Deutscher Apothekertag 2019

Angenommen, übergangen, abgelehnt oder im Ausschuss

Zwei Tage voller Anträge und Debatten

tmb/eda | Die Antragsdebatte beim Deutschen Apothekertag berührte viele für die Apotheker drängende Themen. Es ging um Lieferengpässe, die neuen pharmazeutischen Dienstleistungen, das E-Rezept und weitere Aspekte der Digitalisierung sowie um viele Einzelaspekte der Berufspolitik und des Apothekenalltags. Manches Mal wurde deutlich, wie viele Facetten auch die schon länger diskutierten Themen haben.

Wir berichten hier über die Antragsdebatte gemäß der Gliederung des Antragshefts. Nur die Debatte über den Leitantrag zu den ordnungspolitischen Rahmenbedingungen haben wir in einem eigenen Bericht zusammengefasst (siehe Seite 66). Im nächsten Antrag des Kapitels „Sicherstellung der Versorgung“ fordern die Delegierten den Gesetzgeber auf, das Auskunftsersuchen des OLG München zur Preisbindung vom Februar 2018 umfassend zu beantworten. Außerdem fordern sie einstimmig, das Zuweisungsverbot gemäß § 11 Apothekengesetz auf ausländische Apotheken auszudehnen, was allerdings in der laufenden Gesetzgebung bereits vorgesehen ist.

Maßnahmen gegen Lieferengpässe

Zum drängenden Thema Lieferengpässe verabschiedete die Hauptversammlung einen Leitantrag. Darin fordert sie geeignete Maßnahmen des Gesetzgebers gegen Lieferengpässe. Außerdem sollten die Beteiligten eine gemeinsame Strategie entwickeln. Die Delegierten diskutierten über mögliche Maßnahmen. Dabei verwies der DAV-Vorsitzende Fritz Becker auf die Eröffnung der Expopharm am Vortag. Dort hatte sich bereits abgezeichnet, dass die Marktbetei­ligten auf eine zwingende Dreifachvergabe bei Rabattverträgen setzen und darin gute Erfolgschancen sehen. Außerdem könnten Rabattverträge so vergeben werden, dass dabei zwei Wirkstoffhersteller zum Einsatz kommen. Noch besser sei es, wenn einzelne Produktionen mittelfristig nach Europa zurückgeholt werden könnten, ergänzte Becker. Über Strafen gegen die Hersteller bei Nichtlieferfähigkeit wurde kontrovers diskutiert. Einerseits würde niemand leichtfertig für einen Rabattvertrag bieten, andererseits seien manche Produkte von Anfang an nicht lieferbar. Im Zusammenhang mit den Lieferengpässen wurde der zusätzliche Effekt durch den neuen Rahmenvertrag beklagt, aber Becker betonte, die Ursache des Problems liege in den Defekten, nicht im Vertrag.

Außerdem wurde ein Antrag einstimmig angenommen, der die Bundesregierung auffordert, speziell für lebensnotwendige Arzneimittel eine Analyse zu Lieferengpässen vorzunehmen und daraufhin Gegenmaßnahmen zu erarbeiten. Den Anlass dazu bildete der Lieferengpass bei Oxytocin. Ein weiterer einstimmig angenommener Antrag zielt darauf, wieder Produktionsstätten für Arzneistoffe in Europa zu errichten. Becker regte an, die Bundesregierung könnte das Thema im Rahmen ihrer EU-Ratspräsidentschaft im nächsten Jahr einbringen. Außerdem wären Rabattverträge mit diesbezüglichen Bedingungen möglich, wenn man dies wolle. Die Hauptversammlung nahm auch den Antrag an, die Bundesregierung solle ein Exportverbot für dringend benötigte Arzneimittel prüfen. Die Sächsische Landesapothekerkammer als Antragstellerin verwies dazu auf solche Regelungen in Belgien und Ungarn, die von der EU als rechtmäßig eingestuft worden seien. Becker ergänzte, es gebe Exportbeschränkungen in weiteren neun EU-Staaten. Allerdings wurde kritisch angemerkt, dass Deutschland dann nicht mit Importen die Märkte anderer Länder leer­kaufen sollte.

Außerdem wurde der Leitantrag angenommen, der sich für eine zentrale Datenbank über Lieferengpässe mit Begründung und voraussichtlicher Dauer einsetzt. In einem weiteren Antrag werden Sanktionen bei Verstößen der Hersteller gegen ihre Pflicht zur angemessenen Bereitstellung von Arzneimitteln gefordert. Dagegen wurde argumentiert, Strafen könnten die Unternehmen vom deutschen Markt vertreiben. ABDA-Präsident Friedemann Schmidt konterte, die Arzneimittelproduktion könne nicht nach Maßstäben des freien Wettbewerbs bei Konsumgütern bewertet werden. Bei Arzneimitteln sei ein regulatorischer Rahmen geboten, sofern er wirtschaftlich erträglich sei.

