Fehlermanagement

Fehldosierung vorprogrammiert

Wenn die Dosierungsanweisung auf dem Rezept nicht eindeutig ist …

Von Carina John | Ärzte sollen zukünftig bei der Verschreibung von Humanarzneimitteln die Dosierung auf dem Rezept vermerken, das sieht die achtzehnte Verordnung zur Änderung der Arzneimittelverschreibungsverordnung vor. Bisher war diese Angabe nur bei der Verordnung von Betäubungsmitteln und Rezepturarzneimitteln verpflichtend. Die neue Vorschrift soll zu mehr Transparenz im Medikationsprozess und somit zur Verbesserung der Arzneimitteltherapiesicherheit beitragen. Doch dies kann nur gelingen, wenn auf dem Rezept eindeutige Angaben zur Dosierung gemacht werden. Die zusätzliche Information bedeutet nur dann einen Mehrwert für den Apotheker und letztlich den Patienten, wenn sie keinen Interpretationsspielraum lässt, wenn sie Rückfragen beim Arzt unnötig macht.

Löst ein Patient in der Apotheke ein Rezept ein, sollte sich das pharmazeutische Personal im Rahmen des Beratungs­gesprächs informieren, welche Anweisungen der Arzt für die Dosierung, Anwendung und Anwendungsdauer gegeben hat, und diese auf Plausibilität prüfen. Diese Anforderung ist in der Leitlinie der Bundesapothekerkammer „Information und Beratung des Patienten bei der Abgabe von Arzneimitteln – Erst- und Wiederholungsverordnung“ festgelegt [1].

Die Apothekerkammern Nordrhein und Westfalen-Lippe werden Partner von CIRS-NRW

CIRS-NRW steht für „Critical-Incident-Reporting-System Nordrhein-Westfalen“. Es handelt sich um ein internetgestütztes Berichts- und Lernsystem zur anonymen Meldung von kritischen Ereignissen in der Patientenversorgung. CIRS-NRW soll dazu beitragen, dass über kritische Ereignisse offen gesprochen und aus ihnen gelernt wird. Somit sollen Wege zur Vermeidung von ­Risiken diskutiert und Lösungsstrategien erarbeitet werden.

Die Apothekerkammern Nordrhein und Westfalen-Lippe, die bisher das Berichts- und Lernsystem CIRS-Pharmazie NRW geführt haben, sind dem Netzwerk CIRS-NRW im September 2019 vollumfänglich beigetreten. Die Professionen Arzt und Apotheker treffen insbesondere im Bereich des Medikationsprozesses aufeinander. Die beidseitige Sensibilisierung für Medikationsfehler sowie die gegenseitige Kenntnis der organisatorischen Strukturen in Arztpraxis und Apotheke tragen zur Erhöhung der Arzneimitteltherapiesicherheit bei.

Das sektorenübergreifende Berichts- und Lernsystem CIRS-NRW ist in Deutschland einzigartig, da es sich multiprofessionell an alle im Gesundheitswesen Tätigen richtet.

Kritische Ereignisse aus der Apotheke können übergangsweise weiterhin unter www.cirs-pharmazie.de gelesen und zukünftig unter www.cirsmedical.de/nrw berichtet werden.

Patienten können sich Informationen zur Dosierung und Anwendung von Arzneimitteln allerdings häufig nicht merken. 40 bis 80% der vom Arzt übermittelten Informationen werden vom Patienten sofort wieder vergessen und an fast 50% eines Arztgesprächs erinnert er sich inkorrekt [2]. Vor diesem Hintergrund erscheint die verpflichtende Angabe der Dosierung auf dem Rezept mehr als sinnvoll. Bislang war der Arzt nur bei der Verordnung von Betäubungsmitteln und Rezepturarzneimitteln gefordert, eine Dosierungs­anweisung bzw. Gebrauchsanweisung anzugeben. Nun soll dies auch für Humanarzneimittel gelten. Liegt ein Medikationsplan vor, entfällt die Dosisangabe auf dem Rezept. Alternativ kann der Arzt dem Patienten auch eine anderweitige schriftliche Dosierungsanweisung aushändigen. Beides muss der Arzt auf dem Rezept kenntlich machen. Ebenso besteht eine Ausnahme für den Fall, dass das Arzneimittel an die verschreibende Person abgegeben wird (siehe Kasten „Gesetzliche Vorgaben“) [3].

