Deutscher Apothekertag 2019

Einigkeit über das Ziel – Streit um den Weg

Gesetzesflut, Ringen um Gleichpreisigkeit und die Digitalisierung fordern ABDA heraus

tmb | ABDA-Hauptgeschäftsführer Dr. Sebastian Schmitz blickte in seinem Geschäftsbericht auf die Arbeit der ABDA seit dem vorigen Apothekertag zurück. Dabei betonte er das Ziel der Gleichpreisigkeit und verwies auf die unterschiedlichen Auffassungen über den Weg dorthin. Diese unterschiedlichen Sichtweisen prägten auch die anschließende Aussprache zum Lagebericht und zum Geschäftsbericht. Damit begann das Ringen der Delegierten um eine angemessene Reaktion auf die jüngsten Empfehlungen des Bundesrates und um die Position gegenüber Bundesgesundheitsminister Spahn, das sich durch den ganzen Apothekertag zog.

In seinem Geschäftsbericht erklärte Schmitz, in den Monaten vor dem Apothekertag sei es bei der ABDA um mehr als die übliche berufspolitische Arbeit gegangen. „Es ging um die Frage, ob es unter den heutigen gesellschaftlichen und ordnungspolitischen Rahmenbedingungen, die national und in Europa gelten, noch gelingen kann, die zentralen Steuerungselemente der Arzneimittelversorgung zu verteidigen“, sagte Schmitz und betonte dabei die Gleichpreisigkeit als prägendes Element des Systems.

Foto: DAZ/Alex Schelbert

ABDA-Hauptgeschäftsführer Dr. Sebastian Schmitz.

Arbeiten mit der Gesetzesflut

Zudem habe der Bundesgesundheitsminister die Apotheker „mit einer wahren Flut von Gesetzen konfrontiert“. Die hohe Taktzahl der Gesetze und die kurzen Stellungnahmefristen hätten die Zeit für das Schmieden von Allianzen verkürzt. Außerdem würden die Meinungen der Interessengruppen häufiger als früher auseinanderfallen. Solidarität entstehe von Fall zu Fall. Bemerkenswerte Einmütigkeit habe es allerdings bei der Abschaffung der Importförderklausel gegeben, die dann doch gestrichen wurde, erklärte Schmitz und verband dies mit einem Hinweis auf den möglichen Einfluss von Regierungsmitgliedern aus dem Saarland.

Die Gesetzesflut und der damit verbundene neue Politikstil stelle die ABDA vor zwei besondere Aufgaben. „Erstens: Es wird immer wichtiger, eigene Vorschläge zu haben und eigene Aktivitäten zu zeigen“, erklärte Schmitz. Zweitens müssten die Apotheker angesichts der schnellen Themenwechsel immer wieder ihre Kernpositionen verdeutlichen. Beispielsweise sollten digitale Strukturen nicht als Wert an sich, sondern als Instrumente für eine bessere Patientenversorgung gesehen werden. Auch beim PTA-Reformgesetz bestehe die Gefahr, das „große Ganze“ aus dem Auge zu verlieren, mahnte Schmitz. Denn es könne nicht davon ausgegangen werden, dass praktikable Kriterien definiert werden könnten, mit denen die PTA in jedem Einzelfall die Grenzen ihrer eigenverantwortlichen Tätigkeit erkennen könnten.

Gleichpreisigkeit im Mittelpunkt

Trotz der Gesetzesflut betonte Schmitz, dass die Wiederherstellung der Gleichpreisigkeit für Rx-Arzneimittel auch beim Bezug aus dem Ausland für die ABDA die höchste Priorität habe. Von außen werde dies häufig als Kampf gegen den Versandhandel missverstanden. Das wesentliche Problem für die innerverbandliche Meinungsbildung sei dagegen, dass diese von Prognosen abhänge. Diese beträfen die Marktanteile der Versender, die künftige Rechtsprechung des EuGH und die Regierungsmehrheiten in Deutschland.

Hin- und hergerissen zwischen Varianten

Die Gremien der ABDA und „wahrscheinlich auch jeder Einzelne“ seien „hin- und hergerissen zwischen dem Wunsch auf der einen Seite, das klare und wirkungsvolle, aber in der politischen Realisierbarkeit sehr ungewisse Verbot des Rx-Versandhandels zu fordern, und der Chance auf der anderen Seite, ein Maßnahmenpaket zu erhalten, das zwar reduzierte Wirkung hat, aber politisch durchgesetzt und zu Ende gebracht werden kann“, konstatierte Schmitz und folgerte, dies könne zum Spaltpilz werden. Doch die ABDA sei dem immer wieder entgegengetreten und geschlossen aufgetreten. Damit nahm Schmitz die Diskussionen auf dem Apothekertag in den nachfolgenden Stunden und Tagen vorweg, sowohl hinsichtlich der Inhalte als auch mit Blick auf das Ringen um eine einheitliche Position.

Schmitz stellte neben dem Rx-Versandverbot zwei Lösungsansätze gegenüber: Die Bundesregierung wolle dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) entgegenkommen und nur für die GKV auf der Gleichpreisigkeit beharren. Die ABDA baue dagegen auf lückenlose Gleichpreisigkeit und müsse dafür in Kauf nehmen, dass der EuGH seine Entscheidung von 2016 komplett revidieren müsste. Für keinen Fall gebe es Erfolgsgarantien, aber nach Einschätzung von Schmitz sei es die schlechteste Variante, alles laufen zu lassen und auf neue Initiativen von neuen Regierungskoalitionen zu hoffen. Im Gegenteil, es müsse jetzt schnell gehen, um nicht in einen möglichen Streit über die Zukunft der Großen Koalition zu geraten, mahnte Schmitz.