Zytostatika und Spezialrezepturen

Über den Antrag zur Einführung des Regionalprinzips in der Zytostatikaversorgung wurde lange diskutiert. Die Delegierten waren sich einig im Ziel, die Fernversorgung mit Zytostatikazubereitungen zu unterbinden. Doch es gab mehrere Änderungsvorschläge für eine geeignete Formulierung der Lieferfrist. Letztlich wurde die ursprüngliche Fassung angenommen, nach der eine Lieferung innerhalb von 90 Minuten nach der Beauftragung durch den Arzt möglich sein muss. Auch zum Antrag über die Versorgung mit Spezialrezepturen wurden Änderungen diskutiert und abgelehnt. Auch hier wurde der ursprüngliche Antrag angenommen. Demnach sollen auch solche Parenteralia-Rezepturen, die keine Zytostatika sind, an andere Apotheken abgegeben werden können. Die Befürworter verwiesen auf große Probleme bei der Palliativversorgung und mahnten, keine neue Trennung zwischen öffentlichen Apotheken und Krankenhausapotheken zu schaffen. Gegner des Antrags warnten, dass öffentliche Apotheken als Abrechnungseinheiten missbraucht werden könnten und die Herstellung zu Lohnherstellern ausgelagert würde. ABDA-Geschäftsführerin Dr. Christiane Eckert-Lill erinnerte daran, dass der Bundesrat die Forderung in seinen jüngsten Empfehlungen aufgegriffen habe.

Grippeimpfstoffe und Bürokratieabbau

Die weiteren Anträge im Kapitel „Sicherstellung der Versorgung“ wurden ohne größere Diskussionen angenommen. Demnach soll die Grippeimpfstoffversorgung der Saison 2020/21 evaluiert werden, und die Apotheken sollen eine auskömmliche Vergütung für die Impfstoffe erhalten. Der Antrag wendet sich auch gegen die Deckelung der Honorierung. Zur Sicherung der Hilfsmittelversorgung sollen die Apotheken für bestimmte Hilfsmittel automatisch als präqualifiziert gelten. Ein weiterer Antrag setzt sich grundsätzlich für Entbürokratisierung ein.

Vorbereitung auf Dienstleistungen

Im Kapitel „Pharmazeutische Kompetenz“ ging es zunächst um die geplanten pharmazeutischen Dienstleistungen. Der Leitantrag, der die Einführung dieser Dienstleistungen im VOASG begrüßt, wurde nach Klärung eines formalen Aspekts ohne Diskussion mit einer Gegenstimme angenommen. Doch andere Anträge zeigten, dass dazu noch viel zu klären ist. Gemäß einem Antrag der Landesapothekerkammer Thüringen sollten hochspezialisierte vergütete Dienstleistungen für Apotheken definiert werden. Kammerpräsident Ronald Schreiber erläuterte, die Apotheken bräuchten einen Katalog mit Dienstleistungen auf unterschiedlichem Niveau ohne Kontrahierungszwang. Dazu sollten auch einige hochspezialisierte Leistungen gehören, um beispielsweise die Versorgung mit parenteraler Fertignahrung wieder in die Apotheken zurückzuholen. In Verbindung mit den Dienstleistungen könne dies wieder wirtschaftlich werden. Dagegen wurde argumentiert, zunächst sollten möglichst solche Leistungen eingeführt werden, die in sehr vielen Apotheken angeboten werden können. Daraufhin wurde der Antrag in einen Ausschuss verwiesen.

Der Apothekerverband Schleswig-Holstein regte in einem Antrag an, der Deutsche Apothekerverband (DAV) solle die Mittel des Dienstleistungsfonds teilweise verwenden dürfen, um die digitale Infrastruktur zu errichten, die für die Dienstleistungen erforderlich ist. Der Verbandsvorsitzende Dr. Peter Froese forderte, vorausschauend eine Infrastruktur zu schaffen, die die nötigen Daten liefert und bürokratiearme Abrechnungen ermöglicht. Becker mahnte, es sei nicht genug Geld für alle Vorschläge vorhanden, räumte aber ein, dass die Verteilung des Geldes den Apothekern übertragen werden sollte. Dies sei letztlich wichtig, damit erbrachte Leistungen auch bezahlt würden. ABDA-Geschäftsführer Prof. Dr. Martin Schulz regte daraufhin an, wie in anderen Bereichen zusätzlich eine Investitionszulage für die Abrechnungsinfrastruktur zu fordern. Der Antrag wurde dementsprechend geändert und dann ohne Gegenstimme angenommen.