„Gesetzliche Vorgaben“

Verordnungsentwurf einer 18. Verordnung zur Änderung der Arzneimittelverschreibungsverordnung (AMVV) [3]

§ 2 Absatz 1 Nr. 4a*

Die Verschreibung muss enthalten: „bei einem Arzneimittel, das in der Apotheke hergestellt werden soll, die Zusammensetzung nach Art und Menge oder die Bezeichnung des Fertigarzneimittels, von dem eine Teilmenge abgegeben werden soll, sowie eine Gebrauchsanweisung; einer Gebrauchsanweisung bedarf es nicht, wenn das Arzneimittel unmittelbar an die verschreibende Person abgegeben wird;“

§ 2 Absatz 1 Nr. 7*

Die Verschreibung muss enthalten: „die Dosierung; dies gilt nicht, wenn dem Patienten ein Medikationsplan, der das verschriebene Arzneimittel umfasst, oder eine entsprechende schriftliche Dosierungsanweisung einer verschreibenden Person vorliegt und wenn die verschreibende Person dies in der Verschreibung kenntlich gemacht hat oder wenn das verschriebene Arzneimittel unmittelbar an die verschreibende Person abgegeben wird“.

* In Absatz 1 wurden die Nummern 4a und 7 der bisherigen Fassung unter 4a zusammengefasst. Dadurch wurde Nummer 7 frei und wie oben beschrieben geändert bzw. neu aufgesetzt.

Gut gemeint …

Die Dosierungsanweisung auf dem Rezept stellt einen zusätzlichen Parameter dar, der die Plausibilitätsprüfung gemäß dem Vier-Augen-Prinzip in der Apotheke unterstützt. Apotheker hatten diese Angabe schon lange gefordert. Dosierungsfehler sollen hierdurch verringert werden. Außerdem soll die Patientenadhärenz durch eine verbesserte Verständlichkeit der Dosierungsinformation gefördert werden. Aus Sicht der Bundesärztekammer (BÄK) und der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) ist es hierzu zweckmäßig, wenn bei der Abgabe des Arzneimittels in der Apotheke – sofern dem Patienten keine schriftliche Anweisung vorliegt – eine Übertragung der Dosierung auf die äußere Umhüllung des abzugebenden Arzneimittels erfolgt und zusätzlich bei Bedarf diese in einen patientenverständlichen Einnahmehinweis umgerechnet wird (z. B. bei flüssigen Darreichungsformen: konzentrationsabhängige Umrechnung der Dosierung von mg in Anzahl der Tropfen oder in ml Saft) [4]. Insgesamt soll hierdurch die Patientensicherheit erhöht werden.

… ist nicht immer gut gemacht

Klare Vorgaben zur Angabe der Dosierung auf dem Rezept gibt es bislang allerdings nicht. Wie wichtig jedoch die Angabe präziser Informationen zur Dosierung auf dem Rezept ist, zeigt der CIRS-Fall „Uneindeutige Dosierungsangabe“ (siehe Kasten). Die Angabe „2,5 tgl. früh“ ist nicht eindeutig. Es können sowohl 2,5 mg als auch 2,5 Tabletten gemeint sein. Vom Apotheker wurde die „angenommene“ ­Dosierung von 2,5 Tabletten bereits auf die Packung übertragen. Der bei Abholung von der Patientin mitgebrachte Medikationsplan zeigte jedoch, dass vom Arzt die Dosierung „2,5 Milligramm“ gemeint war. Der Fehler konnte noch vor Abgabe des Arzneimittels korrigiert werden.

Der Apotheker sollte Dosierungsangaben nicht „annehmen“ und auch keine „geglaubten“ Dosierungen auf die Arzneimittelpackung übertragen. Er ist gefordert, die vom Arzt vorgesehene Dosierung auf Plausibilität zu überprüfen. Hierzu können Informationen aus der ABDA-Datenbank, Fachinformationen und Dosistabellen ebenso wie Informationen aus der Kundendatei herangezogen werden. Bestehen dann noch Unklarheiten oder weist die Verordnung einen erkennbaren Irrtum auf, ist Rücksprache mit dem Arzt zu halten.