Noch mehr Arbeit der ABDA

Als weitere Aspekte der Verbandsarbeit berichtete Schmitz über die Pharm-CHF-Studie, den Securpharm-Start und das ABDA-Datenpanel. Die Publikation der Studie sei zur rechten Zeit gekommen, um die Gesetzgebung zu pharmazeutischen Dienstleistungen zu flankieren. Hinsichtlich Securpharm betonte Schmitz das Engagement aller Beteiligten, Fehler in ihrem Bereich zu erkennen und abzustellen. Die erste Runde des Datenpanels sei erfolgreich umgesetzt worden, erklärte Schmitz, nannte aber keine Ergebnisse. Die zweite Runde laufe bis zum 15. November 2019. Dafür bat Schmitz, in den Mitgliederorganisationen um die Teilnahme zu werben.

Die Entwicklung bei der Digitalisierung beschrieb Schmitz als groß angelegten Suchprozess mit Massen von Projekten. Doch solche Risikoinvestitionen seien nicht Aufgabe eines Verbandes. Daher gestalte die ABDA das digitale Umfeld durch ihre Arbeit in der Gematik mit. Für die pharmazeutischen Dienstleistungen betonte Schmitz die Honorierung als wesentliche Voraussetzung. Die im Entwurf des Gesetzes zur Stärkung der Vor-Ort-Apotheken (VOASG) geplanten Regelungen müssten daher als wichtiger Durchbruch bewertet werden. Denn erstmals sollten Versicherte unabhängig von der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Krankenkasse einen Anspruch auf bestimmte Leistungen erhalten und erstmals solle es ein Finanzvolumen dafür geben, das die Krankenkassen von der Entscheidung enthebe, ob sie Geld für diese Leistungen ausgeben wollen. Schließlich berichtete Schmitz über den pünktlichen Einzug der ABDA in das neue Deutsche Apothekerhaus im Juni 2019.

Foto: DAZ/Alex Schelbert

Mögliche Reaktionen auf Bundesratsempfehlung

Die Diskussion nach dem Geschäftsbericht bietet stets die Möglichkeit zur grundsätzlichen Aussprache. Das zentrale Thema dabei war die angemessene Reaktion auf die jüngste Empfehlung des Bundesrates für das Rx-Versandverbot. Dem stand die Positionierung der ABDA-Spitze gegenüber, die das Rx-Versandverbot mittlerweile als unrealistisch eingestuft hat und die vorrangig das VOASG voranbringen möchte. Diese Forderungen der ABDA reichten vielen Delegierten offensichtlich nicht aus.

Zunächst blickte Gabriele Overwiening, Präsidentin der Apothekerkammer Westfalen-Lippe, auf das EuGH-Urteil von 2016 zurück. Sie beklagte, dass die Förderung des Binnenmarktes von vielen Politikern so betont werde, als sei dies entscheidend dafür, ein Europäer zu sein. Es gehe bei dem Urteil auch keineswegs um viele Apotheken in den Niederlanden oder Tschechien, sondern nur um einzelne Versender. Zudem forderte sie, gleichzeitig für das Rx-Versandverbot und das VOASG einzutreten, anstatt ein Entweder-Oder zwischen beiden zu konstruieren. Der Delegierte Andreas Flöter kritisierte die Position der ABDA-Spitze, das Rx-Versandverbot sei sowieso nicht zu erreichen, als zu pessimistisch. ABDA-Präsident Schmidt bestätigte, dies sei pessimistisch, aber auch realistisch. Die Kombination von Rx-Versandverbot und VOASG nannte Schmidt „wunderbar, aber komplett unrealistisch“. Schmidt verwies zudem auf die Beschlusslage der ABDA, die uneingeschränkte Gleichpreisigkeit einzufordern. Ursula Funke, Präsidentin der Landesapothekerkammer Hessen, erklärte, die Situation nach der Empfehlung des Bundesrates für das Rx-Versandverbot sei „wie der Ball vor dem leeren Tor“. Schmidt konterte, dass nicht er der Spieler sei, der den Ball treten müsse, sondern Minister Spahn.

Glaubwürdigkeit gegenüber Landespolitikern

Ein weiteres zentrales Argument in der Diskussion war die Überlegung, welches Signal die Apotheker setzen würden, wenn sie nach der Bundesratsempfehlung nichts täten. Es wurde argumentiert, dies wäre „höchst peinlich“ gegenüber den Landespolitikern, die für das Rx-Versandverbot gekämpft hätten. Diesen Politikern sei nicht zu vermitteln, dass die Apotheker zunächst das Rx-Versandverbot wollten und dann doch nicht. Hinzu kam die Warnung, dass das ganze System zerbrechen würde, wenn die Preisbindung nicht für Selbstzahler gelte. Kritisiert wurde auch die „Hilflosigkeit auf dem Podium“ gegenüber der Politik. Die Erwartung, dass die Politik sich letztlich durchsetzen werde, könne kein Argument gegen die berufspolitische Arbeit sein.

Einheitliche Position gesucht

BAK-Präsident Dr. Andreas Kiefer mahnte hingegen, auch die weiteren Inhalte des VOASG zu sehen, die für die Apotheken wichtig seien. Nach Einschätzung von Dr. Kerstin Kemmritz, Präsidentin der Berliner Apothekerkammer, sei durch die Entwicklungen auf der Länderebene bereits ein politischer Prozess in Gang gekommen. Für die Apotheker sei es nun entscheidend, Einigkeit zu zeigen. Die Diskussion endete jedoch ohne erkennbaren Kompromiss. Die Fortsetzung folgte bei der Antragsdebatte am nächsten Tag (siehe Seite 75). |

 

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