Foto: DAZ/Alex Schelbert

Prof. Dr. Martin Schulz, ABDA-Geschäftsführer Arzneimittel

Umgang mit Daten

Gemäß einem weiteren Antrag soll eindeutig geregelt werden, welche Daten für heilberufliche Leistungen erhoben und verarbeitet werden dürfen. Dies sei nötig, „damit wir auch dürfen, was wir wollen“, erklärte Froese. Der Apothekerverband Schleswig-Holstein hatte außerdem einen Antrag zur Zusammenführung von Medikationsdaten aus Apotheken gestellt, aber Froese beantragte als Antragsteller selbst, den Antrag in einen Ausschuss zu verweisen, weil die Diskussion zu diesem Thema seit der Einreichung des Antrags konstruktiv weitergegangen sei.

Apotheker auf Station

In einem Leitantrag wird gefordert, Krankenhäuser gesetzlich zu verpflichten, in ausreichender Zahl Apotheker auf Station einzusetzen. Delegierte verwiesen dazu auf einen großen Wandel im Krankenhaus. Auch dort seien Apotheker unverzichtbar. Als Gegenargument wurde der Personalmangel angeführt. Bundesweit würden voraussichtlich etwa 1500 Stationsapotheker benötigt. Doch dies wurde eher als Anlass für weitere Bemühungen um mehr Nachwuchs betrachtet.

Daraufhin wurde später ein Adhoc-Antrag zur Nachwuchsförderung und -gewinnung diskutiert. Darin wurde eine Arbeitsgruppe angeregt, die geeignete Maßnahmen erarbeitet und den Mitgliedsorganisationen präsentiert. Kritiker entgegneten, dass dies innerhalb der ABDA bereits geschehe. Die Apotheken müssten durch eine bessere Bezahlung attraktiver werden. Schmidt erklärte, eine Arbeitsgruppe müsste sich auf die Koordinierung der Maßnahmen und Initiativen zur Erhöhung der Studienplatzzahl in den Ländern beschränken, weil die vielen anderen Aspekte des Antrags schon an anderen Stellen wahrgenommen würden. Letztlich wurde der Antrag in einen Ausschuss verwiesen.

Änderung der Approbationsordnung

Gemäß einem Antrag von Prof. Dr. Frank Dörje und Kollegen sollte das Bundesgesundheitsministerium aufgefordert werden, eine Arbeitsgruppe einzurichten, die eine Änderung der Approbationsordnung vorbereitet. Dörje argumentierte, die Ausbildung spiegele den Bedarf nicht wider. Darum solle von der Hauptversammlung ein formeller Anstoß zu einer Änderung ausgehen. BAK-Präsident Dr. Andreas Kiefer entgegnete, dass der BAK-Vorstand sich bereits für eine Novellierung ausgesprochen habe. Das Verfahren solle nach der Mitgliederversammlung im November beim BMG angestoßen werden. Zugleich warnte er, dass der Einfluss der Apotheker in einer breit zusammengesetzten Arbeitsgruppe mit vielen Fachfremden gering sei und dies die Position der Apotheker schwächen würde. Obwohl in diesem Moment eine lange Rednerliste mit Wortmeldungen bestand, wurde nach dem Beitrag von Kiefer der Geschäftsordnungsantrag gestellt, den Antrag in einen Ausschuss zu verweisen, weil das Thema bereits von der BAK bearbeitet wird. Diesem Vorschlag folgte die Hauptversammlung und verwies den Antrag in die BAK-Mitgliederversammlung. Möglicherweise wurde diese Abstimmung auch durch die Tagesordnung des Apothekertages beeinflusst. Denn der Antrag von Dörje und Kollegen wurde gerade aufgerufen, als eine Arbeitsgruppe mit dem dritten und letztlich verabschiedeten Änderungsvorschlag für den Leitantrag zur Gleichpreisigkeit wieder den Saal betrat (siehe Seite 66). Die meisten Delegierten waren wohl gespannt, wie es mit diesem zentralen Leitantrag des Apothekertages weitergehen würde.

Weitere Anträge zum Studium

Ohne Diskussion stimmte die Hauptversammlung für den Antrag, das zweite Staatsexamen nicht in eine noch weniger anwendungsorientierte Form umzuwandeln. Dabei geht es um Bestrebungen, auch im zweiten Staatsexamen das Multiple-Choice-Verfahren einzuführen. Über den Antrag, die Hochschulen sollten bei gleicher Qualifikation pharmazeutische Lehrstühle bevorzugt an Apotheker vergeben, bestand Einigkeit. Doch die Hochschulautonomie wurde dabei als Problem gesehen. Daraufhin wurde der Antrag in eine Empfehlung der Hauptversammlung an die Hochschulen umformuliert und in dieser Form angenommen.