CIRS-Fall: „Uneindeutige Dosierungsangabe“

Was ist passiert?
Die Patientin hat ein Rezept u. a. über Prednisolon 5 mg mit einer Dosierungsangabe von „2,5 tgl. früh“ in der Apotheke eingereicht.

Was war das Ergebnis?
Die Dosierung wurde von der Apothekerin verstanden als „täglich 2,5 Tabletten“.
Bei der Abholung brachte die Patientin ihren Medikationsplan (BMP) mit. Darauf war handschriftlich im unteren Teil vermerkt: „Prednisolon tgl. 2,5 mg“

Die Dosierungsangabe auf der Packung wurde korrigiert.

Das pharmazeutische Personal kann mit seiner Kompetenz als Arzneimittelexperte jedoch noch viel mehr leisten. Wie bereits erwähnt, stellt die Übertragung der Dosierung auf die äußere Umhüllung des Arzneimittels oder die Dokumentation im Medikationsplan (sofern konsequent mitgeführt) sicher, dass der Patient die Anweisung zum Zeitpunkt der Einnahme auch tatsächlich zur Hand hat. Die Umrechnung in einen ­patientenverständlichen Einnahmehinweis sowie die Erläuterung oder Demonstration der Dosierung bzw. Anwendung (z. B. Teilung einer Tablette mittels Tablettenteiler) tragen zusätzlich dazu bei, dass Patienten die Dosierung und Anwendung verstehen, sich einprägen und entsprechend umsetzen können. Hinsichtlich des Medikationsplans der Patientin ist noch anzumerken, dass die Dosierungs­anweisung nicht handschriftlich im Freitext eingetragen werden sollte. Der aktualisierte Medikationsplan (bundeseinheitlicher Medikationsplan, BMP) ist im beschriebenen Fall idealerweise wie folgt für Prednisolon anzulegen:

  • Wirkstoffname: Prednisolon
  • Arzneimittel: gegebenenfalls Angabe des Fertigarznei­mittelnamens
  • Wirkstärke: 5 mg
  • Darreichungsform: Tabl
  • Dosierschema: morgens ½
  • Dosiereinheit: Stück
  • Hinweise: Einnahme frühmorgens zwischen 6.00 – 8.00 Uhr
  • Grund: entsprechende Indikation

Diese Angaben lassen keine Zweifel zu.

Wie geht es richtig?

Wie der Arzt eine eindeutige Dosierungsanweisung formulieren sollte, ist im Entwurf der Handlungsempfehlung zur „Guten Verordnungspraxis in der Arzneimitteltherapie“ des Aktionsbündnis Patientensicherheit (APS) beschrieben [5]. Dieser befindet sich derzeit noch in der Abstimmung. Wesentliche Auszüge werden nachfolgend kurz skizziert.

Einzeldosis

  • Die Einzeldosis mit einer Maßeinheit (z. B. mg, ml, mg/ml, bevorzugt in mg) oder als Stückzahl der Applikations­einheit (z. B. Tablette, Tropfen, Messlöffel) angeben. Hierbei stets den Bezug zur Applikationseinheit herstellen.
  • Die Einzeldosis ganzzahlig angeben.
  • Die Angabe mit Komma, dem eine Null vorangeht, ver­meiden (z. B. 500 mg statt 0,5 g).
  • Einheiten ausschreiben (z. B. Mikrogramm statt µg), sofern keine klare Vereinbarung für eine Abkürzung besteht (z. B. innerhalb einer Institution).
  • Bei der Angabe von „halben Stückzahlen“ prüfen, ob die Teilbarkeit gegeben ist.

Bei flüssigen Arzneimitteln, wie Säften und Tropfen, ist die Angabe in „Milligramm“ eindeutiger als die Angabe in „Milliliter“, da die Arzneimittel gegebenenfalls in unterschiedlichen Konzentrationen verfügbar sind. Wird z. B. im Falle eines Austauschs nach Rabattvertrag die Dosisangabe in Tropfen oder Milliliter unverändert auf das (rabattbegünstigte) Arzneimittel mit abweichender Konzentration übertragen, kann es zu Über- bzw. Unterdosierungen kommen.

