- DAZ.online
- DAZ / AZ
- DAZ 44/2019
- Gehe positioniert sich ...
DAZ aktuell
Gehe positioniert sich beim Thema Digitalisierung
Pharmagroßhandel veröffentlicht politisches Whitepaper
Die Welt der Patienten ist bereits seit einiger Zeit digital. Ob Internetrecherchen, App-Nutzung oder Kommunikation – Online-Kanäle liegen mit 46 Prozent auf Platz zwei der Informationsquellen für Patienten, direkt nach dem Arztbesuch (56 Prozent). Etwas weiter dahinter kommt mit 26 Prozent das persönliche Gespräch in der Apotheke, so das Ergebnis einer Umfrage, aus der Gehe in der Einleitung des Whitepapers zitiert. Und die Entwicklung wird weitergehen und ist von den Konsumenten auch erwünscht. Per Mobile Devices wollen sie Kontakt mit Ärzten, Apothekern und Krankenkassen aufnehmen. Arzttermine sollen genauso online und von unterwegs verwaltet werden können wie Rezepte oder Krankschreibungen. Eine aktuelle, repräsentative Umfrage des Branchenverbandes Bitkom verdeutlicht: E-Patientenakten und E-Rezepte würden fast zwei Drittel der Befragten am liebsten sofort nutzen. Auch die Gesundheitsökonomie skizziert Gehe in der Einleitung: Von den insgesamt 290 Milliarden Euro Ausgaben 2018 ließen sich laut einer McKinsey-Prognose etwa 34 Milliarden Euro einsparen, weil sich durch das Fortschreiten der Digitalisierung Diagnosen genauer stellen lassen, Behandlungen effizienter ablaufen und Fehlbehandlungen sowie Wechselwirkungen vermeiden lassen. Doch damit das alles in geordneten Bahnen verläuft, sieht der Pharmagroßhändler den Gesetzgeber in der Pflicht. Sechs Forderungen beinhaltet daher das Whitepaper:
1. Freie Apothekenwahl beim E-Rezept erhalten
2. Offenes System soll Monopolbildung verhindern
3. Datenschutz nicht über das Patientenwohl stellen
4. Hohe Qualität der Arzneimitteldistribution auch bei digitalen Geschäftsmodellen
5. Gesundheitsakteure sollen bereits in ihrer Ausbildung auf das digitale Gesundheitswesen vorbereitet werden
6. Breitbandausbau und IT-Sicherheit voranbringen
Leitplanken für das E-Rezept
Gehe sieht im E-Rezept die Möglichkeit, für ältere und immobile Patienten, aber auch für Berufstätige und die Landbevölkerung die ärztliche Versorgung zu verbessern. Mit der Einführung digitaler Verordnungen wächst dagegen die Sorge, dass zukünftig die freie Apothekenwahl der Patienten eingeschränkt sein könnte. Krankenkassen, Versandhändler und andere Gesundheitskonzerne, aber auch Ärzte und Apotheker könnten versuchen, Patienten mit ihren E-Rezepten gezielt zu ihrem Vorteil zu steuern.
Im Whitepaper thematisiert Gehe diese Gefahr direkt im ersten der sechs Punkte. Der Gesetzgeber sei in der Pflicht, die Patientensouveränität in der digitalen Versorgungswelt zu sichern. Hierfür müsse die berufs- und gewerbsmäßige Zuweisung verboten werden. Gehe setzt in diesem Punkt auf die Gematik, die gesetzliche Vorgaben definieren solle. Auch müsse es nach der Einführung der digitalen Verordnungen einen angemessenen Übergangszeitraum geben, in dem ein paralleles Nebeneinander von digitalen und analogen Rezepten existiere.
In einem weiteren Punkt fordert der Pharmagroßhändler, dass gewährleistet werden soll, dass die verschiedensten Akteure im Gesundheitswesen die Möglichkeit haben, an der elektronischen Übermittlung und Weiterverarbeitung der Rezeptdaten zu partizipieren. Daher solle der Gesetzgeber darauf achten, dass alle Anbieter gleichberechtigt und möglichst unabhängig agieren können. Die von der Gematik erarbeiteten Konzepte hinsichtlich des E-Rezeptes müssten daher standardisierbar und interoperabel sein. So würden Insellösungen verhindert und die Patienten hätten die Entscheidungshoheit, welcher Apotheke mit welcher Anwendung sie ihre E-Rezepte übermitteln. Mit diesem Statement grenzt sich Gehe von den Vorstellungen des Deutschen Apothekerverbandes (DAV) ab, am Ende würde es nur eine App geben, mit der die Patienten ihre E-Rezepte verwalten können.