Verbraucherschutz in der Ernährung

Die Apothekerkammer Hamburg hatte zwei Anträge zum Verbraucherschutz in der Ernährung eingebracht. Im ersten Antrag werden Sonderabgaben, Kennzeichnungen und weitere Regelungen für zuckerhaltige Produkte gefordert. Angesichts der komplexen weltweiten Diskussion dazu wurde der Antrag in einen Ausschuss verwiesen. Im zweiten Antrag werden Kennzeichnungen und Beschränkungen für den Einsatz von Isoglucose gefordert. Dieser Antrag wurde angenommen.

Vorbereitung auf das E-Rezept

Die zahlreichen Anträge zur Digitalisierung und besonders zum E-Rezept zeigten, wie viele Fragen dieses Thema aufwirft und welche großen Veränderungen damit voraussichtlich auf die Apotheken zukommen. Die ersten vier Anträge des Kapitels „Digitalisierung“ wurden ohne inhaltliche Diskussion einstimmig angenommen. Im Antrag des geschäftsführenden ABDA-Vorstandes geht es grundsätzlich darum, die Digitalisierung in den Apotheken voranzutreiben. Der Antrag der Apothekerkammer Nordrhein fordert eindeutige Rahmenbedingungen für das E-Rezept, die die Autonomie der Patienten bei der Apothekenwahl garantieren. In zwei Anträgen der Apothekerkammer Westfalen-Lippe und des Apothekerverbandes Schleswig-Holstein werden ein Makelverbot und ein Zugabeverbot für E-Rezepte gefordert. Das Makelverbot soll dabei für alle Beteiligten gelten. Froese erklärte dazu, Dritte dürften keinen Zugriff auf E-Rezepte erhalten. Es dürfe auch keine „Belohnung“ für das Senden von E-Rezepten geben, ergänzte Gabriele Overwiening, Präsidentin der Apothekerkammer Westfalen-Lippe. Auch der Antrag, der Gesetzgeber solle einen diskriminierungsfreien Zugang zu E-Rezepten schaffen, wurde einstimmig angenommen, aber dazu gab es umfassende Erläuterungen. Froese forderte, Menschen müssten ein E-Rezept einlösen können, ohne irgendwelchen AGB zustimmen zu müssen oder andere Bedingungen zu erfüllen. Dies könne nur durch technisches Handeln sichergestellt werden. Einen solchen Zugang biete die DAV-App. Diese verwalte nur den Hinweis darauf, wo sich das Original des E-Rezeptes befindet. Auf den Einwand, dies sei eine doppelte Struktur neben der ­E-Patientenakte, entgegnete ABDA-Vizepräsident Mathias Arnold, die E-Patientenakte sei freiwillig. Auch wer keine solche Akte habe und nur selten ein Rezept erhalte, müsse dies eigenverantwortlich verwalten können. ABDA-Geschäftsführerin Claudia Korf ergänzte, in die E-Patientenakte werde erst nach der Rezepteinlösung das tatsächlich abgegebene Arzneimittel eingetragen. Korf erklärte, der Antrag solle die Apotheken vor der „Plattform-Ökonomie“ schützen und den Ärzten einen einheitlichen Ablauf für alle E-Rezepte bieten. Becker verwies dazu auf bisher etwa 11.000 Anmeldungen für die DAV-App und appellierte an die übrigen Apothekeninhaber, sich anzumelden.

Auch der Antrag für abgestimmte Vorgaben für das E-Rezept wurde erläutert. Froese erinnerte daran, dass die Verträge der Krankenkassen mit Apotheken und Ärzten nebeneinander bestehen. Dass sie nicht synchronisiert seien, bilde eine wesentliche Ursache für Retaxationen und Regresse. Die Einführung des E-Rezeptes biete nun eine gute Gelegenheit für eine solche längst überfällige Synchronisation. „Es geht darum sicherzustellen, dass die Krankenkassen die ihnen eigentlich obliegende Aufgabe erfüllen“, erklärte Froese. Dafür müsse die Aufgabe zentral beim GKV-Spitzenverband angesiedelt werden. Der Antrag fordert, dort eine Stelle einzurichten, die für formal fehlerfreie Verordnungen sorgt. Nur solche Verordnungen sollten in der Telematikinfrastruktur transportiert werden dürfen. Auch dieser Antrag wurde angenommen.

