2014;14:294-300
[14] Community herbal monograph on Arnica montana L., flos, 2013. www.ema.europa.eu/en/documents/herbal-monograph/draft-community-herbal-monograph-arnica-montana-l-flos_en.pdf
0 Kommentare
Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.