Dosisfrequenz/Einnahmehäufigkeit

Die Dosisfrequenz sollte im „Viererschema“ (z. B. 1-1-1-1) abbildet werden. Diese Form der Darstellung ist so auch im bundeseinheitlichen Medikationsplan umgesetzt. Zudem bietet sie mehr Informationen dazu, wie die Einzeldosen über den Tag zu verteilen sind als die Angabe „4 × tgl.“. Zur Interpretation ist die Beschreibung der Einzeldosis mit Dosis­einheit erforderlich.

Abweichende/separate Dokumentation

Ausführlichere Informationen sollten auf dem Medikationsplan (falls vorhanden) oder einem separaten Dokument vermerkt werden. Stellenweise ist es erforderlich, exakte Einnahmezeiten (z. B. bei Antibiotika) oder komplexere Dosierschemata (z. B. bei Insulinen) zu dokumentieren. Auch im Falle einer Bedarfsmedikation sind gegebenenfalls ausführlichere Informationen wie z. B. die Angabe von Anwendungsdauer oder definierten Einnahmeintervallen erforderlich. Das Rezept­formular bietet hierfür nicht immer den notwendigen Platz.

Tab.: „Eindeutig uneindeutig“
verordnetes Arzneimittel
Dosierungs­anweisung
Fallbericht zum Nachlesen
Amoxicillin 250 mg/5 ml TS
„2 ML“
Unterdosierung Antibiotikum bei einem Kind
Fentanyl Matrixpflaster 25 µg/h
„1,5 Pflaster alle 3 Tage“
Teilung von Fentanylpflaster
Folsäure 5 mg Tbl
1 × am Tag nach Methotrexat (MTX)
Folsäure bei MTX-Therapie: Miss­verständliche Dosierungsangabe
Cefaclor Trockensaft
3 × 1
Was heißt Cefaclor Trockensaft 3 × 1?

Fallberichte lesen – aus Fehlern lernen

Weitere Beispiele zu Dosierungsfehlern aus CIRS-NRW sind in der Tabelle „Eindeutig uneindeutig“ aufgeführt. Wie würden Sie die angegebene Dosierungsanweisung verstehen bzw. umsetzen? Hätten Sie Zweifel oder Bedenken? Wäre Ihrer Ansicht nach eine Rücksprache mit dem Arzt erforderlich? Wenn Sie mehr zu den Fällen erfahren möchten, lesen Sie unter dem angegebenen Titel im Berichts- und Lernsystem CIRS-NRW (momentan noch unter www.cirs-pharmazie.de) weiter. |

 

Literatur

[1] Kommentar zur Leitlinie der Bundesapothekerkammer „Information und Beratung des Patienten bei der Abgabe von Arzneimitteln – Erst- und Wiederholungsverordnung“, www.abda.de/fileadmin/assets/Praktische_Hilfen/Leitlinien/Rezeptbelieferung/LL_Info_Beratung_Rezept_Kommentar.pdf, Abruf am 5. Juli 2019

[2] Kessels, Roy P C. Patients‘ memory for medical information. J R Soc Med 2003;96(5):219-222

[3] Verordnungsentwurf des Bundesministeriums für Gesundheit und des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft. Achtzehnte Verordnung zur Änderung der Arzneimittelverschreibungsverordnung, Stand: 31. Juli 2019

[4] Gemeinsame Stellungnahme der Bundesärztekammer und der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft zum Entwurf einer Achtzehnten Verordnung zur Änderung der Arzneimittelverschreibungsverordnung, www.akdae.de/Stellungnahmen/BMG/20190628.pdf, Abruf am 31. Juli 2019

[5] Arbeitsgruppe Arzneimitteltherapiesicherheit des Aktionsbündnisses Patientensicherheit e.V. Handlungsempfehlung zur „Guten Verordnungspraxis in der Arzneimitteltherapie“, www.aps-ev.de/wp-content/uploads/2019/06/06-19_HE-GuteVO.pdf, Abruf am 19. Juli 2019

Autorin

Carina John, PharmD, Studium der Pharmazie an der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf und zum Doctor of Pharmacy an der University of Florida, USA. Leitung der Abteilung AMTS/ATHINA der Apothekerkammer Nordrhein, Referentin im Bereich Fort- und Weiterbildung, Autorin für die Deutsche Apotheker Zeitung und den Deutschen Apotheker Verlag, Wissenschaftliche Mitarbeiterin der WestGem-­Studie

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