Digitale Gesundheitsanwendungen

Dagegen wurde der Antrag, den Arzneimittelbegriff um digitale Arzneimittel zu erweitern, nach kontroverser Diskussion in einen Ausschuss verwiesen. Gemeint sind Apps und andere digitale Angebote, die in Verbindung mit Arzneimitteln eingesetzt werden. Diese werden bisher als Medizinprodukte klassifiziert. Die Befürworter des Antrags argumentierten, der Antrag ermögliche den Apotheken beim Vertrieb dieser Produkte dabei zu sein. Die Gegner konterten, eine Regelung des Vertriebswegs sei einfacher und zielführender. Dagegen berge eine neue Definition des Arzneimittelbegriffs neue große Risiken. Auch der folgende Antrag, digitale Gesundheitsanwendungen als apothekenübliche Waren zu klassifizieren, zielte darauf, den Apotheken den Vertrieb dieser Produkte zu ermöglichen. Froese verwies darauf, dass die Apotheken im Digitale-Versorgung-Gesetz nicht erwähnt würden. Dieser Antrag wurde angenommen. Der Antrag zur Zertifizierung digitaler Angebote wurde zurückgezogen, weil er mittlerweile von der Gesetzgebung überholt worden sei.

Honorierung speziell oder pauschal?

Das Kapitel „Rahmenbedingungen der Berufsausübung“ begann mit dem Antrag der Apothekerkammer des Saarlandes auf Erhöhung des Festzuschlags für Rx-Arzneimittel. Becker erklärte, diese Forderung werde bei politischen Gesprächen immer wieder erhoben. Er verwies auf seine diesbezügliche Aussage bei der Eröffnung der Expopharm, aber auch auf die Gegenposition der Krankenkassen. Becker fasste zusammen: „Wir haben es nicht vergessen, absolut nicht.“ In der Diskussion wurde von der ABDA mehr „Kampfgeist“ in diesem Punkt eingefordert. Andere Delegierte regten an, statt einer pauschalen Erhöhung, die auch Versendern zugutekomme, besser Zuschläge für spezielle Leistungen zu fordern, beispielsweise für die Mühen wegen des Securpharm-Systems. Dieser Hinweis reichte offenbar, um eine klare Zustimmung zum Antrag zu verhindern. Denn 175 Delegierte votierten für den Geschäftsordnungsantrag, den Antrag zu übergehen. 141 Delegierte wollten den Antrag weiter bearbeiten.

Die drei folgenden Anträge wurden ohne inhaltliche Diskussion angenommen. Die Hauptversammlung fordert, das Haftungsrisiko der Apotheken für Herstellerrabatte abzuschaffen. Außerdem sollen die Krankenkassen verpflichtet werden, den zusätzlichen Arbeitsaufwand bei Liefereng­pässen zu honorieren, und es soll eine Kostenerstattung für das Securpharm-System geben. Diese Abstimmungs­ergebnisse legen nahe, dass die Delegierten Honorare für spezielle Aufgaben für aussichtsreicher halten als ein höheres Pauschalhonorar.

Notdienstaushang und Notfalldepot

Der Antrag, die verpflichtenden Notdienstaushänge durch einen Hinweis auf eine Telefonansage und eine Internetadresse zu ersetzen, wurde mit großer Mehrheit abgelehnt. In der Diskussion wurde betont, solche Hinweise könnten zusätzlich erfolgen. Angenommen wurde der Leitantrag, die Anforderungen an Notfalldepots zu überarbeiten. Das Thema wird bereits seit Jahren verfolgt und wurde auch von der BAK bearbeitet, müsse aber angesichts zunehmender Lieferengpässe neu angegangen werden, erläuterte Kiefer. Als Optionen wurden in der Diskussion sowohl eine Überarbeitung der Liste der vorzuhaltenden Notfallarzneimittel als auch organisatorische Veränderungen angesprochen. In einem weiteren Antrag ging es um einen anderen Sonderfall der Lieferengpässe. Zentral zugelassene Arzneimittel dürfen gemäß § 73 Absatz 3 Arzneimittelgesetz nicht einzeln importiert werden, weil der Einzelimport nur für nicht zugelassene Arzneimittel zulässig ist. In der Diskussion wurde deutlich, dass die Behörden verschiedener Bundesländer damit unterschiedlich umgehen. Doch die Versorgung der Patienten dürfe nicht vom Bundesland abhängen. Daher wurde der Antrag angenommen, der Gesetzgeber solle dies rechtlich klären und den schnellen Ausgleich von Versorgungslücken ermöglichen.