Datenschutz und Patientenwohl
Auch den Datenschutz betrachtet Gehe in seinem Whitepaper. „Historisch bedingt“ hätte der Datenschutz in Deutschland einen hohen Stellenwert. Doch Datenschutz dürfe nicht zum Bremsklotz von Digitalisierung werden, denn erst durch sie könnten medizinische Probleme angegangen werden, für die es im analogen Zeitalter noch keine Lösung gegeben hätte.
Mit innovativen Technologien sei zwangsläufig verbunden, dass sensible Patientendaten zwischen den Akteuren im Gesundheitswesen übertragen werden. Im Sinne der Patienten solle daher eine Transparenz gewährleistet werden, damit jede selber entscheiden könne, wem welche Daten zur Verfügung gestellt werden. Der Datenschutz dürfe aber nicht über dem Patientenwohl stehen. Um Arzneimittel-Wechselwirkungen, Behandlungsfehler oder Doppeluntersuchungen zu vermeiden, müsste stets der Patientenschutz im Vordergrund stehen.
Aufwertung des Botendienstes
Nach Redaktionsschluss des Whitepapers fand eine apothekenrechtliche Änderung statt, die sich im Gehe-Papier noch als Forderung befindet. So befürwortet der Großhändler, dass der Botendienst generell und nicht nur im Einzelfall durch die Apotheke durchführbar sein soll. Dabei müsse der Gesetzgeber dafür sorgen, dass die Beratung zum ausgelieferten Arzneimittel auch im Vorfeld telefonisch oder durch andere digitale Kommunikationswege erlaubt ist. Außerdem solle für den Arzneimitteltransport ein allgemeingültiger regulatorischer Rahmen geschaffen werden, der alle Vertriebsstufen im System erfasst. Damit weist Gehe auf die hohen Standards im Bereich der Großhändler und Hersteller im Pharmasektor hin (Good Distribution Practice – GDP), die aber nicht für die Versandhandelsbranche oder den Apothekenbotendienst gelten.
Digitalkompetenz schaffen
Um das pharmazeutische Personal und alle Mitarbeiter in den Apotheken auf den digitalen Wandel bestmöglich vorzubereiten, wird im Whitepaper gefordert, die Lehrpläne in den Approbations- und Ausbildungsordnungen zu aktualisieren und den Umgang mit digitalen Anwendungen zu thematisieren. Als Beispiel nennt Gehe das Konzept zu fälschungssicheren Arzneimitteln (SecurPharm), die Telematikinfrastruktur und medizinisch-pharmazeutische Datenbanken. Auch digitale Hilfsmittel für die Medikationsanalyse und das Rezeptmanagement müssten Ausbildungsbestandteil werden.
Breitbandausbau und IT-Sicherheit
Der Erfolg eines digitalisierten Gesundheitswesens hängt stark davon ab, wie die beteiligten Institutionen und die Anwender miteinander vernetzt sind. Außerdem muss gewährleistet werden, dass große Datenmengen jederzeit und von überall problemlos ausgetauscht werden können. Daher thematisiert Gehe im letzten der sechs Punkte des Whitepapers den Breitbandausbau und die IT-Sicherheit. Der Gesetzgeber wird aufgefordert, den flächendeckenden Breitbandausbau bis 2025 zu realisieren. Das beinhaltet sowohl die Glasfaserleitungen als auch die mobile 5G-Technologie.