Foto: DAZ/Alex Schelbert

Ursula Funke, Präsidentin der LAK Hessen

Entlassmanagement reformieren

Seit rund zwei Jahren sollen Patienten beim Übergang von der stationären Krankenhausversorgung in eine weitergehende ambulante Versorgung besser medizinisch unterstützt werden. Um Versorgungslücken durch mangelnde oder unkoordinierte Anschlussbehandlungen zu vermeiden, sind Krankenhäuser nach § 39 Absatz 1a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) verpflichtet, ein sogenanntes Entlassmanagement zu gewährleisten. Größtes Ärgernis für die Patienten im Arzneimittelbereich sind die Situationen, in denen die kleinsten Packungsgrößen nicht ausreichen, um den Bedarf bis zum nächsten Arztbesuch zur überbrücken. Die Landesapothekerkammer forderte daher in einem Antrag, dass abweichend von § 39 SGB V auch mehr als eine Packung N1 verordnet werden kann, wenn der Bedarf an Fertigarzneimitteln die Packung N1 für den definierten Versorgungszeitraum gemäß § 14 Abs. 7 Apothekengesetz übersteigen sollte. Aus der Dosierungsangabe auf dem Rezept soll dieser Bedarf ermittelbar sein. Außerdem sollen die Regelungen für alle Krankenkassen einheitlich sein. Der Antrag wurde angenommen.

Sprachbarrieren zu hoch

Wahrscheinlich führte der akute Personalmangel in den Apotheken und die größer werdende Anzahl ausländischer Fachkräfte hierzulande zu dem folgenden Antrag: Die Landesapothekerkammer Thüringen hatte vor, dass die rechtlichen Voraussetzungen geschaffen werden, dass Pharmazeuten aus Drittstaaten, die auf die Anerkennung ihrer Ausbildung und die Approbation als Apotheker in Deutschland warten, bereits in den Apotheken tätig werden dürfen – und zwar als pharmazeutisches Personal. Dr. Armin Hoffmann, Industrieapotheker und neuer Kammerpräsident aus Nordrhein, gab zu bedenken, dass die Sprachkenntnisse in dieser Anerkennungsphase bei den Bewerbern nur gering aus­geprägt seien und sie daher nur unzureichend in den Apotheken eingearbeitet werden können. Der Antrag wurde schließlich abgelehnt.

Streitthema: Barrierefreiheit

§ 4 Abs. 2a Apothekenbetriebsordnung entscheidet mittlerweile sehr häufig, ob es sich lohnt, als Kaufinteressent einen konkreten Apothekenbetrieb zu übernehmen oder nicht. Demnach muss die Offizin einen barrierefreien Zugang zu öffentlichen Verkehrsflächen haben. Dies ist auch heute noch nicht bei jeder Apotheke gegeben. Während der aktuelle Inhaber für die Dauer seiner Betriebsführung nach den verwaltungsrechtlichen Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit grundsätzlich Bestandsschutz in Anspruch nehmen kann, gilt dieser hingegen nicht automatisch für den künftigen Rechtsnachfolger. Und die Herstellung der Barrierefreiheit kann im Einzelfall nur mit unzumutbarem finanziellem Aufwand oder unmöglich realisiert werden. Das bedeutet in der Praxis, dass die Apotheke bei einer geplanten Übergabe unter Umständen keinen Interessenten findet und im Extremfall für immer schließen muss. In einem gemeinsamen Antrag wollten Landesapothekerverband und Landesapothekerkammer den Gesetzgeber auffordern, eine ausdrückliche Bestandsschutzregelung zu erlassen. Der Delegierte Christian Bauer, Pharmazierat aus der Oberpfalz, regte an, dieses komplexe Thema zunächst in einem Ausschuss zu erörtern. Dieser Vorschlag wurde vom Apothekertag mitgetragen.

Medizinprodukte-Betreiberverordnung nicht für Hilfsmittel mit niedrigem Risikopotenzial

Seit 1. Januar 2017 werden die Betreiberpflichten uneingeschränkt für alle Medizinprodukte, die von Patienten in der Häuslichkeit angewendet werden, auf die Kranken- und Pflegeversicherungen auferlegt. Diese wiederum können die Aufgaben aus den Betreiberpflichten auf Apotheken vertraglich übertragen. Die Kammer und der Verband Baden-Württemberg sehen darin eine erhebliche Ausweitung in Aufwand und Kosten auf die Apotheken zukommen. Weil ­apothekenübliche Hilfsmittel aber grundsätzlich ein eher niedriges Risikopotenzial aufweisen, soll die Medizinprodukte-Betreiberverordnung dahingehend überarbeitet werden, dass Hilfsmittel mit niedrigem Risikopotenzial nicht von diesem „unverhältnismäßigen Bürokratie- und Finanzierungsaufwand“ betroffen sind. Der Antrag wurde angenommen.

Klimaschutz auf dem DAT

Dem aktuellen gesellschaftlichen Trend entsprechend beschäftigten sich zwei Anträge beim Apothekertag mit dem Thema Klimaschutz und Nachhaltigkeit. Die Apothekerkammer Berlin will ein Aktionsbündnis „Arzneimittelversorgung sicher, gut und nachhaltig“ auf die Beine stellen. Demnach sollen die Apotheker federführend „unter Klimaschutzaspekten problematische Bereiche in der Arzneimittelversorgung detektieren und angemessene Reaktionen“ entwickeln. Dabei soll die „Nachhaltigkeit unter Erhalt einer sicheren und guten Arzneimittelversorgung“ berücksichtigt werden. In der anschließend etwas zurückhaltenden bis kritischen Antragsdebatte meldeten sich Vertreter des Bundesverbandes der Pharmaziestudierenden in Deutschland (BPhD) zu Wort. Die amtierende Präsidentin Laura Weiß berichtete von einer Klimaschutz-Demonstration, bei der sie ein Plakat erblickte, auf dem stand: „Und was tust du?“ Diese Frage wolle sie gerne den Apothekerinnen und Apothekern stellen und den Delegierten damit signalisieren, mit diesem Antrag auch an die zukünftigen Generationen zu denken. Dieser Appell führte zur Annahme des Antrages.

Die Apothekerkammer Hamburg möchte den Gesetzgeber direkt zu Maßnahmen auffordern. In der Antragsbegründung geht es vor allem darum, aufzuzeigen, weshalb der Online-Handel mit Konsumgütern eine verheerende CO2-Bilanz hat. Bezogen auf den Arzneimittelhandel fordern die Antragsteller deshalb: „Gerade die fortschreitende Digitalisierung ermöglicht es dem Patienten, hier im Sinne des Klima- und Umweltschutzes einen besseren Weg zu beschreiten und seine Arzneimittel in der Apotheke vor Ort statt im Versandhandel zu beziehen.“ Auch dieser Antrag wurde angenommen.

Keine Bewegung beim Thema Honorar

Seit vielen Jahren existiert in der ABDA eine Arbeitsgruppe Honorar. Zwischenergebnisse wurden bisher nicht öffentlich kommuniziert. Auch, als vor rund zwei Jahren das Honorargutachten des Bundeswirtschaftsministeriums bekannt wurde, gab es von der ABDA keine Argumentationshilfen für die Mitgliedsorganisationen oder die Apotheker an der Basis. Dr. Heidrun Hoch und Kollegen forderten daher in einem Ad-hoc-Antrag, eine Arbeitsgruppe einzurichten, die innovative Vergütungsvorschläge für die Vor-Ort-Apotheken entwickeln solle. Das Gremium solle sich zusammensetzen aus Apothekern, Wirtschaftswissenschaftlern, Juristen, Mathematikern und weiteren Experten. DAV-Chef Fritz Becker ließ nach Bekanntwerden dieses Ad-hoc-Antrages wissen, dass die Honorargruppe der ABDA zuletzt vor einem halben Jahr getagt hätte, um darüber zu beratschlagen, inwiefern Elemente aus dem Packungshonorar in verschiedene neue Honorare und Fonds umswitchbar seien. Dazu zählen die Betäubungsmittel, der Nacht- und Notdienstfonds, Rezepturen sowie zukünftig die Dienstleistungen. ABDA-Wirtschaftsexpertin Claudia Korf stellte klar, dass man sich bei diesen Fragen grundlegend im Klaren darüber sein müsse, ob es um komplett innovative Honorarmodelle gehe oder eine Verbesserung bzw. Dynamisierung der bestehenden Vergütung. Und schließlich sei entscheidend: „Wie kommen wir dabei raus?“ Die Delegierten votierten schließlich für den Geschäftsordnungsantrag, den Antrag zu übergehen.