Um Datensicherheit und Netzintegrität zu gewährleisten, sollten Anbieter, die sich am Ausbau beteiligen, von Auftragsvergaben ausgeschlossen werden, wenn sie die geforderten Sicherheitsstandards und Transparenzkriterien nicht erfüllen. Gleichzeitig fordert der Pharmagroßhändler eine Kostenerstattung für den Aufwand bei der Umsetzung des IT-Sicherheitsgesetzes und der BSI-KRITIS-Verordnung (kritische Infrastruktur). Für eine sichere und effiziente Arzneimittelversorgung – von der Bestellung beim Hersteller, über die Großhändler bis in die Apotheken – müsse gewährleistet werden, dass IT-Strukturen nicht beschädigt werden und ausfallen. Vor allem in diesem sechsten und damit letzten Punkt des Whitepapers thematisiert Gehe ein großhandelstypisches Problem. Gehe, als vollversorgender pharmazeutischer Großhandel, wurde von der Bundesregierung als Betreiber kritischer Infrastruktur eingestuft. Die Definition beinhaltet einen festgelegten Schwellenwert an Rx-Packungen, die pro Jahr verteilt werden. Die KRITIS-Verordnung sieht vor, dass die Betreiber besondere Vorkehrungen im Bereich IT-Sicherheit und betrieblichem Kontinuitätsmanagement (BCM) treffen. Gehe beziffert die jährlichen Aufwendungen im sechsstelligen Bereich, zuzüglich eines Personalaufwands in ähnlicher Größenordnung.
Das politische Whitepaper wird Gehe Anfang November online veröffentlichen und an politische Entscheider verteilen. |
„Gerade kommt vieles in Bewegung, was sich mit unseren Vorstellungen deckt“
DAZ: Herr Dr. Schreiner, erläutern Sie uns bitte, welcher aktuelle Anlass Sie dazu bewegt hat, ein Whitepaper zur Digitalisierung aufzusetzen?
Schreiner: Die Digitalisierung im deutschen Gesundheitswesen schreitet mit großen Schritten voran. Die Mehrheit der Bundesbürger – und auch wir bei GEHE – sehen vor allem die Chancen, die sich daraus für die Patienten ergeben. Für die Apotheken vor Ort ist die Einführung des E-Rezeptes von fundamentaler Bedeutung. Hier ist der Gesetzgeber gefordert, einen sinnvollen ordnungspolitischen Rahmen festzulegen. Mit dem Whitepaper adressieren wir die aus unserer Perspektive wichtigsten Positionen.
DAZ: Wen beabsichtigen Sie konkret, mit dem Papier anzusprechen?
Schreiner: Wir richten uns an die Entscheidungsträger in der deutschen Gesundheitspolitik, aber auch an weitere relevante Stakeholder aus unserer Branche. So wollen unsere Kunden von uns wissen, welche Entwicklungen auf sie zukommen und was GEHE tut, um die Apotheke vor Ort auch im Wettbewerb um das E-Rezept zu stärken.
DAZ: Haben Sie das Gefühl, dass Ihre Forderungen bisher nur unzureichend thematisiert und umgesetzt wurden?
Schreiner: Das aktuelle Beispiel des Botendienstes, der von der Apotheke nun als Regelleistung angeboten werden darf, zeigt, dass gerade vieles in Bewegung kommt, was sich mit unseren Vorstellungen deckt. Andere Forderungen, bspw. die Verbesserung der intersektoralen Versorgung durch Standards und offene Systeme, werden aktuell diskutiert. Auch wollen wir mit dem Papier eine Diskussion zum Verhältnis von Datenschutz und Patientenwohl anregen. Der Apotheker ist auf Basis seiner erworbenen Qualifikationen und seiner Positionierung geradezu prädestiniert, um im Gesundheitswesen künftig eine noch wichtigere Rolle einzunehmen, gerade wenn es um Themen wie Medikationsmanagement, Adhärenz und die Vermeidung von Arzneimittelwechselwirkungen geht.
DAZ: Die Regelungen zum Botendienst wurden in der vergangenen Woche reformiert. Sind die Änderungen ganz in Ihrem Sinne?
Schreiner: Ja. Der Botendienst wird künftig für Patienten und damit auch für die Apotheken an Bedeutung gewinnen. Er wird nach unserer Auffassung den Besuch in der Apotheke als wichtiger Baustein der wohnortnahen Versorgung schnell, sicher und aus Sicht des Patienten sehr sinnvoll ergänzen. Eine hohe Servicequalität wird dadurch gesichert, dass der Botendienst qua Gesetz dem Personal der Apotheke vorbehalten ist.
0 Kommentare
Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.