Die Apothekerkammer Saarland hätte gerne ein Gegengutachten zum Honorargutachten des Bundeswirtschaftsministeriums gehabt. Ein entsprechender Antrag befand sich im Antragsbuch. Geschäftsführer Carsten Wohlfeil erläuterte ausführlich, weshalb es gerade in Gesprächen mit Bundeswirtschaftsminiser Peter Altmaier, der seinen Wahlkreis im saarländischen Merzig hat, von Vorteil sein könnte, eine offizielle und fundierte Argumentation gegen die Vorschläge der Gutachter zu haben. „Wir haben es erfolgreich geschafft, das Honorargutachten aus der Öffentlichkeit zu halten. Doch im politischen Diskurs taucht es nach wie vor auf“, so Wohlfeil. Überraschenderweise und völlig unerwartet schließt der Kammergeschäftsführer seine Begründung mit den Worten ab: „Und weil es am besten auch nicht öffentlich werden sollte, wird der Antrag hiermit zurückgezogen.“

Foto: DAZ/Alex Schelbert

Gabriele Overwiening, Präsidentin der AK Westfalen-Lippe

Betriebserlaubnis bald elektronisch

Etwas weniger Bürokratie verspricht der erfolgreich eingebrachte Antrag aus Baden-Württemberg (Kammer und Verband). Demnach soll es zukünftig möglich werden, dass eine Schnittstelle oder sonstige digitale Lösung existiert, wodurch Pharmaunternehmen das Vorliegen einer Apothekenbetriebserlaubnis rechtssicher überprüfen können. DAV-Chef und LAV-Vorsitzender Fritz Becker stellte zur Aussicht, dass solch eine Übertragung auch bei der Abfrage von der NGDA (Netzgesellschaft Deutscher Apotheker) künftig möglich sein sollte. Der Antrag wurde angenommen.

Unterstützung für Studierendenverband – aber wie?

Dr. Dorothee Dartsch begründete den Antrag der Apothekerkammer Hamburg, wonach der Bundesverband der Pharmaziestudierenden (BPhD) zukünftig eine dauerhafte organisatorische Unterstützung aus der apothekerlichen Standesvertretung erfahren soll. Das Problem des Verbandes ist die naturgemäß hohe Fluktuation der studentischen Mitglieder, die sich in Vorstand und Ausschüssen engagieren. Eine konkrete Maßnahme könnte beispielsweise die Schaffung einer Büroassistenz sein, die den Verein verwaltet und dauerhaft begleitet. In der anschließenden Debatte erinnerte Baden-Württembergs Kammerpräsident daran, dass man den BPhD regelmäßig und gerne auf Landesebene unterstütze. Doch eine Zuwendung auf ABDA-Ebene hielt er für überflüssig. Ein anderer Delegierter gab zu bedenken, dass der Verband auch weiterhin eigenständig arbeiten müsse. Gerade vor dem Hintergrund des Vereinsrechts sei es kritisch zu betrachten, wenn sich die ABDA hier finanziell und andersweit einbringen würde. Viele weitere Einwände bezogen sich auf die Schaffung einer Personalstelle. Dies würde dazu führen, dass es nicht mehr um einzelne Sach- und Geldspenden gehe, sondern um ein dauerhaftes Haushaltsthema. Schließlich wurde der Antrag angenommen, da im Antragstext selber nur die Absicht formuliert war, konkrete Maßnahmen zur Unterstützung zu entwickeln und vorzuschlagen.

Interessenvertretung 3.0

Aus Nordrhein-Westfalen gab es in den letzten Monaten immer wieder laute Kritik gegenüber der ABDA. Nordrheins neuer Kammerpräsident Dr. Armin Hoffmann will zwar gemäßigter auftreten als sein Vorgänger Lutz Engelen, hat jedoch trotzdem konkrete Vorschläge, wie die Interessenvertretung weiterentwickelt werden könnte. In einem Antrag fordert seine Kammer daher, neue Impulse und innovative Instrumente zu entwickeln, um die Standesvertretung der Apotheker gegenüber der Politik zu stärken. Es soll sich die Kommunikation verbessern und zwar „von oben nach unten und von unten nach oben“. Doch überzeugen konnte Hoffmann die restlichen Delegierten nicht mit seiner Idee. Die Delegierten votierten für den Geschäftsordnungsantrag, diesen Antrag zu übergehen. Ein ähnliches Schicksal ereilte auch die Adhoc-Anträge von Dr. Holger Goetzendorff und Kollegen (ebenfalls Nordrhein) sowie Michael Mantell und Kollegen (Westfalen-Lippe): Weder wird die Selbstverwaltung angepasst noch reformiert. Dazu sehen die meisten restlichen Delegierten offenbar keinen Bedarf. Abgelehnt wurde sogar der Antrag vom Apothekerverband Westfalen-Lippe, der die Aufstellung einer Task Force vorsah, die alle marktstrategischen Entwicklungen im Digitalsektor für die Apotheker im Auge behalten solle, wie Künstliche Intelligenz, 3D-Druck oder stratifizierte Pharmazie. ABDA-Geschäftsführerin Korf erinnerte daran, dass es dafür bereits eine Arbeitsgruppe IT gebe. |

 

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